Papstbesuch stärkt Ökumene-Kurs von Tawadros
Unter Papst-Patriarch Tawadros II. fährt die koptisch-orthodoxe Kirche einen neuen, ökumenisch aufgeschlossenen Kirchenkurs. Das hat der Salzburger Ostkirchen-Experte Prof. Dietmar Winkler im "Kathpress"-Interview betont. Freilich habe das koptische Oberhaupt innerkirchlich noch einige Widerstände zu überwinden. Der Besuch des Papstes Ende April werde daher auch zur Stärkung der innerkirchlichen Position von Tawadros beitragen, zeigte sich Winkler überzeugt.
Nachdem Tawadros' Vorgänger Papst Schenuda III. in den letzten 20 Jahren seiner mehr als 41 Jahre dauernden Amtszeit einen eher verschlossenen ökumenischen Kurs gefahren war, sei mit Tawadros eine Neuorientierung eingetreten. So habe Tawadros etwa sehr rasch nach seinem Amtsantritt wesentlich zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Ägypten beigetragen, dessen Vorsitzender er auch ist. Dem Rat gehören neben der koptisch-orthodoxen die koptisch-katholische Kirche sowie weitere katholische, anglikanische, evangelikale und griechisch-orthodoxe Vertreter an.
Sein erster Auslandsbesuch habe das koptische Oberhaupt zudem im Mai 2013 nach Rom zu Papst Franziskus geführt, erinnerte Winkler. Zwischen den beiden Kirchenoberhäupter sei inzwischen auch eine tiefe persönliche Freundschaft gewachsen. Beim Besuch in Rom waren zwei Dinge vereinbart worden: Franziskus und Tawadros hatten sich vorgenommen, jeden Tag füreinander zu beten und jedes Jahr den 10. Mai als Fest der christlichen Liebe und Freundschaft zwischen katholischer und koptischer Kirche zu begehen.
Auch dass Tawadros persönlich an der Amtseinführung des koptisch-katholischen Patriarchen Ibrahim Isaac Sidrak teilgenommen hatte, sei ein ganz großer bedeutender Schritt gewesen, so Winkler. Der Papst-Patriarch habe zudem bereits einige Schlüsselpositionen in der koptischen Kirche mit ökumenisch aufgeschlossenen Geistlichen besetzt. Zugleich gebe es aber auch noch einen "harten Kern" von Bischöfen, der noch in einer ablehnenden Haltung verharrt.
Katholische Taufe bisher nicht anerkannt
Als konkretes Beispiel führte Prof. Winkler die Tatsache an, dass die katholische Taufe von der koptischen Kirche nicht anerkannt wird. Die Kopten könnten noch immer nicht einige Aspekten der katholischen Tauftheologie akzeptieren. Tritt ein Katholik zur koptischen Kirche über, wird er deshalb nochmals - bzw. in koptischer Diktion erstmals - getauft. Für die katholische Kirche sei dies eine "tiefe Wunde", so Winkler. Papst Tawadros habe sich inzwischen schon in seiner eigenen koptischen Bischofsversammlung um die Anerkennung der katholischen Taufe bemüht, habe sich aber bislang nicht gegen den Widerstand einiger Bischöfen durchsetzen können. Winkler zeigte sich zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren auch durch neue junge und gut ausgebildete koptische Bischöfe Fortschritte erzielt werden.
Winkler ist u.a. Vorsitzender der Salzburger Sektion von "Pro Oriente" und Mitglied der offiziellen Kommission für den theologischen Dialog zwischen römisch-katholischer Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen (zu denen auch die koptische Kirche gehört) auf Weltebene. Das Tauf-Thema sei auch auf der Agenda der Kommission. Prof Winkler wies darauf hin, dass die koptisch-orthodoxe Kirche mit ihrer ablehnenden Haltung auch innerhalb der altorientalischen Kirchenfamilie weitgehend isoliert sei. So würden etwa die armenisch-apostolische und syrisch-orthodoxe Kirche die Taufe anderer Kirchen sehr wohl anerkennen.
Auch in der koptischen Diaspora wird die Tauf-Frage differenziert gesehen. So hat beispielsweise der koptische Bischof in Österreich, Anba Gabriel, gegenüber "Kathpress" unterstrichen, dass er bislang noch keine einzige Taufe eines in die koptische Kirche übergetretenen Christen vorgenommen habe.
Die österreichische ökumenische Stiftung "Pro Oriente" arbeitet seit Jahrzehnten eng mit der koptisch-orthodoxen Kirche zusammen. Beim ersten, von "Pro Oriente" veranstalteten inoffiziellen Dialog zwischen katholischen und orientalisch-orthodoxen Theologen 1971 in Wien wurde - auf Anregung des späteren koptisch-orthodoxen Patriarchen Schenuda III. - die "Wiener christologische Formel" erarbeitet. Damit wurde nach 1.500 Jahren eine theologische Auseinandersetzung beendet, die beim Konzil von Chalcedon im Jahr 451 begonnen hatte.
Terror gegen Kopten
Im Hinblick auf die jüngsten Terroranschläge auf Kopten vertrat Winkler die Meinung, es gehe vor allem darum, Ägypten zu destabilisieren. Ziel der Islamisten sei nicht nur die "Verfolgung von Christen" aus ideologischen Gründen, sondern eine maximale mediale Öffentlichkeit. Und die bekomme man im Westen vor allem durch Anschläge auf Christen "und beispielsweise nicht durch gleichwertige Terroraktionen gegen schiitische Gläubige".
Hohe Bedeutung maß der Ostkirchenexperte auch dem geplanten Besuch des Papstes in der Al-Azhar-Universität zu. Die Institution habe zwar in der jüngeren Vergangenheit innerislamisch an Einfluss verloren, sie sei aber für die Stabilität im Land außerordentlich wichtig.
Fehlendes demokratisches Bewusstsein
Im Juli 2013 putschte das Militär unter dem Ex-General al-Sisi gegen den der Muslim-Bruderschaft nahestehenden islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Dieser war nach dem Sturz von Machthaber Mubarak im Februar 2011 der erste frei gewählte Präsident Ägyptens. Der damalige Putsch war wegen der islamistisch-totalitären Tendenz Mursis u.a. von Tawadros II. und Al-Azhar-Großscheich Ahmed Tayeb offiziell unterstützt und begrüßt worden. Im Mai 2014 wurde al-Sisi zum neuen ägyptischen Präsidenten gewählt.
Man müsse vorsichtig sein, westliche demokratische Vorstellungen auf Länder im Nahen Osten zu projizieren, hielt Winkler im "Kathpress"-Interview fest. Europa habe 500 Jahre Aufklärung und Reformation durchgemacht. Das Ergebnis einer solchen Entwicklung könne man nicht einem anderen Land und seiner Bevölkerung einfach überstülpen. Das funktioniere nicht, wie beispielsweise an der Herrschaft der "demokratisch" gewählten Muslimbrüder sichtbar wurde. Die Schaffung eines demokratischen Bewusstseins in der Bevölkerung sei ein langer und schwieriger Prozess.
Quelle: kathpress