Gute Arbeit erfordert Respekt, Anerkennung und Mitwirken
Verliert ein Mensch die Arbeit, so schrumpft damit keinesfalls seine Würde: Das betont der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer in einem Predigtgedanken, der von der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung im Rahmen eines Gestaltungsvorschlages für Gottesdienste zum "Tag der Arbeitslosen" (30. April) veröffentlicht wurde. Die "Arbeitsgesellschaft", als die sich unsere Gesellschaft bezeichne, trete dieses Prinzip mit Füßen: "Arbeitslose Menschen und Menschen ohne Erwerbschance werden buchstäblich wertlos gemacht", kritisiert der Bischof.
Arbeit sei heute für viele Menschen die wichtigste Instanz für die Identitätsbildung und Sinnstiftung geworden, stellt Scheuer fest. "Durch die Erwerbsarbeit und die Höhe des daraus resultierenden Einkommens werden Menschen bewertet." Damit werde Arbeitslosigkeit für Betroffene zu einer noch größeren Belastung - u.a. für Jugendliche, "denen signalisiert wird, dass sie nicht gebraucht werden", mahnt der Bischof. Gleichzeitig gebe es das paradoxe Phänomen, dass eine andere Gruppe von Menschen angesichts der übergroßen Menge an Arbeit beinahe zugrunde gehe.
Der Linzer Bischof hebt die Qualitätskriterien für "gute Arbeit" hervor, die das Sozialwort des ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich benannt hat. "Dazu gehören Fragen der Gesundheit, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zumutbare Arbeitszeiten, realistische Mobilitätserfordernisse. Gute Arbeit gewährt ein angemessenes Einkommen, respektiert menschliche Fähigkeiten und die Menschen würde und bezieht sowohl das Produkt wie die Belange der Umwelt als Kriterien mit ein", so Scheuer. Wenn Arbeit Menschen ausbeute, sei sie hingegen mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar.
Aus christlicher Sicht sei Arbeit "Teilhabe an der Kreativität Gottes", zudem auch Selbstverwirklichung, "Versöhnung mit der Natur" und auch eine "sozio-psychologische Vorbedingung des Friedens", so Scheuer mit einem Verweis auf Zitate von Dorothee Sölle. Arbeit sei auch ein wichtiger Gemeinschaftsstifter, da sich Menschen in der Arbeit auch aufeinander beziehen würden. Arbeitslose würden deshalb meist auch den Draht zu den anderen verlieren und sich vom Leben abgeschnitten fühlen.
Ältere, Frauen und Jugendliche
Auf besonders von Arbeitslosigkeit betroffene Gruppen weisen auch die Betriebsseelsorger Maria Fischer und Fritz Käferböck-Stelzer in weiterführenden Predigtgedanken hin: Menschen über 50 Jahre gehörten etwa dazu. "Keiner will sie mehr, Zuschüsse sind für Firmen notwendig, dass sie Menschen aus dieser Altersgruppe eine Chance geben. Wo bleibt da die Wertschätzung für Erfahrung oder für die langjährig eingebrachte Arbeitskraft? Was, wenn die Leistung altersbedingt weniger wird?" Scheinbar werde hier der Arbeitsplatz wieder zum "Gnadenbrot", bei dem Menschen froh sein müsste, überhaupt noch genommen zu werden.
Bei Frauen sei es oft schwierig, nach einer Babypause wieder an ihren alten Arbeitsplatz zurückzukehren, heißt es weiter; oft fehle es an Entgegenkommen seitens der Arbeitgeber oder der Wirtschaft. "Die Entscheidung für Kinder bedeutet sehr oft ein Verzicht auf zufriedenstellende Arbeitsbedingungen. Meist folgt eine Anstellung unter der eigenen Qualifikation zu schlechten Arbeitsbedingungen und geringerer Bezahlung." Zu den "typischen Frauenschicksalen in Österreich" gehöre daher die Mehrfachbelastung durch Kinder, Sorgearbeit in der Familie und schwierige Jobverhältnisse, sowie bei Alleinerzieherinnen die Sorge um das finanzielle Auskommen.
Besonderes Augenmerk benötigten auch junge Menschen, da sie es schwer hätten, in den Arbeitsmarkt zu kommen, schreiben Fischer und Käferböck-Stelzer. Die Latte bei der Bewerbung um Lehrstellen liege hoch, in großen Firmen gebe es ein gehöriges "Aussieben" von Menschen, etwa mit "Lehrlingscastings", bei denen junge Menschen gegenseitig unter Druck gesetzt und Arbeit als Spiel und Event inszeniert werde. Der Druck sei für Jugendliche enorm. "Wer dann übrigbleibt, muss nehmen, was noch an Lehrplätzen da ist, oder landet in einer Kursmaßnahme."
Teilen von Arbeitszeit
Aus den biblischen Erzählungen, bei denen "alle satt werden", könne man durchaus eine Einladung herauslesen, "über das Gewohnte hinauszudenken", so die Schlussfolgerung des Predigtvorschlages. Durchaus gebe es Möglichkeiten, die Situation sowohl von Arbeitslosen als auch der arbeitenden Menschen insgesamt sichtbar zu verbessern - durch Ansätze, bei denen etwa die Arbeitszeit geteilt oder Einkommen und damit Lebensmöglichkeiten neu verteilt würden.
Erfolgreiche Beispiele dafür seien etwa ein soeben in Heidenreichstein gestartetes Grundeinkommens-Projekt oder auch ein Pilotprojekt in einem Göteborger Altenheim, das kürzlich den 6-Stunden-Tag bei einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einführte. Bei Letzterem seien 14 zusätzliche Posten geschaffen, die Krankenstände halbiert, die Pflegequalität verbessert und die Mehrkosten fast zur Gänze gedeckt worden.
Quelle: kathpress