Papst verpasste Kirche erneuertes Aussehen
Die vier Jahre des Pontifikats von Papst Franziskus haben der katholischen Kirche "ein erneuertes Aussehen verpasst, und das ist hilfreich", wobei das argentinische Pontifikat jedoch nichts an den großen Errungenschaften der 35 Jahre von Johannes Paul II./Benedikt XVI. umgestellt hat: Das betonte der amerikanische katholische Politikwissenschaftler, Publizist und Theologe George Weigel in einem "Kathpress"-Gespräch am Rande einer Tagung am Internationalen Theologischen Institut (ITI) in Trumau (NÖ).
Die Tagung zum Thema "Catholicism in our modern world" wurde von Kardinal Christoph Schönborn eröffnet. Referenten sind u.a. ITI-Rektor Christiaan Alting von Geusau, VP-Gemeinderätin Gudrun Kugler, der Nahostberater des Wiener Erzbischofs Manuel Baghdi und der Genfer Fonds-Konsultor Imre Habsburg-Lothringen.
Was die USA betrifft, so schauten die "am stärksten dynamischen Teile" der katholischen Kirche auf Johannes Paul II. und Benedikt XVI. "als Inspirationsgeber", sagte Weigel. Dabei gebe es bei Franziskus einen Punkt, der allgemein große Positivbeachtung finde. Dies sei sein in Offenheit und floskellos erfolgtes Ansprechen der Verfolgung der Christen im Nahen Osten. "Ich hoffe, er macht weiter so und er spricht diese Fragen an. Denn niemand sollte wünschen, dass es einen unehrlichen interreligiösen Dialog gibt", betonte der Lehrstuhlinhaber am Washingtoner "Ethics and Public Policy Center" (EPPC).
Der einzige interreligiöse Dialog, der zum Wohl der Menschheit stattfinde, sei ein auf Wahrheit begründeter, betonte Weigel: "Es geht hier nicht um gute Gefühle". Ein solcher Wahrheits-gebundener Dialog sei allerdings sehr schwer zu erreichen. "Ich hoffe, dass die Reise des Papstes an die Al-Azhar-Universität das voranbringt. Es ist aber ein sehr schwieriges Geschäft. Man kann nur hoffen, dass nicht innerhalb von 48 Stunden alles völlig verdreht wird." Franziskus habe sich bereits mehrfach über den Schutz der Religionsfreiheit geäußert, erinnerte Weigel: "Jetzt hoffe ich, dass er es wieder tun wird, und dass er es noch stärker tut."
Kritik an päpstlicher Russland-Ökumene
Kritisch äußerte sich der US-Experte über die Russland-Ökumene des Papstes. Die Havanna-Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill von Februar 2016 sei "sehr schlecht vorbereitet" worden. "Ich glaube, der Papst hat selbst zugegeben, dass es Schwachpunkte in dem Text gab. Es ist offen gesagt so, dass das Ökumenebüro im Vatikan ein fundamentales neues Nachdenken über die Zugangsweise zur russischen Orthodoxie braucht."
Der im Ökumenerat für die slawischen orthodoxen Kirchen zuständige Franzose Hyacinthe Destivelle vertrete bedauerlicherweise "defiziente Positionen". Er habe zu viel von seinem Lehrmeister, Bischof Pierre Duprey (er starb 2007), übernommen. "Das sollte überprüft werden. Denn Fakt ist, dass die Führung der russisch-orthodoxen Kirche - Patriarch Kyrill und Metropolit Hilarion - essentielle Instrumente der russischen Staatsmacht sind.
Havanna sei eine "asymmetrische Konversation" gewesen, kritisierte Weigel. Der Papst sei als religiöser Führer gekommen, Kyrill habe zwar diesen Eindruck von sich gegeben, doch sei er im wesentlichen Agent der Staatsmacht gewesen.
"Deprimierend" ist für Weigel auch, dass die Diplomatie des Heiligen Stuhls sich bisher nicht klar zum Konflikt in der Ostukraine geäußert hat. Es fehle ein Statement darüber, was wirklich vor sich gehe. "Das ist kein Bruderkrieg. Da ist ein Land, das unter einer Invasion durch ein anderes Land leidet, welches fortfährt, einen Krieg zu führen - in der Ostukraine. Das wäre die richtige Beschreibung."
Trump sorgt für gemischte Bilanz
Auch die US-Außenpolitik unter Donald Trump bereite ihm Sorge, sagte Weigel. Das betreffe die Position gegenüber der Aggression Russlands, aber auch der Aggression Chinas sowie gegenüber der größer werdenden Zahl autoritärer Regierungen in Lateinamerika.
Positiv seien demgegenüber verschiedene innenpolitische Maßnahmen zugunsten des Lebensschutzes. "Der Druck auf diese Bewegungen nimmt ab", so Weigel. Es handle sich vielfach um Organisationen mit Nähe zur katholischen Kirche bzw. um katholische Orden - etwa der Schwesternorden "Little Sisters of the Poor", der einen gerichtlichen Kampf gegen die Zwangsversicherung mit eingeschlossener Abtreibungsfinanzierung für Pflegepersonal geführt hatte.
Im Blick auf die Zukunft der EU sagte der Politikwissenschaftler und Theologe, dass der Weg entweder zu einer Union von Bundesstaaten führen müsse oder zu einem Rückbau zu einer reinen Wirtschaftsunion. Es gebe hier kein Zwischending. Eine erneuerte EU müsse einerseits nationale Identitäten stärker positiv bewerten und andererseits stärker das US-Modell übernehmen. Dieses sei keineswegs zentralistisch, sondern gebe den Bundesstaaten größtmögliche Freiheit, sagte Weigel.
Quelle: kathpress