Orden wollen Zeichen für gerechtere Gesellschaft sein
Grundanliegen der vielfältigen Sozial- und Umweltinitiativen katholischer Ordensgemeinschaften ist es, "Zeichen zu setzen, dass eine gerechtere Welt möglich ist": Das haben Ordensleute und Verantwortliche von Sozialinitiativen am Montag in einem Wiener Pressegespräch dargelegt. Mit einem neuen Themenschwerpunkt "Gerechtigkeit geht!" wollen die Männer- und Frauenorden in den kommenden Wochen verstärkt auf ihr Wirken in den Bereichen Wirtschaft, Ökologie, Soziales und Internationales aufmerksam machen, neue konkrete Aktionen starten und dabei der Gesellschaft Impulse weitergeben.
Der Generalsekretär der Superiorenkonferenz der Männerorden, P. Franz Helm, beschrieb die Gegenwart als Zeitalter der Erschöpfungen: Die Ressourcen, das Klima, die Umwelt und die Natur seien ebenso in einer Krise wie der Mensch selbst. Folgen seien nicht nur Kriege, Hunger und die Flüchtlingssituation, sondern auch enorme Belastungen durch hohes Lebenstempo. "Viele Menschen bleiben übrig und haben nicht genug zum Leben", beobachtete der Ordensmann.
Der neue Ordens-Fokus solle zum Ausdruck bringen, "dass einerseits die Gerechtigkeit immer mehr abhandenkommt, aber auch, dass es durchaus Möglichkeiten für gelebte Gerechtigkeit gibt". Jesus sei es darum gegangen, allen Menschen ein "Leben in Fülle" und die Wahrung ihrer Würde zu ermöglichen, verdeutlichte P. Helm den gemeinsamen Ausgangspunkt. Die vielen Initiativen der Orden seien der Versuch, Christus nachzufolgen - "seine Botschaft heute zu leben, indem wir das gegenwärtig machen, worum es ihm gegangen ist", so der Steyler Missionar.
Viele Impulse dazu kämen von Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika "Laudato si" einen vielfachen Wandel gefordert habe: "Im Sozialen - dass wir den Menschen neu in den Blick nehmen, im Ökologischen - dass wir die Umwelt als gemeinsames Haus aller verteidigen - und in einer neuen Spiritualität der Verbundenheit, bei der die Beziehungen von Empathie, Mitgefühl und Solidarität geprägt sind", skizzierte P. Helm das Papstschreiben. Statt noch mehr technischen Fortschritts sei jene Entwicklung nötig, die Menschen vom Rand in die Mitte stelle und zu einer "besseren Welt" mit höherer Lebensqualität führe.
Corti: Teilen macht glücklich
"Wir gewinnen unglaublich viel, wenn wir teilen. Teilen macht einfach glücklich und reich. Diese Erfahrung muss man aber erst selbst einmal gemacht haben", sagte die Obfrau des Vereins Vinzenzgemeinschaft, Cecily Corti. Einsatz für andere und Verbundenheit mit ihnen rücke viele andere Probleme in den Hintergrund. Als "wirkliche Notwendigkeit" in der Gesellschaft bezeichnete es die Sozialpionierin, dass der Einzelne für sich erkenne, wo er Gerechtigkeit leben will und kann. "Das sind oft ganz kleine Schritte, die näher führen zu anderen und das Sensorium dafür öffnen, wie unsere Welt aussieht." Die heutige Schnelllebigkeit verhindere im Alltag wirkliche Begegnungen mit dem anderen Menschen.
Mitgefühl und Empathie bezeichnete Corti als zentrale Werte in sozialen Tätigkeiten, ebenso wie das Signalisieren von Nähe, das Eingehen auf den jeweiligen Menschen und das genaue Achtgeben darauf, ihm nicht das Gefühl von Minderwertigkeit zu geben. "Ein Obdachloser in Paris sagte mir einmal, er scheue die Notschlafstellen, da ihm dort erst das Gefühl vermittelt werde, obdachlos zu sein", berichtete die Obdachlosen-Aktivistin. Auch Helfer von Suppenküchen müssten sehr in ihrem Handeln darauf achtgeben, sich in ihrem Tun innerlich nicht über die Gäste zu stellen. Bei Hilfe für andere gehe es vorrangig nicht darum, Gutes zu tun oder Opfer zu bringen. "Es ist in der Natur des Menschen. Wir glauben, dass da ein Gott am Werk war, der diesen Samen in die Tiefe unserer Natur gelegt hat."
