Langzeitarbeitslose im besonderen Fokus etlicher Kirchenprojekte
Vom Sofa und Klavier bis zum Lampenschirm: Die Mitarbeiter des "carla nord" in Wien-Floridsdorf sammeln Sachspenden, möbeln sie auf und verkaufen sie. Auf mehreren Stockwerken der 4.000 Quadratmeter großen Halle verteilt, suchen ausgemusterte Haushaltsgegenstände ein neues Zuhause. Der sozialökonomische Betrieb der Caritas eröffnet Menschen, die seit mehr als einem Jahr arbeitslos sind, eine neue Perspektive.
"Viele erhalten am Arbeitsmarkt gar nicht erst die Gelegenheit, ihre Talente und Fähigkeiten zu präsentieren. Bei uns können sie diese ausbauen und so wieder Fuß fassen", sagt Projektleiterin Elisabeth Mimra. Wie bei einem sozialökonomischen Betrieb üblich, sind die Mitarbeiter in der Regel auf sechs Monate befristet angestellt. Sie werden von Experten angeleitet, nach Kollektivvertrag entlohnt und beim Wiedereinstieg in den regulären Arbeitsmarkt unterstützt.
Dieser präsentiert sich für bestimmte Gruppen als hartes Pflaster: Im Februar stieg die Zahl von Arbeitssuchenden ab 50 Jahren um 6,8 Prozent gegenüber 2016, bei gesundheitlich eingeschränkten Menschen sogar um 8,2 Prozent. Auch die Langzeiterwerbslosigkeit ist hoch: Zurzeit sind 60.265 Arbeitssuchende länger als zwölf Monate vorgemerkt, um 11,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Es ist eine breitere Schicht von Langzeiterwerbslosigkeit betroffen als vor zehn Jahren", betont Martin Kainz, Experte beim Arbeitsmarktservice (AMS) Wien.
Zur Risikogruppe zählen Asylberechtigte, Frauen nach der Karenz, aber auch Arbeitssuchende ohne Ausbildungsabschluss. Die Ansprüche der Unternehmen sind hoch, Hilfsarbeiterjobs gehen zurück. Kainz sieht einen Verdrängungswettbewerb zu Lasten älterer Arbeitnehmer. Umschulung oder Höherqualifizierung sind ein Ausweg, Eingliederungsbeihilfen ein anderer. Das AMS-Wien unterstützt zudem sozialökonomische Betriebe von Trägern wie eben der Caritas.
Vorverurteilt durch Schulden
Roswitha ist im "carla nord" für das Sortieren und Aufbereiten der Ware und den Verkauf zuständig. Die Mitfünfzigerin ist seit mehreren Jahren auf Jobsuche. Auf Bewerbungen bekommt sie kaum Antworten. Das führt sie neben dem Alter auf ihre private Verschuldung zurück. Teile des Lohns müssten gepfändet werden. "Man wird vorverurteilt. Ich will unbedingt wieder arbeiten. Daheim fällt mir die Decke auf den Kopf", sagt sie. Sozialarbeiter unterstützen Menschen mit Vermittlungseinschränkungen wie etwa Verschuldung bei der Bewerbung. Roswitha hat früher im Lebensmitteleinzelhandel gearbeitet und will wieder zurück in den Handel: "Ich möchte gerne in den Verkauf."
Laut Elisabeth Mimra fürchten sich die Arbeitgeber bei älteren Arbeitnehmern vor allem vor der höheren Lohnstruktur und dass diese eventuell nicht zu 100 Prozent leistungsfähig sein könnten: "Übersehen wird, dass diese Menschen ein großes Knowhow mitbringen." Das Miteinander müsse besser funktionieren. Ein Beispiel seien Supermärkte in Kanada, wo Jüngere die körperlich anstrengenden Aufgaben erledigen und dafür von der Erfahrung ihrer Kollegen profitieren.
"Mutmachprojekte" für Langzeiterwerbslose
Die Caritas ist im Bereich der Langzeiterwerbslosigkeit bereits seit mehreren Jahrzehnten engagiert. "Es geht um Mutmachprojekte, in denen wir Menschen die Möglichkeit bieten wollen, wieder einer Arbeit nachzugehen", sagt der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner. Außer um die Armutsprävention gehe es auch darum, Menschen auf dem Weg in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu unterstützen. "Im Vorjahr haben wir allein in Wien knapp 1.000 langzeitarbeitslose Menschen in unseren Job-Projekten betreut. Die Vermittlungsquote in den ersten Arbeitsmarkt lag bei bis zu 40 Prozent."
