Annäherung an die "Mitte des Lebens"
Das Fasten vor Ostern wird in den Klöstern Österreichs sehr ganzheitlich begangen - auch mit einem Zurückschalten beim Essen und Trinken, was dabei jedoch "nicht das allerwichtigste" ist: Das hat der Abt des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz, Maximilian Heim, am Donnerstag im Interview mit "Kathpress" dargelegt. "Diskrete kleine und konkrete, aber konsequente Schritte" sollen in den heiligen 40 Tagen helfen, den Egoismus abzulegen, selbst freier zu werden und sich so für Gott und den Nächsten zu öffnen. Ziel sei eine "kopernikanische Wende", erklärte Heim: "Dass nicht ich selbst das Zentrum bin, um das sich mein Leben dreht, sondern Gott, der wie die Sonne Heil und Licht schenkt."
Fasten soll immer "mit Herz und Verstand" geschehen, hat einst Mönchsvater Benedikt von Nursia (480-547) empfohlen. Bis heute sind seine Regeln für die Mönche Richtschnur, doch können sie ebenso für jeden Christen hilfreich sein, betonte Heim. Ostern ist für den heiligen Benedikt die "Mitte des Lebens", die Fastenzeit die Vorbereitung dazu. Nur die wenigsten hätten die Kraft, das ganze Jahr so wie in der Fastenzeit zu leben, wenngleich dies wünschenswert wäre, heißt es in der "Regula benedicti". Darum lautet der Rat, "dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten und gemeinsam in diesen heiligen Tagen die früheren Nachlässigkeiten tilgen."
Dennoch sollen die Mönche besonders vor Ostern noch mehr als sonst an sich und an der Beziehung zu Gott arbeiten: Sich vor Fehlern hüten, mit dem Herzen beten, die Bibel lesen, auf Gott hinhören und "Reue des Herzens" pflegen, so der Mönchsvater. Er empfiehlt auch, etwas an Speise, Trank und Schlaf entziehen und auch auf Geschwätz und Albernheiten verzichten. Damit das alles mit "Maß" geschieht - die "discretio" ist für Benedikt Schlüsselbegriff - soll jeder Mönch dem Abt seinen eigenen Vorsatz unterbreiten und Einwilligung erbitten. "Eine weise Vorsichtsmaßnahme", wie Heim betonte, um dem "Wettfasten" oder auch Stolz darüber Einhalt zu gebieten. Statt einer Einheitslösung wird zudem ein individuelles Maß angestrebt, Alte und Kranke sind etwa vom Fasten ausgenommen.
Fasten soll Freude machen
Ausdrücklich mahnt der Ordensheilige aber dazu, man solle in der Fastenzeit "nicht auf die Freude" vergessen. Schließlich gehe es ja vor allem um das sehnsuchtsvolle Erwarten des Osterfestes, der Feier der Auferstehung Jesu. "Ohne Fasten gäbe es diese Freude nicht und auch keine Festtage mehr. Wäre alles Festtag, wäre das ganze Jahr in Wahrheit öder Alltag", verdeutlichte Heim den Zusammenhang. Die Fastenzeit mache den Menschen ebenso "österlich" wie der Advent "weihnachtlich": "Das Erkennen unserer eigenen Grenzen hilft uns, Gottes Barmherzigkeit, die uns bei dem Fest entgegenkommt, noch mehr aufnehmen zu können."
So wie der Benediktinerorden leben auch die Zisterzienser nach der Benedikts-Regel. Im Stift Heiligenkreuz gibt es heute kein strenges Fasten mehr wie im Mittelalter, sehr wohl kommt aber vor Ostern dreimal pro Woche - am Montag, Mittwoch und Freitag - weder Fleisch noch Wurst auf den Tisch im Refektorium. Die Karwoche vor Ostern ist dann eine besondere Zeit, "in der man sich noch mehr zusammennimmt", wie Heim sagte. Reduktionen seien heute oft aber auch anderwärtig notwendig: "Bei der Medien-, Computer- oder Internetnutzung etwa", bemerkte der Abt. Seine eigene Erfahrung: "Verzicht nimmt nicht, er gibt Kraft."
Ernst genommen wird im Kloster bis heute auch der Appell, in der Fastenzeit die Bereitschaft zur Versöhnung zu erneuern. Einerseits gilt dies unter den Mönchen selbst: "Ein Streit soll bereinigt sein, bevor die Sonne untergeht", zitierte Heim erneut Benedikt. Zugleich sei hier die Versöhnung mit Gott in der Beichte gemeint. Der Fokus auf Gott lege auch die Begegnung mit ihm in den anderen Sakramenten - insbesondere der Teilnahme an der Messe - nahe, sowie durch die Zuwendung zum "geringsten Bruder" in Werken der Nächstenliebe.
Grundeinstellung entscheidet
Ob sich Fasten positiv für den Menschen auswirkt, hängt zuallererst von der Grundeinstellung ab, so die Überzeugung des Ordensmannes. Wichtig sei die Motivation außerhalb des "Egos", wobei Heim auch weltlichen Beweggründe hohen Respekt zollte. "Wenn jemand nicht Christ oder nicht religiös ist, kann er auch aus Solidarität zu anderen Menschen fasten - aus der Überzeugung, sich durch den eigenen Verzicht für Ärmere, Kranke oder Notleidende einzusetzen. Manche fasten um der Freiheit willen, wollen die Selbstsucht abstreifen."
Die Betonung der inneren Haltung sei es auch, die das christliche Fasten etwa gegenüber dem Fastenmonat der Muslime besonders auszeichne, sagte der Heiligenkreuzer Abt. Abschauen könne man sich von der weitaus strengeren Praxis äußerer Fastengebote im Ramadan dennoch einiges: "In der katholischen Kirche wurde der gebotene Fleischverzicht an den Freitagen durch ein anderes, individuelle Freitagsopfer ersetzt. Wenn man dem Fasten das Konkrete wegnimmt, birgt das jedoch auch die Gefahr, dass der Mensch dann dazu neigt, gar nichts mehr zu machen." Nach Alternativen werde dann nämlich zu wenig gesucht, so Heims Eindruck.
Quelle: kathpress