Kardinal Müller warnt vor "Polarisierung und Polemik"
Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat nach dem offenen Brief von vier Kardinälen, die vom Papst mehr Klarheit über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fordern, vor "Polarisierung und Polemik" gewarnt. Eine "Diskussion auch kontroverser Ansichten im Kardinalskollegium und im Episkopat mit dem Bischof von Rom" sei indes normal, sagte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation im Interview mit der "Passauer Neuen Presse".
Der Glaubenspräfekt betonte die Kontinuität der katholischen Lehre. Das Lehramt stehe "nicht über dem Wort Gottes", sondern es diene ihm und und lege es treu aus, und deshalb "kann es bei der Erklärung des geoffenbarten Glaubens keinen Widerspruch geben zur Heiligen Schrift und zur Lehre der Apostel und der bisherigen definierten Glaubenslehre der Kirche". Dies treffe auch für das in der Diskussion stehende Apostolische Schreiben "Amoris laetitia" zu. Darin werde ausdrücklich gegen jeden Zweifel betont, dass dieses Schreiben in voller Kontinuität mit der in der Heiligen Schrift begründeten Glaubenslehre der Kirche stehe, so Müller.
Zu den vier Kardinälen, die kürzlich ihre Anfrage zu "Amoris laetitia" an den Papst publik gemacht hatten, gehören auch der frühere Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner und der bayerische Kardinal Walter Brandmüller. Weitere Unterzeichner sind der US-amerikanische Kardinal Raymond Leo Burke sowie der frühere Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra. Sie fordern vom Papst unter anderem eine Klärung, ob eine Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen nach seinem Schreiben "Amoris laetitia" nun in Ausnahmefällen möglich sei, obwohl dies von den früheren Päpsten explizit ausgeschlossen worden sei.
Dazu erklärte Müller wörtlich: "Es gibt keine Ausnahme von der Unauflösbarkeit einer sakramentalen Ehe." Die vom Papst erwähnten Einzelfälle bezögen sich auf die Frage, "ob alle natürlichen Voraussetzungen, vor allem der Ehewille, und das rechte Verständnis der Ehe im Glauben im Augenblick des Eheabschlusses gegeben waren oder nicht". Im Normalfall, so der Kurienkardinal, werde in einem geordneten kirchenrechtlichen Verfahren geklärt, ob es sich um eine gültige Ehe gehandelt habe.
Mit den Einzelfällen seien somit Situationen gemeint, in denen zwar kirchenrechtlich keine Klarheit erreicht werden könne, "aber ein einzelner Mensch in seinem Gewissen und nach einer sorgfältigen Beratung mit seinem Beichtvater ehrlich zur Überzeugung von der Ungültigkeit des damaligen Eheabschlusses kommt". Klar sei jedoch: "Es ist keine Tür geöffnet zu einer Art von 'katholischer Ehescheidung', die man heimlich anzielt und mit frömmelnden Worten verschämt bemäntelt."
Müller betonte weiter, dass der Papst mit seiner Forderung nach einer synodalen Kirche keine abweichende Kirchenverfassung meine. Franziskus hatte kürzlich in einem Interview gesagt, dass er ein gemeinschaftliches Leitungsmodell für die Kirche anstrebe und für das Prinzip der Synodalität geworben. Dieses verlange, nicht "von oben nach unten" zu regieren, sondern "die Ortskirchen zu hören, sie zu harmonisieren, zu unterscheiden".
"Selbstverständlich spricht der Papst nicht von einer anderen Kirchenverfassung, die er gar nicht ändern könnte", so Müller dazu. Es gehe vielmehr "um den Stil der Ausübung des Lehr-, Leitungs-, und Heiligungsamtes", das Christus den Aposteln und ihren Nachfolgern im Petrusdienst und Bischofsamt anvertraut habe. "Diese Redeweise von 'oben' und 'unten' mit den Bildern des Gottesvolkes als Basis und dem Episkopat mit dem Papst als Pyramidenspitze hat sich eingebürgert und bleibt doch schematisch und irreführend", so der Kardinal.
Der Glaubenspräfekt kündigte an, im Februar 2017 eine umfassende Studie zum Thema Papsttum, Episkopat, Synode und Ökumene vorzulegen. Ebenso werde die päpstliche Internationale Theologenkommission unter seiner Leitung eine Studie zur Synodalität herausgeben.
Im Blick auf die Missbrauchsfälle in seiner früheren Diözese Regensburg sagte der Präfekt der Glaubenskongregation, er wolle mit Rechtsanwalt Ulrich Weber zusammenarbeiten, der im Auftrag der Diözese Regensburg die Vorkommnisse beim Domspatzen-Chor untersucht. Was er zur Aufklärung der Straftaten beitragen könne, werde er Weber mitteilen. Müller erinnerte, dass er selber in seiner Funktion als Oberhirte "ab Frühjahr 2010 nach den erstmaligen Meldungen dieser schweren Delikte an die Bistumsleitung den Aufklärungsprozess initiiert und strukturiert" habe. Er sei "froh und dankbar", dass unter seinem Nachfolger Rudolf Voderholzer "das 2010 Begonnene mit großem Engagement fortgesetzt wird".
Quelle: kathpress