Papst zu Meisners Klarstellungsappell: Einige verstehen es nicht
Papst Franziskus weist den Vorwurf zurück, nicht klar genug im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu sein. "Einige - denken Sie an gewisse Entgegnungen zu 'Amoris laetitia' - verstehen es weiter nicht", sagte Franziskus in einem Interview der Mailänder katholischen Tageszeitung "Avvenire" (Freitag) offenbar im Blick auf den an ihn gerichteten Klarstellungsappell mehrerer Kardinäle, darunter Joachim Meisner.
Es gebe nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern es müsse "im Fluss des Lebens unterschieden" werden. "Das hat uns das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) gesagt." Es brauche wohl noch etwas Zeit, bis das überall ankomme: "Die Geschichtsschreiber sagen, ein Konzil braucht ein Jahrhundert, um richtig die Kirche zu durchdringen... Wir sind bei der Hälfte."
Mit der dogmatischen Konstitution über die Kirche "Lumen gentium" habe sich die Kirche wieder dem Evangelium als ihrer Quelle zugewandt. "Das verschiebt die Achse des christlichen Verständnisses von einem gewissen Legalismus, der auch ideologisch sein kann, auf die Person Gottes hin, der zur Barmherzigkeit wurde in in der Fleischwerdung des Sohnes", so Franziskus.
Verständnis für Luther
Im Blick auf Luther sagte Franziskus im Interview, dieser habe auch auf das Bild einer Kirche reagiert, die meinte, auf die Gnade Gottes verzichten zu können oder sich schon in deren Besitz wähnte. "Diese Versuchung, eine selbstreferenzielle Kirche zu errichten, die zu Gegensätzen und schließlich zur Spaltung führt, kehrt ständig wieder", so der Papst.
Es sei das "Krebsgeschwür" der Kirche, sich gegenseitig mit Ruhm zu überhäufen, sagte Franziskus. Wer in der Kirche Machthunger und Selbstbehauptung pflege, leide an einer "spirituellen Krankheit". Als verfehlt bezeichnete der Papst die Auffassung, "die Kirche sei eine sich selbst genügende menschliche Institution, in der sich alles nach der Logik von Ehrgeiz und Macht bewegt".
"Ungewissheiten beseitigen
In den vergangenen Tagen hatten mehrere Medien - unter ihnen die Würzburger "Tagespost" - einen offenen Brief an Franziskus veröffentlicht, in dem es hieß, nach dem päpstlichen Schreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie gebe es "eine ernste Verunsicherung vieler Gläubiger und eine große Verwirrung". Die Kardinäle Joachim Meisner, Walter Brandmüller, Carlo Caffara und Raymond Leo Burke fordern darin vom Papst mehr Klarheit über den kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Auch unter Theologen und Bischöfen gebe es einander widersprechende Interpretationen. Die Unterzeichner appellierten daher an den Papst, "die Ungewissheiten zu beseitigen und Klarheit zu schaffen".
In der Öffentlichkeit besonders beachtet wird die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Umständen wieder zum Empfang der Kommunion zugelassen werden können. Bisher war dies nur möglich, wenn sie in ihrer neuen zivil geschlossenen Ehe enthaltsam lebten. Ob der Papst diese Regelung mit "Amoris laetitia" gelockert hat oder nicht, wird seit Monaten heftig diskutiert.
Franziskus selbst hat bisher auf Nachfragen nicht mit Ja oder Nein geantwortet. Allerdings hatte er indirekt den Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene in Einzelfällen verteidigt, zugleich aber eine zu liberale Praxis abgelehnt. Zu einer entsprechenden Orientierungshilfe argentinischer Bischöfe schrieb er, es gebe "keine anderen Interpretationen".
Die Autoren des Anfang der Woche veröffentlichten Schreibens legten dem Papst und der Glaubenskongregation insgesamt fünf Fragen mit Bitte um Klärung vor. Dabei geht es konkret um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene und um weitere grundsätzliche Themen.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk), Thomas Sternberg, kritisierte am Freitag den Klarstellungsappell der Kardinäle scharf. "Damit unterlaufen sie gerade den Perspektivenwechsel des Heiligen Vaters", sagte Sternberg in Bonn mit Blick auf den von Franziskus immer wieder formulierten Appell zu Barmherzigkeit. Sternberg äußerte sich auf der Herbstvollversammlung des höchsten Gremiums der katholischen Laien in Deutschland.
Er fühle sich an eine "Verletzung der Kollegialität" in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung vor Jahren erinnert, sagte der Präsident unter Applaus der Delegierten. "Diese Art von unaufrichtiger Kirchenpolitik finde ich schlimm. Da werden Wunden nicht geheilt, sondern aufgerissen. Das schadet unserer Kirche, und das schadet unserer Glaubwürdigkeit."
Quelle: kathpress