Wien ehrt Sozialpolitikerin und Ordensgründerin Hildegard Burjan
Überparteiliche Eintracht im Wiener Rathaus: Die Stadt Wien hat am Montag die erste weibliche Parlamentarierin der Ersten Republik und Gründerin der "Caritas Socialis" (CS), Hildegard Burjan (1883-1933), mit einer Gedenktafel im Arkadenhof des Wiener Rathauses geehrt. Bürgermeister Michael Häupl enthüllte die Tafel gemeinsam mit VP-Wien-Klubobmann Manfred Juracka, den Weihbischöfen Helmut Krätzl und Franz Scharl, CS-Generalleiterin Sr. Susanne Krendelsberger und der VP-Gemeinderätin Gudrun Kugler.
Burjan wurde am 16. Februar 1919 im Zuge der ersten freien und gleichen Wahl in der Geschichte der Ersten Republik ins Hohe Haus gewählt, nachdem sie 1918 in den Wiener Gemeinderat eingezogen war. Die Sozialpolitikerin war Teil der großen Koalition zwischen Christlichsozialen und der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, die unter anderem den Achtstundentag durchsetzte und die Arbeiterkammer ins Leben rief, erinnerte Bürgermeister Häupl in einem Grußwort.
"Hildegard Burjan war nicht nur eine hervorragende Sozialpolitikerin im Wiener Gemeinderat und im Parlament, sie war auch durch und durch Humanistin. Und das bereits zu ihren Lebzeiten in einem heute immer noch fortschrittlichen und unkonventionellen Sinn", so Häupl wörtlich. Das Hospiz der von ihr gegründeten "Caritas Socialis" am Rennweg sowie ihre Seligsprechung im Wiener Stephansdom zeugten von Burjans Bedeutung für Wien und Österreich.
Damals wie heute gelte es, gemeinsam die Klüfte in der Gesellschaft zu überwinden und sich für die sozial Schwachen einzusetzen, so Häupl. Die Gedenktafel sei eine Auszeichnung, die weit über sonstige Ehrungen verdienter Persönlichkeiten hinausgeht, stellte der Bürgermeister fest.
VP-Klubobmann Juracka bezeichnete Hildegard Burjan als eine der "ganz großen Persönlichkeiten der Frauenbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts". Burjan sei im Übrigen auch die weltweit erste weibliche Parlamentarierin, die seliggesprochen wurde, so Juracka. Ihre Lebensleistung sei Beispiel dafür, dass sich politisches Handeln stets am Gemeinwohl auszurichten habe.
Sr. Krendlsberger zeigte sich am Rande der Feier gegenüber "Kathpress" über die überparteiliche Feier sehr zufrieden. Gerade die überparteiliche Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen sei Burjan stets ein Anliegen gewesen.
"Wacher Blick für die Nöte der Menschen"
Die Gedenktafel geht auf eine Initiative von VP-Wien-Gemeinderätin Gurdun Kugler zurück. Die Tafel enthält u.a. über Burjan die Aussage: "Stark sozial engagiert wirkte sie innovativ, mutig und mit wachem Blick für die Nöte der Menschen." An der kleinen Feier nahmen u.a. auch der Wiener Bischofsvikar Darius Schutzki, der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, sowie zahlreiche Stadtpolitiker aus ÖVP und SPÖ teil.
Hildegard Burjan wurde am 30. Jänner 1883 in Görlitz an der Neiße als zweite Tochter einer liberalen jüdischen Familie geboren. Nach einer schweren Erkrankung fand sie zum katholischen Glauben. Mit ihrem Gatten Alexander übersiedelte sie 1909 nach Wien und begann sich hier intensiv für Randgruppen der Gesellschaft zu engagieren. 1919 zog sie als erste christlich-soziale Abgeordnete in das Parlament der Ersten Republik Österreich ein. Als verheirate Frau und Mutter gründete sie die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, deren Vorsteherin sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1933 blieb. Sie gilt als die erste selige demokratisch gewählte Politikerin. Im Jahr 2012 wurde sie seliggesprochen.
Quelle: kathpress