Kirchenreform: Pastoraltheologe Hennecke warnt vor Provinzialität
Der deutsche Pastoraltheologe Christian Hennecke warnt bei den laufenden Kirchenstrukturreformen vor "Enge und Provinzialität". Erst durch den lernenden Blick über den "eigenen Tellerrand" hinaus auf andere Kontinente und Diözesen werde Kirche wirklich "katholisch". Dabei gelte es nicht, "Dinge einfach zu kopieren", sondern sich "entzünden zu lassen" und zu lernen, "dass alle erfolgreichen Erneuerungsprozesse immer eine Sache verbindet: Eine neue Kultur des Kirche-Seins", so Hennecke in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "miteinander" des Canisiuswerks. Hennecke gilt als Pastoral-Vordenker und ist Leiter der Hauptabteilung Pastoral in der norddeutschen Diözese Hildesheim.
Wichtig sei dabei die Unterscheidung zwischen notwendigen Prozessen struktureller Veränderung und Anpassung - etwa an rückläufige personelle und finanzielle Ressourcen - und auf der anderen Seite Prozesse der "Kirchenentwicklung": Während nämlich die Strukturreform "Aufgabe der Kirchen- oder Diözesanleitung" sei, die dafür sorgen müsse, dass Kirche "pastoral handlungsfähig" bleibe, sei die Kirchenentwicklung Sache aller Gläubigen: "Uns wird ja immer stärker bewusst, dass wir Kirche insgesamt neu denken müssen." Den Debatten um die Strukturreform sollte daher "bei der Frage nach der Zukunft von Kirche nicht so viel Raum gegeben werden", mahnt Hennecke.
"Ärger" entstehe indes immer dort, wo die Menschen in den Gemeinden vor Ort nicht auf diesen Weg der inhaltlichen Erneuerung mitgenommen würden und sie den Eindruck bekommen, "sie verlieren ihre spirituelle Heimat". Hennecke: "Wenn ich hingegen mit den Gläubigen spreche und mich auf ihre Situationen einlasse, ihnen Freiraum gebe, dann erfahren sie das als Motivation und Empowerment, ihr gemeinsames Priestertum verantwortungsvoll wahrzunehmen. Das findet aber oft noch viel zu wenig statt." Dabei biete die Kirche auch von den rechtlichen Rahmenbedingungen her "viel mehr Möglichkeiten der Partizipation und des verantwortungsvollen Handelns, als wir uns eingestehen", so Hennecke unter Verweis auf das allgemeine, in der Taufe begründete Priestertum jedes Gläubigen.
Umdenken bei Berufungspastoral
Zu einem Umdenken ruft der Theologe auch im Bereich der Berufungspastoral auf: So sollte die Kirche nicht mehr von der klassischen Frage ausgehen, "wie wir neue Priester und Ordensleute oder kirchliche Mitarbeiter finden können". Vielmehr müsse die Frage lauten, "wie wir jungen Menschen einen Raum bieten können, in dem sie die Gelegenheit haben, nach ihrem Lebenssinn und ihrer möglichen Lebensberufung zu fragen - und dies in Gemeinschaft". Kirche müsse viel stärker als bisher auf diese "Grundsehnsucht" antworten und Menschen professionell bei der Antwortsuche an die Hand nehmen.
Die in allen österreichischen Diözesen inzwischen etablierten "Theotage" als Informationsveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler seien vor diesem Hintergrund wichtig, um "erste Informationshäppchen" zu bieten. Sie können jedoch laut Hennecke "nur ein erster Schritt" sein: "Ich glaube, es würde sich viel mehr lohnen, für die Zielgruppe der jungen Erwachsenen zwischen 16 und 30 Räume zu schaffen, in denen sie ihr Christsein leben und sich miteinander austauschen können - etwa in Sommer-Camps. Es geht um die positive Erfahrung des Miteinander-Lebens."
Das Interview im Wortlaut unter www.miteinander.at/hennecke abrufbar.
Quelle: kathpress