Romaria-Wallfahrt ruft zu menschlicher Flüchtlingspolitik auf
Zu menschlichen Lösungen in der Flüchtlingsthematik hat am Samstag die Wiener Solidaritätswallfahrt "Romaria" aufgerufen. Die Würde von Flüchtlingen gelte es unbedingt zu wahren - "denn auch wenn man nichts hat, bleibt man ein Mensch, der anderen etwas geben kann", wie die Präsidentin der österreichischen Frauenorden, Sr. Beatrix Mayerhofer, bei einem "politischen Abschlussgebet" in der Pfarre Inzersdorf-Neustift hervorhob. An dem von religiösen und sozialpolitischen Impulsen begleiteten 12-Kilometer-Fußmarsch entlang der Südgrenze der Bundeshauptstadt beteiligten sich rund 100 Personen.
Tradition der bereits seit acht Jahren jährlich ausgetragenen "Romaria" ist es, die Finger auf wunde Punkte im Flüchtlingswesen zu legen. Dazu gehört u.a. das "Unsichtbarmachen von Flüchtlingen" durch die Auslagerung von Flüchtlingslagern außerhalb der EU, wie Herbert Langthaler von der Flüchtlingskoordination Österreich betonte. Europa wolle sich damit "aus der Verantwortung ziehen", was jedoch nicht gelingen könne. Einzig sinnvoll seien hier vielmehr Investitionen in "gutes Resettlement" und vermehrte Unterstützung in den Herkunftsländern der Flüchtlinge.
Wichtig sei es, "zuerst das Kind im jungen Flüchtling zu sehen, nicht den Flüchtling im Kind", appellierte Eva Kern, die als Geschäftsführerin des Don Bosco Flüchtlingswerkes über die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sprach. Deren Situation habe sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. "Besonders trifft dies bei den Bildungsangeboten zu, da sie von der 2016 beschlossenen allgemeinen Ausbildungspflicht bis 18 Jahre explizit ausgeschlossen sind", berichtete die Expertin. Bildung sei ein entscheidender Schlüssel für eine positive Lebensperspektive, welche dieser Gruppe jedoch verwehrt bleibe.
Auch weitere in den Kinderrechten verbriefte Rechte würden jungen Flüchtlingen in Österreich vorenthalten - darunter jene auf Gleichbehandlung, Leben, Entwicklung, ständigen Vorrang des Kindeswohls sowie Achtung der Meinung des Kindes. Minderjährige Flüchtlinge seien bei den Tagsätzen allen anderen Flüchtlingen gleichgestellt, indem sie im Rahmen der Grundversorgung versorgt werden, nicht jedoch von der Jugendwohlfahrt, sagte Kern, die auch die fragwürdige Praxis der Altersfeststellungen kritisierte. Trotz hohem Bedarf fehle es zudem an Psychotherapieplätzen für traumatisierte minderjährige Flüchtlinge.
Werteverlust und Entmenschlichung
Die Politik sollte ihre Rolle ernst nehmen und die Auswirkung ihrer Entscheidungen gleichermaßen auf Schutzsuchende sowie auch auf die Gesellschaft bedenken. "Wie froh waren wir, als einst die Mauer gefallen ist. Wenn wir heute neue Grenzen und Zäune bauen, so geht etwas verloren. Wir büßen Werte ein und tragen zu einer Entmenschlichung bei", so Kern, die auch eine klare Botschaft an die Medien richtete. Auch die Berichterstattung entscheide darüber, ob entstandene Spaltungen vorangetrieben werden oder nicht. "Schaffen wir es nicht, respektvoll zu kommunizieren, wird es schwierig, dass sich Dinge ändern", so die Flüchtlingswerk-Geschäftsführerin.
Zu gegenseitigem Respekt - besonders hinsichtlich des Zusammenlebens von religiösen und nicht-religiösen Menschen vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegungen - rief auch Alexander Pollak von "SOS Mitmensch" auf. Die sich wandelnde Gesellschaft brauche den Grundkonsens, dass staatliches Recht Vorrang vor religiösen Gesetzen habe, dass niemand wegen Religion, Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung diskriminiert werden dürfe, sowie auch Achtung und Sensibilität für Religionsfreiheit. "Wichtig ist auch das Bewusstsein, dass wir alle Schwächen und Fehler haben, dass wir an diesen arbeiten, dadurch lernen und daraus Ideen für unser Zusammenleben schöpfen", betonte Pollak.
Der frühere Salesianerprovinzial Rudolf Osanger bekräftigte beim Abschlussgebet den Einsatz seines Ordens für Flüchtlinge. Das neue Wohnhaus für 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, für das vor wenigen Tagen in Wien-Inzersdorf der Grundstein gelegt wurde, sei ein sichtbarer Ausdruck dafür. Das Engagement werde weitergehen trotz Widrigkeiten politischer Natur, dass etwa derzeit manche bestehenden Wohngemeinschaften für junge unbegleitete Flüchtlinge nicht ausgelastet sind, während Angehörige dieser Gruppe anderswo ohne besondere Betreuung in großen Flüchtlingsunterkünften leben.
Afghanen nicht "in den Tod schicken"
Mehrmals wurde während der Romaria auf das "traurige Thema" der Flüchtlinge aus Afghanistan hingewiesen, die zuletzt trotz Unbescholtenheit vermehrt von Abschiebungen betroffen waren, obwohl das Außenministerium für das Land die Reisewarnung Stufe 6 - der höchsten - ausgibt. Unter afghanischen Asylwerbern sei große Angst und Unsicherheit spürbar, was die Lebenssituation zusätzlich zu existierenden Problemen noch erheblich erschwere, wurde deutlich. Die aktuellen Demonstrationen gegen diese Entwicklung unterstütze man, denn "es kann nicht sein, dass Österreich Menschen möglicherweise in den Tod schickt", so die Romaria-Veranstalter, zu denen auch die Katholische Aktion Wien zählt.
Zu den emotionalen Höhepunkten zählte das von der Plattform Christen und Muslime gestaltete Gedenken für alle auf der Flucht verstorbenen Menschen am Wiener islamischen Friedhof, wo auch mehrere der 71 Ende August 2015 in einem Kühltransporter erstickten Flüchtlinge begraben sind. Ebenso jedoch auch der Bericht eines Jugendlichen aus Sierra Leone, der eine Lehrstelle gefunden hatte und aus seiner Perspektive den Übergang vom minderjährigen zum erwachsenen Flüchtling schilderte. Es sei wichtig, selbst etwas zu tun zu können, um auf den eigenen Beinen stehen, so seine Botschaft. Geholfen habe ihm dabei, "dass jemand für mich da war und mir Kraft gegeben hat".
Quelle: kathpress