Zehntausende beten am Kolosseum den Kreuzweg mit dem Papst
In Rom haben sich am Freitagabend Zehntausende Katholiken aus aller Welt am Kolosseum versammelt, um mit Papst Franziskus zu beten. Vor der Kulisse des erleuchteten Amphitheaters begann die traditionelle Kreuzwegandacht, die an das Leiden und Sterben von Jesus Christus vor 2.000 Jahren erinnert. Die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch. Bereits am Vormittag hatte die italienische Polizei das Gelände weiträumig abgesperrt. Besucher mussten Sicherheitsschleusen passieren.
Die Texte zu den 14 Stationen, die den Weg Jesu zum Kreuz nachzeichnen, erinnerten in diesem Jahr unter anderem an das Schicksal von Flüchtlingen und die Opfer von Krieg und Gewalt. Das Kolosseum ist Gedenkstätte für die Märtyrer des frühen Christentums, die wegen ihres Glaubens getötet wurden.
Verfasserin der Meditationen war in diesem Jahr erstmals eine Frau, die weder einem Orden noch einer geistlichen Gemeinschaft angehört: die französische Theologin Anne-Marie Pelletier, die in Paris Bibelwissenschaft lehrt. 2014 wurde sie als erste Frau mit dem Preis der Vatikan-Stiftung "Joseph Ratzinger - Benedikt XVI." ausgezeichnet. Ihre Meditationen standen unter dem Titel "Die Liebe Gottes erreicht im Kreuz ihr volles Maß".
Pelletier zitierte unter anderem aus dem Tagebuch der in Auschwitz ermordeten jüdischen niederländischen Lehrerin Etty Hillesum (1914-1943), aus den Berichten des Trappistenmönchs Jean-Pierre, des einzigen Überlebenden des Massakers an den Mönchen des algerischen Klosters Tibherine, sowie aus Texten des deutschen evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), der von den Nazis ermordet wurde.
Während der Feier trugen Gläubige aus Ägypten, Portugal und Kolumbien ein schlichtes Holzkreuz aus dem Innern des Kolosseum hinauf auf den Palatin-Hügel. Der Papst sprach zum Abschluss ein längeres Gebet, das um die beiden Begriffe "Schande" und "Hoffnung" kreiste: "Christus, einziger Erlöser, wir wenden uns in diesem Jahr dir zu mit niedergeschlagenen Augen, voller Scham aber mit dem Herzen voll Hoffnung", so der Papst und weiter wörtlich: "Schande der vielen Bilder der Zerstörung wegen, die in unserem Leben so normal geworden sind. Schande wegen all des unschuldigen Blutes, das tagtäglich vergossen wird, das Blut von Frauen, Kindern, Migranten und von Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe, wegen ihrer ethnischen oder sozialen Zugehörigkeit oder wegen ihres Glaubens an dich verfolgt werden."
Der Papst zählte viele weitere Weisen auf, in denen "wir wie Judas und Petrus dich verraten und verkauft haben." Er benannte das Schweigen vor der Ungerechtigkeit, der Gleichgültigkeit, des fehlenden Einsatzes für andere, der Angst. Aber ausdrücklich beklagte der Papst auch die Schande, wenn Bischöfe, Priester und Ordensleute den Leib Christi verletzt haben, der die Kirche ist.
Die Herzen seien neben all der Schande aber auch voller vertrauensvoller Hoffnung, griff der Papst in seinem Gebet den zweiten Begriff auf: Hoffnung, "dass du uns nicht behandelst, wie wir es verdienen, sondern nach der Fülle deiner Barmherzigkeit." Gottes mütterliches und väterliches Herz vergesse den Menschen nie, so der Papst. Auch an Hoffnungen zählte er viele in seinem Beten auf.
Zum Abschluss hielt der Papst eine Fürbitte, u.a. für die Opfer von Gewalt, Gleichgültigkeit und Krieg.
Gottesdienst im Petersdom
Vor dem Kreuzweg hat Papst Franziskus das Gedenken an Leiden und Sterben Jesu Christi mit einem Gottesdienst im Petersdom eröffnet. Zu Beginn der Liturgie verharrte der Papst wie üblich minutenlang ausgestreckt auf dem Fußboden vor dem Hauptaltar und betete still. Auch zahlreiche Kardinäle und Bischöfe waren zu dem Gottesdienst gekommen. Im Mittelpunkt stand die Leidensgeschichte Jesu nach dem Johannes-Evangelium, die im Sprechgesang vorgetragen wurde.
In seiner Predigt erinnerte der päpstliche Haustheologe, Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa, an die Opfer des jüngsten Chemiewaffeneinsatzes in Syrien und der beiden Anschläge auf koptische Kirchen in Ägypten. Angesichts solcher Ereignisse, die heute die täglichen Nachrichten bestimmten, stelle sich die Frage, warum Christen überhaupt noch an den 2.000 Jahre zurückliegenden Kreuzestod Jesu erinnerten, so Cantalamessa. Der Grund dafür sei, dass Jesu Sterben dem Tod aller Menschen einen neuen Sinn gegeben habe.
Quelle: kathpress