"Mitteleuropas Märtyrer haben mich tief beeindruckt"
Kardinal Christoph Schönborn hat in einem Beitrag für den "Osservatore Romano" (7. März), der gleichzeitig das Vorwort für eine neue Dokumentation ist, persönliche Eindrücke von Glaubenszeugen aus der Zeit des Kommunismus, die er kennengelernt hatte, sowie deren Vermächtnis für das heutige Europa zusammengefasst. Aus Sicht des Wiener Erzbischofs ist heute - 100 Jahre nach der Russischen Revolution und damit dem Beginn der kommunistischen Machtergreifungen und 28 Jahre nach dem Zusammenbruch der KP-Regime mitsamt vielen Veränderungen seither - eine Verkündigung des christlichen Glaubens nötig. Für alle Bewohner des Kontinents gelte: "Quo vadis, Europa?"
Im Vorwort zur Dokumentation "La Chiesa cattolica e il Communismo in Europa centro-orientale" (Die katholische Kirche und der Kommunismus in Mittelosteuropa), die persönliche und gemeinschaftliche Erfahrungen von Katholiken in Europa zur Zeit des Kommunismus sammelt, würdigt der Kardinal die vielen verfolgten mittel- und osteuropäischen Christen, die unerschrocken an ihrem Wirkungsort blieben. "Diese Märtyrer gehörten nicht nur der katholischen Kirche an; auch zahlreiche evangelische und orthodoxe Christen mussten für ihre christliche Überzeugungen mit dem Leben bezahlen", so Schönborn. Das Buch stelle "Glaubenshelden" in Verbindung mit der Geschichte ihres Landes kompetent dar. "Es sind oft bewegende Schilderungen, die den starken Glauben und die Liebe zu ihren Heimatländern beeindruckend präsentieren", so der Wiener Erzbischof: "Viele dieser Glaubensgestalten habe ich schon bei meinen Auslandsbesuchen und internationalen Begegnungen kennengelernt."
Schönborn geht zudem auf die historische Rolle der Stadt Wien als "eine wichtige Etappe für die europäischen Christen in West und Ost" ein. Viele hätten etwa nach der Flucht oder Ausreise aus den damals kommunistisch regierten Ländern dort Hilfe gefunden. Besonders würdigt Schönborn in diesem Zusammenhang auch seinen Vorvorgänger Kardinal Franz König.
Die Stadt Wien sei nach dem Zweiten Weltkrieg "eine wichtige Etappe für die europäischen Christen in West und Ost" gewesen, so Schönborn: "Viele Menschen fanden nach der Flucht oder beschwerlichen Ausreise aus den damals kommunistisch regierten Ländern hier Hilfe, und konnten sich für die verfolgten Christen in ihren Heimatländern einzusetzen."
Aus der österreichischen Hauptstadt seien "jahrzehntelang liturgische Geräte, zahlreiche Bibelausgaben und liturgische Bücher, die in Wien in den jeweiligen Nationalsprachen gedruckt wurden, von mutigen Katholiken illegal über die Grenze gebracht" worden. Viele Pfarren der Erzdiözese Wien hätten durch ihre Initiativen aktiv die Katholiken in den benachbarten kommunistischen Ländern unterstützt, erinnert der Kardinal.
Der damalige Krakauer Erzbischof und spätere Papst Johannes Paul II. sei mit dem Wiener Erzbischof eng verbunden gewesen; "bei seinen Reisen von Krakau nach Rom machte Karol Wojtya immer auch Station in Wien", so Schönborn. Er verweist auch auf die zentrale Bedeutung Polens, der polnischen Kirche und des polnischen Papstes für die Wende 1989, mit den Arbeiterproteste in Polen 1970, 1976 und 1980 sowie der Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc als Meilensteinen.
Nicht nur Priester, auch unzählige mutige Laien hätten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu den Gegnern der kommunistischen Machthaber gehört. "Über die genaue Anzahl der Blutzeugen in den kommunistischen Ländern können von den Historikern keine qualifizierten Angaben gemacht werden und können nur schätzungsweise angegeben werden. Anlässlich des großen Jubeljahres 2000 hat die katholische Kirche weltweit auf Einladung von Papst Johannes Paul II. versucht, mehr Aufmerksamkeit den vielen Glaubenshelden des 20. Jahrhunderts zu widmen und sie vor dem Vergessen zu bewahren", schreibt der Wiener Erzbischof: "Der polnische Papst wollte die große Schar der Märtyrer des 20. Jahrhunderts, die durch ihre Treue zum Glauben abgelegt hatten, in Erinnerung rufen."
Der Mitteleuropäische Katholikentag 2003/2004 in Mariazell, wo Tausende Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Österreich, Slowakei, Slowenien, Polen, Tschechien und Ungarn zusammengekommen waren, habe für die Katholiken Europas ein wichtiges Ereignis und Hoffnungszeichen für die Zukunft des Kontinents dargestellt. "Es war der Beginn und das Bemühen um die gemeinsamen christlichen Wurzeln und der Zukunft Europas", so Schönborn.
Herausgeber der Dokumentation "La Chiesa cattolica e il Communismo in Europa centro-orientale" ist der lange Jahre in Wien wirkende und nun an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom lehrende Priester Jan Mikrut.
Quelle: kathpress