Scorsese-Film über Jesuitenmission in Japan und Gottes "Silence"
Mit "Silence" läuft am Donnerstag, 2. März, ein Spielfilm in Österreichs Kinos an, der wegen seines Themas, des Regisseurs und seiner Uraufführung im Vatikan zu den bemerkenswertesten für ein religiös interessiertes Publikum in diesem Jahr werden wird: Die Verfilmung des vielgelobten Romans "Chinmoku" ("Schweigen", 1966) des christlichen japanischen Schriftstellers Shusaku Endo durch Hollywood-Altmeister Martin Scorsese handelt von dramatischen Ereignissen rund um die Jesuitenmission im kulturell abgeschotteten Japan des 17. Jahrhunderts. Ein Herzensprojekt des katholischen US-Regisseurs, das ihn seit fast drei Jahrzehnten innerlich umtrieb, wie Scorsese in Interviews darlegt; den 161 Minuten langen Ertrag seiner geistlichen Pilgerreise präsentierte er erstmals am 29. November im Vatikan.
Nach dieser Uraufführung wurde Scorsese von Papst Franziskus in Audienz empfangen, dabei erzählte ihm der Jesuit auf dem Stuhl Petri, auch er habe Endos "Schweigen" als junger Priester verschlungen.
Beeindruckt von dem Film zeigten sich nach einer Presse-Preview in Wien auch P. Franz Helm, Steyler Missionar und Generalsekretär der Superiorenkonferenz der österreichischen Männerorden, sowie P. Sebastian Ortner von der Wiener Jesuitenmission.
Jesuit im Gewissenskonflikt
Die Handlung von Buch und Film kreist um den jungen Jesuiten Sebastiao Rodrigues (Andrew Garfield). Gemeinsam mit seinem Ordensbruder Francisco Garupe (Adam Driver) macht er sich 1638 von Portugal auf den Weg, um ein Gerücht zu widerlegen: Sein ehemaliger Mentor P. Cristovao Ferreira (Liam Neeson) sei vom Glauben abgefallen und führe nun ein Leben als buddhistischer Gelehrter und Familienvater. In Japan bestätigen sich die Berichte über die systematische Christenverfolgung, die dort Platz gegriffen hat: Rodrigues und Garupe gelangen mithilfe des geheimen Christen Kichijiro von Macao aus nach Japan. In einem Dorf voller verängstigter Glaubensgenossen nehmen sie priesterliche Tätigkeiten auf. Doch die Häscher des Regimes enttarnen erst die Dorfbewohner und foltern drei von ihnen zu Tode, dann werden sie der beiden Jesuiten habhaft.
Der Inquisitor Inoue, der seine Tätigkeit ohne Hass, dafür mit pragmatischer Grausamkeit ausübt, will P. Rodrigues nicht töten, sondern - wegen der größeren Wirkung - zur Apostasie bewegen. Der Gefangene brauche dafür nur auf ein Bildnis Christi zu treten - ein Formalakt, wie Inoue sagt. Er setzt auch den tatsächlich vom Glauben abgefallenen Ferreira - eine historische Figur - ein. Dieser, vom Regime mit einer Streitschrift beauftragt, die das Christentum widerlegen soll, berichtet Rodrigues von seiner Grubenfolter: Er wurde kopfüber und verschnürt in eine Erdgrube gehängt, ein Schnitt am Kopf lässt das Opfer dabei quälend langsam ausbluten.
Und erneut werden Christen auf diese Art gemartert - zumindest so lange, bis Rodrigues das Antlitz des Gottessohnes mit Füßen tritt. Ferreira wirft dem verzweifelten Jesuiten Hybris vor: Er sehe sich selbst lieber als von Gott verlassener Schmerzensmann am Ölberg, statt das Leiden der vor seinen Augen Gefolterten zu beenden. Eine Jesusvision beendet schließlich den Gewissenskonflikt des Jesuiten...
Nicht nur religiöse Inkulturation thematisiert Scorsese in seiner Romanverfilmung. Es geht auch um die Frage, ob das äußerliche Bekenntnis zu einer Institution und ihrem ausdifferenzierten Glaubensgebäude nicht zweitrangig ist gegenüber einem gottgefälligen Leben, um das Theodizeeproblem, warum Gott unverschuldetes Leid seiner Gläubigen zulässt und dazu schweigt; um den Vorrang von Menschlichkeit und Mitleid gegenüber der "Todsünde" Glaubensabfall; schließlich um die verborgenen Spuren Gottes im Leben schwacher, fehlbarer Menschen.
Jenseits heutiger Missionstheologie
P. Helm bewertete das harte Vorgehen der japanischen Herrscher gegen die Christen - bei aller Problematik der Methoden - als nachvollziehbare "Selbstverteidigung eines Landes gegen den Imperialismus", der gleichzeitig etwa in Lateinamerika für ein dunkles Kapitel der Kirchengeschichte sorgte. Weltliche Macht und katholische Mission hätten oft Hand in Hand gearbeitet, die japanische Führung traf hier keine Unterscheidung, die inzwischen sehr wohl Thema der Missionstheologie sei, wie Helm hinwies. Die Argumentation P. Ferreiras im Film könne er nachvollziehen: Dem Kern der christlichen Botschaft entspreche Barmherzigkeit gegenüber leidenden, vom Tod bedrohten Mitmenschen eindeutig mehr als Festhalten an einer Konfession. Letzteres habe freilich mit der damaligen Überzeugung zu tun, wonach Glaubensabfall in die Hölle statt ins Paradies führt.
In der Sichtweise der japanischen Herrscher und der christlichen Missionare sah P. Ortner Parallelen: Beide würden "exklusivistisch" die eigene Position als die einzig legitime Wahrheit betrachten. In der Person der Patres, die "Japaner" wurden, gebe es zwar eine Verschmelzung, aber jenseits heutiger Vorstellungen, wie interreligiöser Dialog laufen könnte - mit respektvollem Umgang und Zusammenleben trotz bestehender religiöser Unterschiede.
Wenn die Alternative der "Besitz" der allein seligmachenden Wahrheit oder aber angepasste Selbstaufgabe sei, beschleiche ihn Unbehagen, fügte Ordensvertreter P. Helm hinzu: Welchen - inzwischen überholten - Eindruck müssten unbedarfte Kinobesucher dann von christlicher Mission bekommen?
"Gottes auch im Schweigen präsent"
Christen bekennen einen mitleidenden und mitfühlenden Gott, schrieb der Chef der Jesuitenzeitschrift "Stimmen der Zeit", P. Andreas Batlogg, in der aktuellen Ausgabe der "Missio"-Zeitschrift "alle welt". Und dass so viele daran glauben konnten, obwohl sie ihr Leben in 2.000 Jahren Christentumsgeschichte verloren, zeit laut Batlogg, "dass es eine geheimnisvolle Anwesenheit Gottes auch im Schweigen gibt". Darauf laufe letztlich Scorseses "Silence" hinaus".
"Silence" (USA/Taiwan/Mexiko 2016), Regie und Drehbuch: Martin Scorsese startet am 2. März in den österreichischen Kinos (Trailer: https://www.constantinfilm.at).
Quelle: kathpress