Menschen in der Ostukraine brauchen weiter Hilfe
Die Zivilbevölkerung in der kriegsgeplagten Ostukraine ist weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen, braucht aber auch neue Lebensperspektiven. Das haben der ukrainische Caritas-Präsident Andrij Waskowycz und der Wiener Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner bei einem aktuellen Lokalaugenschein in der Konfliktregion betont.
Im Gebiet an der sogenannten "Kontaktlinie", die die Separatistengebiete und die unter Regierungskontrolle stehenden Gebieten trennt, brauchen demnach vor allem Kinder, ältere Menschen und Kranke Unterstützung von Hilfsorganisationen. Mehr als 90 Prozent der Kinder in der "Pufferzone" seien traumatisiert, so Schwertner. Die österreichische Caritas führt vor Ort Nothilfeprogramme durch, bei denen Lebensmittel und Heizmaterial verteilt werden. Im Fokus stehen aber auch die psycho-soziale Betreuung von Kindern in Krisen- und Tageszentren und Waisenhäusern oder Pflegeprogramme für ältere Menschen.
Bei dem seit 2014 andauernden bewaffneten Konflikt sind bereits an die 10.000 Menschen getötet worden. Laut Caritas befinden sich 1,7 Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht, weitere 1,1 Millionen ukrainische Flüchtlinge befinden sich in Nachbarländern. Besonders in der 30 Kilometer breiten "Pufferzone" zwischen den Konfliktparteien leben die Menschen unter prekären Bedingungen. Vielerorts wird hier auch nach wie vor gekämpft. Schwertner: "Es ist ein vergessener Krieg, den niemand will. Dieser Krieg fordert bis heute Tote. Vor allem aber erfordert er unsere Hilfe. Wir dürfen unsere Nachbarn nicht im Stich lassen!"
Viele Häuser sind schwer beschädigt und im Winter kaum zu heizen, da Fernwärme- und Wasserleitungen zerstört sind. Es fehlt an sauberem Wasser, Decken, Kleidung, Hygieneartikeln, Öfen und Heizmaterial. Oft bleiben alte, gebrechliche Menschen in diesen gemiedenen Gebieten alleine zurück. "Gerade in diesen Dörfern zu arbeiten, ist uns ganz wichtig", betonte der ukrainische Caritas-Präsident Waskowycz bei einer Pressereise mit österreichischen Journalisten anlässlich der aktuellen Caritas-Kinderkampagne in dieser Woche. "Wir können dort den Leuten Hoffnung geben", ist er überzeugt.
Hilfe, die ankommt
"Die österreichische Caritas hat seit Ausbruch des Konflikts gemeinsam mit ihrer ukrainischen Partnerorganisation und anderen lokalen Helfern mehr als 80.000 vom Konflikt betroffene Menschen unterstützt", betonte auch Schwertner. Dass die Hilfe ankommt, berichtet zum Beispiel Ljuba aus Torietsk. Sie und ihr Mann hätten monatelang im Keller geschlafen, nachdem eine Bombe das Haus getroffen habe. Die Caritas hat das Hausdach repariert und Brennholz für den Winter übergeben, schildert sie. Bei der seit eineinhalb Jahren laufenden Winterhilfe der Caritas werden Haushalte mit Heizmaterial und Öfen versorgt; hunderte Häuser erhielten neue Fenster.
In zwölf Dörfern und Kleinstädten in Lugansk und Donezk Oblast gewährleistet die Caritas mit lokalen Partnern darüber hinaus die Gesundheitsversorgung für 1.200 chronisch kranke Patienten. Es werden Medikamente, Hygienebedarf und Rehabilitationsbehelfe verteilt. Auch Patienten aus nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden über einen Gesundheitsstützpunkt erreicht. Ärzte, Krankenschwestern und Sozialarbeiter besuchen zudem alte und kranke Menschen direkt zu Hause.
Einen doppelten Sinn hat die Caritas-Initiative "Cash for work": "Damit die Leute nicht wegziehen müssen, weil sie nicht genug haben, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, aber gleichzeitig den Nachbarn helfen können", werden lokale Arbeitskräfte zu "Community Care Givers" ausgebildet, so Caritas-Präsident Waskowycz. In Grundpflege eingeschult betreuen die jungen Leute mittlerweile 600 bettlägrige Patienten.
Psychosoziale Betreuung für 700 Kinder
Unter den Folgen des Konflikts leiden Kinder besonders. Viele werden Zeugen von Gräueltaten und leben bei eisigen Temperaturen in Flüchtlingslagern und Notunterkünften, ihr Aufwachsen und Entwicklung sind massiv beeinträchtigt. Die österreichische Caritas unterstützt daher in der Ukraine mehrere Krisen- und Tageszentren für Kinder und Familienhäuser für Sozialwaisen. An elf Standorten in der Ostukraine betreibt die Caritas außerdem sogenannte "Child Friendly Spaces": In Anlaufstellen in bestehenden Caritas-Sozialzentren erhalten jeweils mehr als 700 Flüchtlingskinder psychosoziale Betreuung.
Auch in sechs Schulen direkt entlang der "Kontaktlinie" werden knapp 200 Kinder mit psychosomatischen Symptomen und Traumata psychologisch und sozialpädagogisch betreut: Durch Therapie, Spiele und Gesundheitscamps im Sommer sollen sich die Kinder in einem stabilen Umfeld erholen. Nur zwei Kilometer entfernt von der Frontlinie liegt etwa die "Luhanske Comprehensive School". Anfang 2015 wurde die Schule durch Granatenbeschuss schwer beschädigt. Auch mit Hilfe der Caritas Österreich, die für den Einbau neuer Fenster sorgte, kann in der Schule mittlerweile wieder unterrichtet werden. Die Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse aber bleiben: "Wenn wir uns daran erinnern, dann weinen wir", sagt Direktorin Vasylna Galina. Sie hat wenig Hoffnung auf einen raschen Frieden im Osten der Ukraine: "Ich habe das Gefühl, das hier die Zeit eingefroren ist."
50.000 Kinder aus Not befreien
Im Rahmen ihrer aktuellen Kinderkampagne will die Caritas bis 2018 rund 50.000 Kinder in Ländern wie der Ukraine nachhaltig aus der Not befreien. "Die Versorgung eines Kindes mit Mittagessen kostet pro Monat 30 Euro", beschreibt Caritas-Generalsekretär Schwertner. Die Nothilfe der Caritas in der Ukraine kann auch mit 15 Euro für eine warme Decke oder 50 Euro für einen wärmenden Ofen unterstützt werden. (Spenden: Kennwort "Kinder in Not", IBAN AT47 2011 1890 8900 000; Online: www.caritas.at/kinderkampagne)
Quelle: kathpress