Leider sei die Gesellschaft allgemein zu weit von Menschen am Rand entfernt, um von ihnen lernen zu wollen, bedauerte Corti. Wer jedoch bereit sei, sich dieser Realität auszusetzen und Menschen wahrzunehmen, mache wichtige Erfahrungen - wie etwa das Miterleben tiefer Betroffenheit und Anteilnahme bei Krankheit oder Schicksalsschlägen. Zu entdecken gebe es auch viel Verständnis füreinander: Oft müsse sie selbst in der Notschlafstelle Menschen zugunsten anderer abweisen und erhalte dafür den Vorwurf, ungerecht zu sein. Versuche dies zu begründen, sei die Bereitschaft, den Platz für einen älteren oder kränkeren Menschen zu geben, meist groß, so Cortis Erfahrung.
Steyler Schwestern gehen nach Athen
Die Provinzoberin der Steyler Missionarinnen, Sr. Hemma Jaschke, berichtete von der Entscheidung ihres Ordens, die erste Niederlassung in Griechenland zu eröffnen. Aus Betroffenheit über die Flüchtlingskrise habe die Versammlung der Provinzleiterinnen im vergangenen Herbst beschlossen, an einem Brennpunkt dieser Krise "ein Zeichen zu setzen". Am Dienstag brechen vier Schwestern vom Mutterhaus in Steyl nach Athen auf, wo sie in einem Haus des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes JRS für Flüchtlingsfamilien eine neue Gemeinschaft gründen werden. Mit Sr. Ada Lick, eine pensionierte Krankenschwester und Hebamme, die zuvor jahrelang in Indonesien und Palästina auf Missionseinsatz war, ist auch eine Österreicherin beteiligt.
Die Steyler Missionsschwester sprach bei diesem Vorhaben von einem "Experiment": Man wolle zunächst vor Ort präsent sein, das Leben mit den Flüchtlingen teilen und "schauen, wo wir uns einbringen können und was weiter notwendig ist". Als Idee schwebe vor, "eine kleine Zelle als offenen Ort zu bilden, zu dem auch Helfer kommen können - wo sie gute und schlechte Erfahrungen teilen können und sich auch im Gebet getragen fühlen".
Als spezielle Aufgabe der Orden im Sozialbereich bezeichnete es Jaschke, "Zeichen zu setzen" und dabei "Gott spürbar und sichtbar zu machen". Immer wichtiger werde auch der Aspekt der Vernetzung und des Teilens des Lebens jenseits weltanschaulicher Grenzen. Bei ihren eigenen Einsätzen beim "Canisibus", der täglich Menschen in Not mit warmer Mahlzeit versorgt, beteiligten sich öfters auch gläubige Muslime, berichtete die Ordensschwester. "Das waren unsere besten Zivildiener." Inspirierend sei besonders die Zusammenarbeit mit jungen Menschen, "da sie sich oft durch einen sehr unmittelbaren Zugang zu anderen auszeichnen".
Gemeinsame Blickrichtung
Neben den vielfältigen Formen des Einsatzes einzelner Orden für eine "gerechtere Welt" gibt es auch zahlreiche gemeinsame Initiativen der Gemeinschaften. Ferdinand Kaineder, der Leiter des Medienbüros der Orden, zählte dazu u.a. die Beteiligung an der Kampagne "Christlich geht anders". Bei der Wirtschaftstagung der Orden am 30. und 31. Mai in Salzburg steht das "Wirtschaften im Sinne von Laudato si" im Mittelpunkt. Am 5. und 6. Juli beschäftigt sich eine Tagung im Grazer Franziskanerkloster mit dem Thema "Ökologisierung der Energieversorgung in kirchlichen Einrichtungen", und auch die "Fachtagung Weltkirche" in Stift Lambach (www.fachtagung-weltkirche.at) ist hier zu nennen: Die Teilnehmer begeben sich am 21. und 22. Juli unter dem Motto "Die Erde sind wir" gemeinsam mit Ordensleuten aus Afrika und Asien "auf die Suche nach der ökologischen Umkehr".
(Informationen: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress