Orden müssen Freiräume für Gott offen halten
Gerade in der gegenwärtigen Situation einer "gewissen Erschöpfung" in Kirche und Gesellschaft sind die Orden besonders gefragt. Davon hat sich der Grazer Moraltheologe Prof. Walter Schaupp beim steirischen Ordenstag in Stift Rein überzeugt gezeigt, zu dem mehr als 100 Ordensfrauen und -männer gekommen waren. Die Orden seien gefordert, Freiräume für Gott offen zu halten und zugleich den "Überschuss des Reiches Gottes" sichtbar zu machen, sagte Schaupp in seinen beiden Vorträgen.
Der Kampf für Gerechtigkeit erlahme, Kriege und Totalitarismen kehrten zurück, so der Befund des Theologen. Für Schaupp ist die Antwort aber kein vermehrter Aktionismus im Versuch, das Ruder herumzureißen und die Menschen anzusprechen für mehr Engagement in Kirche und Gesellschaft. Vielmehr brauche es eine neue Form des kirchlichen Dienstes, um die Menschen zu einem "Raum der inneren Freiheit" zu führen.
Ordenschristen könnten so ein "erneuertes Menschsein" vorleben, "ein Heilwerden durch das Zurückfinden zu sich selbst und zu Gott". Das sei letztlich die Gründungsintention des Ordenslebens, zugleich aber auch nicht technisch machbar, sondern ein Geschenk der Gnade Gottes, "für den der Freiraum offen gehalten wird". Schaupp: "Gott kommt entgegen und wirkt sein Heil. Das will wahrgenommen werden. Deshalb hat die Erneuerung ihre Wurzeln in der Kontemplation."
Klöster müssten "Andersorte" sein, ein Stück "umgestaltete Welt", in der Armut als "positive Einfachheit" erfahrbar ist und "wo es ein Spiel von Abgrenzung und Kommunikation gibt, wodurch sowohl Geborgenheit als auch Begegnung ermöglicht werden", so Schaupp.
Der Theologe bezeichnete das Ordensleben weiters auch als "Leben in produktiver Differenz" zur Gesellschaft, wo der "Überschuss" des Reiches Gottes sichtbar werde. Als Beispiel wies der Theologe u.a. auf die gegenwärtige Dominanz des naturalistischen wissenschaftlichen Weltbildes hin. Hier wäre es nötig, die Transzendenz offen zu halten, dem "Wissen" das "Geheimnis" entgegenzusetzen und Gott als den "Ganz Anderen" zu betonen, dem sich der Mensch nur im Modus der Suche annähern könne. Nicht dogmatische Lehrsätze, sondern Glaubensgeschichten voller Zweifel und tastender Fragen würden dabei heutigen Menschen einen Zugang zur Transzendenz eröffnen, so der Theologe.
Ein weiterer Bereich für ein "Leben in produktiver Differenz" zur Gesellschaft wäre jener des Alterns. Ordensgemeinschaften mit ihren vielen Mitgliedern in fortgeschrittenem Alter müssten vorleben, dass das Ideal für das Leben im Alter nicht Jugend, Vitalität und Schönheit seien, sondern eine "ausgereifte Tugend" und ein Verleiblichen wesentlicher Grundhaltungen z.B. über das Lächeln. Zuwendung zu den Alten in der Gemeinschaft und ein wertschätzendes Würdigen der jeweiligen Lebensgeschichte wären darüber hinaus wesentlich, so Schaupp.
Quelle: kathpress