12-Stunden-Tag wäre "Rückschritt auf Weg zur Gleichstellung"
Gegen eine generelle Ausweitung der zulässigen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag treten die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) und die kirchlich getragene Österreichische Plattform für Alleinerziehende anlässlich des "Tags der Arbeit" am 1. Mai und des "Tags der Arbeitslosen" am 30. April auf. Eine solche Arbeitszeitflexibilisierung bedeute einen "Rückschritt auf dem Weg zur Gleichstellung von Mann und Frau, weil sie die bestehende Rolle von Frauen als Zuverdienerinnen verfestigt und ihre Chancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt verringert", argumentierte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner in der gemeinsamen Aussendung am Donnerstag.
Vor einem "Desaster" für die überwiegend weiblichen Alleinerziehenden warnte Plattform-Vorsitzende Gabriele Fischer: "Es fehlen die notwendigen Kinderbetreuungseinrichtungen, die zudem für alle leistbar sein müssen, die Attraktivität von Alleinerziehenden am Arbeitsmarkt würde weiter sinken, Erholung würde es noch weniger geben."
Frauenbewegung und Plattform für Alleinerziehende forderten demgegenüber Maßnahmen zugunsten einer "partnerschaftlichen Teilung von Erwerbs- und Sorgearbeit", weiters eine generelle Arbeitszeitverkürzung sowie ausreichend leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen.
"Dass bei einem 12-Stunden-Tag die Erholung, insbesondere von Eltern und noch mehr von Alleinerziehenden, auf der Strecke bleibt, ist vorauszusehen", erklärten Pernsteiner und Fischer. "Blockzeiten" von Arbeit und Freizeit, wie sie von der Wirtschaft als attraktive Angebote dargestellt würden, kämen allenfalls Singles und kinderlosen Paaren entgegen, seien Studien zufolge aber generell nicht zu empfehlen: "Wir wissen, dass ab der neunten Arbeitsstunde die Zahl der Unfälle steigt und auch das Risiko eines Burnouts wächst", heißt es in der Aussendung. Leben und Erwerbsarbeit bräuchten eine gute Balance. Das komme auch dem Wunsch von Eltern entgegen, täglich Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können.
Mütter in Teilzeit, Väter mit Überstunden
Die Regierung hatte den Sozialpartnern bis Ende Juni eine Frist gesetzt, um in der Frage um die Ausdehnung der zulässigen Tagesarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden und der flexibleren Gestaltung von Arbeitszeit zu Lösungen zu kommen. Die Debatte darüber dauert an. Laut Arbeiterkammer Wien sind 75 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren in Teilzeitjobs tätig, während rund die Hälfte der Väter von Kindern bis 12 Jahren regelmäßig Überstunden leiste. "Wenn Frauen nach wie vor hauptsächlich die private Sorgearbeit über haben, wird es für sie bei längeren Tagesarbeitszeiten noch schwerer, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten, so Veronika Pernsteiner. Sie wies in diesem Zusammenhang auch auf den Mangel an Ganztagsschulen und ausreichend lange Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen hin. "Was wir brauchen, ist keine Flexibilisierung für Unternehmer, sondern eine Flexibilisierung im Sinne der Arbeitnehmer", forderte Gabriele Fischer.
Das bestehende Arbeitsrecht gewährt bereits jetzt eine Vielzahl von Möglichkeiten, Arbeitszeit flexibel zu gestalten, verwiesen kfbö und Plattform für Alleinerziehende z.B. auf Gleitzeit, Schicht- und Durchrechnungsmodelle oder die Vier-Tages-Woche. "Inwieweit schöpft die Wirtschaft diese Möglichkeiten aus? Und inwieweit geht es darum, der Entlohnung von Überstunden zu entkommen?", fragten Pernsteiner und Fischer.
Nach Angaben der Arbeiterkammer Wien wird die überwiegende Zahl der derzeit in Österreich geleisteten Überstunden innerhalb des gesetzlichen Rahmens erbracht. Bei einer Erhöhung des Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag drohten Überstundenzuschläge im Ausmaß von 1,5 Milliarden Euro zu entfallen.
Auch jungen Vätern würde eine Flexibilisierung auf den Kopf fallen, hieß es in der Aussendung weiter: Sieben von zehn Vätern unter 30 Jahren interessierten sich für eine Arbeitszeitreduzierung zugunsten der Familie, knapp die Hälfte würde die Arbeitszeit gerne um 20 Prozent verringern. "Eine Arbeitszeitverkürzung bei entsprechendem Lohnausgleich wäre ein Schritt in Richtung einer partnerschaftlichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit und auch für Alleinerziehende ein entlastender Rahmen", betonte Gabriele Fischer.
Quelle: kathpress