"Herausragende Lichtgestalt": Kapellari würdigt Benedikt XVI.
Im Panorama einer hochgradig unübersichtlichen religionspolitischen Landschaft ist Benedikt XVI. bis heute eine "herausragende Lichtgestalt". Das hat der emeritierte Grazer Diözesanbischof Egon Kapellari in einer Würdigung Benedikts aus Anlass von dessen 90. Geburtstag am 16. April in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" betont. Benedikt verkörpere bis heute für viele Menschen "den Typos eines biblischen Weisheitslehrers, während Papst Franziskus für viele Züge eines biblischen Propheten an sich hat". Beide Ausprägungen des Christseins würden jedoch "im selben Quellgrund des Glaubens" wurzeln und verweisen aufeinander, so Kapellari.
Joseph Ratzinger sei durch seine vielfältige kirchliche wie theologische Tätigkeit zu einem der "weltweit wichtigsten katholischen Theologen dieser Jahrzehnte geworden", dessen Werk "wie ein Sauerteig weiter bis in die Gegenwart" wirke, führte der frühere Grazer Bischof aus. So sei das Ratzinger'sche Werk "ein bleibender dynamischer Schatz auch für die Zukunft". Das Gesamtwerk Ratzingers - sein Schreiben wie sein Wirken als Papst - könne man mit den Worten Hans Urs von Balthasars als "symphonisch" charaktierisieren, so Kapellari weiter. Symphonisch in dem Sinne, dass es nicht nur "Stimmen von Freude" umfasse, "sondern auch die Stimmen von Tragik und Schuld. Dies gilt für die Musik von Mozart ebenso wie für das theologische und pastorale Werk des Papstes emeritus."
In seinem langjährigen Wirken sei Ratzinger - etwa bereits als Präfekt der Glaubenskongregation - "am Kreuzungspunkt vieler und besonders auch antagonistischer Wege Spannungen, ja Zerreißproben ausgesetzt" gewesen, die nicht selten zu einem "Kreuzigungspunkt" geworden seien, erinnerte Kapellari. "Der Wille zur Synthese war aber immer ebenso da wie der Mut, Grenzen zu ziehen".
Liturgische Überhangprobleme
Die "Furche" widmet dem 90. Geburtstag Benedikts XVI. in ihrer aktuellen Ausgabe einen eigenen Themenschwerpunkt. Neben Kapellari kommen darin der emeritierte Regensburger Dogmatiker Wolfgang Beinert, der Grazer Liturgiewissenschaftler Basilius J. Groen und der Chefredakteur der Jesuiten-Zeitschrift "Stimmen der Zeit", Andreas R. Batlogg, zu Wort.
Beinert zeichnet darin die Genese einer herausragenden intellektuellen Biografie und eines Mannes nach, der "wie wenig andere das christliche Denken seiner Epoche geprägt hat" - von der Dissertation Ratzingers über die Zeit des Aufbruchs rund um das Konzil bis hin zu den Studentenunruhen der 1960er Jahre und darüber hinaus. Dass Ratzinger heute weithin als konservativer Denker eingestuft wird, habe auch damit zu tun, dass er sich früh auf die Kirchenväter - vor allem Augustinus - und die hellenistische Philosophie im Christentum konzentriert habe und so moderne philosophische Entwürfe eher unbeachtet blieben, so Beinert.
Auf Überhangprobleme der Wiederzulassung der Alten Messe als außerordentlicher Form der Liturgie durch Benedikt XVI. im Jahr 2007 verweist in seinem Beitrag der Liturgiewissenschaftler Basilius J. Groen. Die Wiederzulassung gehe auf eine viel zu negative Beurteilung der heute üblichen, nachkonziliaren Liturgie zurück. Außerdem seien gerade auch die alten Messbücher nicht unproblematisch, wie Groen etwa mit dem Hinweis auf "antijüdische Elemente" (Stichwort Karfreitagsfürbitte für die "perfiden Juden") verdeutlicht.
Das "Hauptproblem des Nebeneinanders von prä- und postkonziliarem Gottesdienst" sei jedoch die dahinter stehende "gegensätzliche Ekklesiologie" - als das unterschiedliche Verständnis dessen, was Kirche ist. So würden viele Befürworter der Alten Messe bis heute zentrale Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen - etwa die Piusbrüder - oder als "bloß 'pastorale' und dogmatisch nicht zwingende Texte" verstehen. Das sei jedoch eine Fehlauffassung, denn diese Texte würden "die Substanz des kirchlichen Selbstverständnisses" treffen.
Andreas Batlogg schließlich zeigt auf der Folie von Hubert Wolfs aktuellem Bestseller "Konklave" die Probleme im Blick auf den Rücktritt Benedikts XVI. im Jahr 2013 auf - ein Rücktritt, der dazu geführt habe, dass heute im Blick auf das Erscheinungsbild, die auch von Benedikt XVI. weiterhin getragene weiße Soutane, zwei Päpste im Vatikan residieren. Eine nach außen hin vielleicht belanglos wirkende Tatsache, die jedoch dringend nach kirchenrechtlichen und dogmatischen Klärungen verlange, so Batlogg.
Quelle: Kathpress