Armut in Österreich laut EU-Statisitk leicht rückläufig
1,5 Millionen Menschen in Österreich sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen. Das zeigen die am Dienstag präsentierten Daten der EU-SILC Statistik (Statistics on Income and Living Conditions) über Einkommen und Lebensbedingungen von Privathaushalten. Die Daten zeigen für Österreich eine leicht sinkende Tendenz und liegen mit 18 Prozent unter dem europäischen Durchschnitt (23,7 Prozent). Für die Caritas ist das jedoch kein Grund für besondere Freude. "Auch wenn sich in Österreich die Situation leicht entspannt, dürfen wir uns jetzt keinesfalls zurücklehnen", so Caritas-Präsident Michael Landau in einer Aussendung.
Landau forderte einmal mehr eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung: "Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung schützt vor einem Abrutschen in absolute Armut. Wir benötigen hier wieder eine bundesweit einheitliche Lösung. Neun Länder und neun Strategien können nicht der Weisheit letzter Schluss sein."
Der EU-Bericht belegt, dass Langzeitarbeitslosigkeit zu den größten Risikofaktoren für Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung zählt. "Auch wenn wir aktuell eine leichte Entspannung am Arbeitsmarkt erkennen, steigt die Langzeitarbeitslosigkeit dennoch weiter an", so Landau: "Als Caritas sehen wir die Not dieser Menschen in unseren Beschäftigungsprojekten und 36 Sozialberatungsstellen in ganz Österreich."
Je länger die Menschen arbeitslos sind, umso schwieriger werde es für sie, wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Die Bundesregierung hat nach den Worten des Caritas-Präsidenten mit dem "20.000-Beschäftigten-Programm" diesbezüglich eine "begrüßenswerte Maßnahme" beschlossen, aber darüber hinaus brauche es einen dauerhaft erweiterten Arbeitsmarkt. Er diene jenen Menschen, bei denen eine Reintegration auf den regulären Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit unwahrscheinlich sei.
Landau forderte zudem einen "Chancen-Index" für sogenannte Brennpunktschulen. Die EU-Studie mache deutlich, dass soziale Benachteiligung oftmals die Folge geringer beruflicher Qualifizierung und fehlender Ausbildung sei. Das Risiko für Ausgrenzungs- und Armutsgefährdung sei für Personen, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, rund doppelt so hoch wie für Akademiker. "Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau und dem Risiko, in Armutslagen abzurutschen oder in Armut leben zu müssen. Bildung erhöht die Chancen am Arbeitsmarkt deutlich, und eine gute Ausbildung ist, auch angesichts der kommenden Entwicklungen wie Digitalisierung, die beste und nachhaltigste Armutsprävention", so der Caritas-Präsident.
Daher ist für Landau die von der Bundesregierung beschlossene Ausbildungspflicht bis 18 Jahren und die Ausbildungsgarantie bis 25 Jahren die richtige Strategie. "Darüber hinaus brauchen wir aber auch im Bereich der Schulen systematische, präventive Maßnahmen wie Schulsozialarbeit und deutlich mehr Unterstützungspersonal zur gezielten individuellen Förderung der Kinder." In den 48 Caritas-Lerncafés werde deutlich, dass bei entsprechender Förderung 97 Prozent aller Kinder das Schuljahr positiv abschließen.
Landau: "Sogenannte Brennpunktschulen brauchen also mehr Personal und mehr Budget, um Kindern aus benachteiligten Familiensituationen bessere Chancen bieten zu können. Wir würden uns als Caritas wünschen, dass der aufs Tapet gebrachte Chancen-Index rasch Wirklichkeit wird."
Armutsrisiko bei Alleinerzieherinnen und teures Wohnen
Frauen, hier vor allem die alleinerziehenden Mütter, gehören nach wie vor zur Gruppe der am stärksten von Armut Betroffenen in Österreich, so Landau weiter: "Auch die Unternehmen müssen in die Pflicht genommen werden, für familienfreundliche Arbeitsplätze zu sorgen. Mit einem qualitätsgesicherten, zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr erhöhen wir nicht nur die Chancen auf bessere Bildungskarrieren unserer Kinder, sondern helfen auch den Eltern, Kinder und Beruf besser zu vereinbaren."
Seit Jahren würden zudem die Wohnkosten steigen, während die Reallöhne deutlich geringer anwachsen, stagnieren oder im Niedriglohnbereich sogar sinken. "Damit leiden jene, die am wenigsten Einkommen zur Verfügung haben, am meisten unter den stetig steigenden Wohnkosten", kritisierte der Caritas-Präsident. Er forderte einmal mehr eine Mietrechtsreform, die Zu- und Abschläge gesetzlich regelt, den Anwendungsbereich des Mietrechts deutlich erweitert sowie die transparente Vergabe geförderter und kommunaler Wohnungen. Zudem müssten die Maklergebühren vom Auftraggeber entrichtet und die Rückflüsse aus der Wohnbauförderung wieder für den Wohnungsbau zweckgewidmet werden.
Rückgang von 18,3 auf 18 Prozent
Insgesamt stellt sich die Situation in Österreich so dar, dass 18 Prozent der Bevölkerung gemäß EU-Berechnung als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gelten. Das ist ein minimaler Rückgang gegenüber 2015, wo 18,3 Prozent zu der Gruppe gezählt wurden. 2008 lag der Wert bei 20,6 Prozent.
Das Land, in dem das Risiko zu verarmen am geringsten ist, ist laut der Erhebung Tschechien, gefolgt von Schweden und den Niederlanden. Während Österreich gleichauf mit Frankreich auf Rang sechs rangiert, ist die Armutsgefährdung in Griechenland, Rumänien und Bulgarien am höchsten. Dort sind zwischen knapp 36 (Griechenland) und gut 41 Prozent (Bulgarien) von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen.
Armutskonferenz: Keine Entspannung
Ähnlich der Caritas hat sich am Dienstag auch die Armutskonferenz zu Wort gemeldet. Das soziale Netz in Österreich wirke präventiv, von einer wirklichen Entspannung könne aber keine Rede sein. 300.000 bis 400.000 Menschen in existentiell schwierigsten Lebensbedingungen seien für ein so reiches Land wie Österreich in jedem Fall zu viel. 410.000 könnten als "manifest arm", 257.000 als "erheblich materiell depriviert" bezeichnet werden. Sie seien von einem sehr schlechten allgemeinen Gesundheitszustand, chronischer Krankheit und starken Einschränkungen bei Alltagstätigkeiten betroffen - dreimal so stark wie der Rest der Bevölkerung. Auch die Wohnqualität sei mehr als prekär und die Wohnkostenbelastung hoch.
Was Einschnitte in das untere soziale Netz bei Notstand, Krankheit oder Mindestsicherung bedeuten, könne bei den Folgen für Kinder sichtbar werden, hielt die Armutskonferenz fest: 52.000 Kinder lebten jetzt schon in Haushalten, die die Wohnung nicht angemessen warm halten können. 171.000 Kinder seien nicht in der Lage, einmal im Monat Freunde zu sich nach Hause einzuladen. 234.000 Kinder müssten in überbelegten Wohnungen leben, 223.000 Kinder wohnten in feuchten und schimmligen Zimmern. Mehrere Tausend müssten einen notwendigen Arztbesuch aus Kostengründen aufschieben.
Ohne Sozialleistungen und soziale Dienstleistungen wären auch mittlere Haushalte massiv unter Druck und stark abstiegsgefährdet, hielt die Armutskonferenz weiters fest.
Quelle: kathpress