Klöster schreiben sich "Kultur der Öffnung" vor
In vielen katholischen Ordensgemeinschaften ist eine "Kultur der Öffnung und des Teilens" im Vormarsch, wenn klösterliche Kunst- und Kulturschätze oder Räume für Bildung und Erholung der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden: Das hat P. Martin Rotheneder, Kultur- und Tourismusverantwortlicher im Stift Melk, am Donnerstag beim Auftakt einer neuen Gesprächsreihe der Orden in Wien dargelegt. Unter dem Titel "5 vor 12" werden dabei für die Orden zentrale Themenfelder - diesmal "Kultur öffnet"- mit Fachexperten aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen durchaus kontrovers diskutiert. Ein Film über die Veranstaltung ist ab Freitag auf der Begleithomepage www.5vor12.at zu sehen.
Bewusst würden sich die Ordensleute mit dieser Öffnung einem Rückzug aus der Gesellschaft - schließlich sinkt ihre Mitgliederzahl stetig - entgegenstellen, sagte P. Rotheneder. Aus diesem Hintergedanken und um "an die heutige Zeit zu erinnern" wolle man im Barockstift Melk künftig noch mehr als bisher auf Gegenwartskunst setzen. "Wir restaurieren in den Orden so viel. Bei zeitgenössischen Akzenten sind wir noch etwas zu unmutig", so der Benediktinermönch selbstkritisch. Besonders wertvoll sei bei Neuaufträgen auch der Beitrag von Künstlern ohne kirchlicher Sozialisierung.
Ausgangspunkt beim "5 vor 12"-Talk, der im Depot der Fritz-Wotruba-Privatstiftung im Museum "21er-Haus" des Belvedere stattfand, war die Suche nach Kreuzungspunkten zwischen Kunst und Religion. Der Autor und Kulturmanager Martin Vogg sah in beiden Bereichen ein "Herausfinden, was hinter den Dingen steckt", mit ähnlichen Themen, Mythen und Geschichten, mit "Forderung und Überforderung". Dass auch Rezipienten zeitgenössischer Kunst "nach etwas, das übergeordnet und unerreichbar ist" suchten, sagte die Kuratorin der Wotruba-Privatstiftung, Gabriele Stöger-Spevak, die zugleich Gastgeberin der Gesprächsrunde war. Künstler und Ordensleute hätten "das Ringen, die Niederlagen und die Suche nach Gott" gemeinsam.
Unerwartete Zugänge
"Von unerwarteter Seite kommen heute neue Blicke auf sakrale Kunst", deutete Helga Penz vom Kulturgüter-Referat der Orden die aktuelle Kruzifix-Debatte. Wenn konfessionslose Eltern die Darstellung eines leidenden Körpers am Kreuz im Kindergarten als "verstörend" sähen, so entspreche diese Rezeption durchaus dem Ursprungsgedanken: Das Symbol des Christentums habe anfangs vor allem für Empörung und Spott gesorgt. "Wir Katholiken sind an das Kreuz gewohnt und müssen lange Exerzitien machen, um das Leiden Christi wieder nachzuvollziehen. Andere haben einen viel direkteren Zugang", so Penz.
Christliche Leidensdarstellung sollte nicht in Trostlosigkeit enden und Menschen "erschlagen", so P. Rotheneders Überzeugung. "Nahrung für die Seele" sei eine Kreuzesdarstellung vor allem dann, wenn sie nicht beim Schmerz stehen bleibe, sondern bereits den weiteren Verlauf der Geschichte Jesu - die Auferstehung - andeute. Ähnlich sei auch das Wesen der Eucharistiefeier, die eine "unblutige Erneuerung des Opfers Jesu" sei, zu verstehen.
Wichtige Identitätsstifter
Dass Kirchenkunst die Identität eines Landes prägen kann, sah Stöger-Spevak durch die Initiative "Klösterreich" bestätigt: Es gelinge der Tourismusvereinigung katholischer Ordensniederlassungen mit Erfolg, die großen Barockstifte als "österreichische Identität" aufzuzeigen. "Vermittelt wird hier, dass die Explosion der Barockkunst nach den Türkenkriegen das schlechthin Österreichische ist - mit einer vergleichbaren Funktion wie die gotischen Kathedralen in Frankreich", so die Kunstexpertin.
Auch für die Kultur habe die Religion mit ihrer Architektur, Kunst und sozialen Einrichtungen eine immens wichtige Rolle, hob Kulturmanager Vogg hervor: Früher seien Dörfer stets um Kirchen entstanden, wo sich auch alles Sozial- und Vereinsleben abgespielt habe. Wo die Raumplanung bei jüngeren Siedlungen auf vergleichbare kulturelle Infrastruktur wie etwa auch Theater, Kino, Museen oder auch Kirchen vergessen habe - in Teilen des niederösterreichischen Industrieviertels oder in den Wiener Flächenbezirken sei dies der Fall - seien die Bürger eher unzufrieden, berichtete er.
Quelle: kathpress