Kirchen sollen ihr Profil in der Öffentlichkeit schärfen
Die christlichen Kirchen sind aufgerufen, ihr Profil in der öffentlichen Diskussion wieder zu schärfen. Zu diesem Schluss kommt der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) im Interview mit der "Furche" am Donnerstag. In Europa habe das Materielle überhand gewonnen und christliche Werte seien in Vergessenheit geraten. Die durch Flüchtlingsbewegungen entstandene Angst vor einer Islamisierung könne nur im Dialog begegnet werden, der von Toleranz geprägt sein müsse. Es gelte den "Andersgläubigen mit Respekt gegenüberzutreten, die eigene Position zu definieren und klar zu machen, wo alles seine Grenze hat". Diese lägen dort "wo andere Religionen glauben, christliche Grundwerte in den Hintergrund drängen zu können", so Pröll an die Adresse der Kirchen.
Rückblickend auf seine über 24-jährige Amtszeit konstatierte der Landeshauptmann eine "gewisse Entfremdung zwischen Partei und Kirche", die auf beiden Seiten mehrere Gründe habe. So habe man sich in der ÖVP "hin und wieder über das Verhalten der christlichen Kirchen gewundert", weil sie manchmal in grundsätzliche Fragen in der Öffentlichkeit nicht präsent waren. "In der Debatte um das Kreuz in den Schulen hätte ich mir klarere Äußerungen gewünscht", so Pröll. Auch eine Glaubensgemeinschaft müsse ihre "Grundsatzpositionen klar und pointiert in der Öffentlichkeit darstellen. Ohne sich gleichzeitig in die Tagesaktualität der Politik einzumischen."
Im Gespräch mit dem Publizisten Herbert Vytisak ging Pröll deutlich auf seine persönliche Religiosität ein und bekannte: "Ja ich bin eine gläubiger Mensch." Prägend sei dabei ein schwerer Unfall des damals Sechsjährigen gewesen. "Der liebe Gott schickte mich ins Leben zurück. Ich habe ein sogenanntes Nah-Tod-Erlebnis gehabt, und diese Erinnerung hat sich durch mein ganzes Leben hindurchgezogen", so Pröll.
Pröll, am 24. Dezember 1946 geboren, steht seit 22. Oktober 1992 an der Spitze von Österreichs größten Bundeslandes. Am 17. Jänner hatte Pröll seinen Rücktritt angekündigt. Beim Landesparteitag in St. Pölten am Samstag soll die frühere Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zur neuen ÖVP-Landesparteichefin gewählt werden. Ihre Wahl und Angelobung zur ersten Landeshauptfrau Niederösterreichs soll am 19. April im Landtag erfolgen.
Quelle: kathpress