Dabei kooperiert die Caritas mit dem AMS, der Gemeinde Wien, aber auch mit privaten Unternehmen wie etwa in Oberösterreich schon seit Längerem mit der Lebensmittelkette "Spar". In mehreren Bundesländern haben sozialökonomische Supermärkte geöffnet, der jüngste davon kürzlich in Wien Favoriten. "Das Schöne ist, dass man auf den ersten Blick gar nicht bemerkt, dass das kein normaler Supermarkt ist", betont Schwertner. Bei allen Caritas-Betrieben verfolge man dieses Ziel: "Es soll ein ganz normales Restaurant, oder ein ganz normales Lebensmittelgeschäft sein, wo Menschen wieder eine Perspektive bekommen." Beispiel hierfür ist das 1992 eröffnete Restaurant Inigo im ersten Wiener Gemeindebezirk, der älteste sozialökonomische Betrieb der Caritas Wien.
Job dank Arbeitskräfteüberlassung
Auch mehrere österreichische Diözesen versuchen der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken und arbeitslose Menschen konkret zu unterstützen, u.a. durch dafür eingerichtete Arbeitslosenstiftungen und -fonds. "Wir fördern andere Einrichtungen und haben bei drei weiteren die Trägerschaft", erklärt Christian Winkler, der Leiter der Arbeitslosenstiftung der Diözese Linz. Beim gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser "JONA Personalservice" seien 2016 insgesamt 42 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Die Betroffenen werden in verschiedenen Betrieben eingesetzt und von der Stiftung begleitet. Früher habe man stark darauf geachtet, dass die Menschen direkt von den Unternehmen übernommen werden. "Mittlerweile sehen wir es auch als Erfolg, wenn die Menschen mehrere Monate oder Jahre ein Beschäftigungsverhältnis bei uns haben", so Winkler.
Eine weitere wichtige Säule ist die Outplacementstiftung. Winkler: "Wenn es in einem diözesanen Unternehmen Umstrukturierungen gibt und die Dienstgeberseite zustimmt, haben die Arbeitnehmer die Möglichkeit, nach einer Phase der Orientierung eine Aus- oder Weiterbildung zu machen." Für die Betroffenen wird ein individueller Bildungsplan erstellt, vom AMS bekommen sie Schulungsarbeitslosengeld, von der Stiftung einen Ausbildungszuschuss und ein Weiterbildungsbudget. "Das kann bei einem Studium vier Jahre, ansonsten drei Jahre in Anspruch genommen werden", erläutert Winkler. "Dabei gehen wir von den Interessen der Betroffenen aus und schauen, ob diese mit den Richtlinien des AMS vereinbar sind." Als eigene Erfolgsquote gibt die Outplacementstiftung 85 Prozent an.
Neben der Stiftung und einer Jugendlichenbetreuung hat der Fonds der Diözese auch eine Beratungsstelle und eine flexible Hilfe für Einzelfälle. "Da geben wir finanzielle Zuschüsse zu Weiterbildungen, aber auch zu Zahnsanierungen oder Führerscheinprüfungen", sagt Winkler. Man wolle dabei mehr bieten als bloß fachliche Beratung, wolle den Menschen "auf Augenhöhe begegnen und ihnen zuhören".
Fokus auf schwer Vermittelbare
Ähnlich ist die Vorgangsweise beim Fonds für Arbeit und Bildung der Diözese Graz-Seckau. Schwerpunkte der spendenfinanzierten Tätigkeit sind hier eine Beratungsstelle, ein Paten-Projekt für Jugendliche auf Arbeitssuche, finanzielle Zuschüsse und Unterstützungen, die das herkömmliche Hilfsnetz ergänzen: So gibt es etwa besondere Angebote für ältere Arbeitsuchende, Menschen mit geringer Qualifikation oder gesundheitlichen Einschränkungen sowie für Jugendliche.
Quelle: kathpress