Landau für "Fakten statt Mythen"
Eine von Caritas und Rotem Kreuz beauftragte Studie darüber, was Asylberechtigte leisten, soll dazu beitragen, dass beim Thema Flüchtlinge und Integration Fakten weniger "Unsicherheit und Angst geschürt" werden: Mit diesen Worten hat Caritas-Präsident Michael Landau das Studienergebnis kommentiert, wonach anerkannte Flüchtlinge in Österreich mehr in die Volkswirtschaft einbringen als sie kosten. Details dazu gaben bei einer Pressekonferenz in Wien auch Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer und Franz Prettenthaler vom beauftragten Joanneum Research bekannt. Landau wünscht sich als Konsequenz aus den erhobenen Daten mehr "Sachlichkeit statt Emotion, Hintergrund statt Halbwahrheiten". Sein Appell: "Fakten statt Mythen".
Eine laut Prettenthaler "sensationelle Entdeckung" in der Arbeitsmarktdatenbank habe die Erhebung verlässlicher Daten wesentlich erleichtert und mache es nunmehr obsolet, sich bei der Feststellung der Leistungen von Asylberechtigten auf Annahmen oder vage Befragungen zu stützen: In dieser Datenbank erfasst sind alle in Österreich lebenden Personen und auch alle Flüchtlinge ab dem Stellen ihres Asylantrags. Damit sei "erstmals eine Quasi-Vollerhebung der Arbeitsmarktbeteiligung von Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten" erfolgt.
Die Studie als PDF zum Download
Für die Studie erfasst und ökonomisch bewertet wurden alle Erwerbskarrieren der 65.000 Asylberechtigten der Jahre 2000 bis 2015, 13.500 davon sogar über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt. Hauptergebnis laut Prettenthaler: Asylberechtigte zahlen derzeit mehr in öffentliche Töpfe ein als sie daraus bekommen. Der Grazer Sozialwissenschaftler nannte eine durchschnittliche Nettobilanz von plus 3.050 Euro pro Asylberechtigtem, wobei Transferleistungen wie Mindestsicherung oder Arbeitslosengeld hier bereits abgezogen sei.
Anlass zur Sorge gebe, dass asylberechtigte Frauen eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung aufwiesen als Männer und auch als die österreichische Durchschnittbevölkerung, sagte Prettenthaler. Gegensteuernde Maßnahmen erfordere auch, dass die Erwerbsbeteiligung der Männer bis zum siebten Jahr nach Erteilen der Asylberechtigung ansteigt, danach aber wieder zurückgeht. Und: Im siebenten Jahr werde zwar das Niveau von 52 Prozent Erwerbstätigkeit in der österreichischen Gesamtbevölkerung erreicht, dies könnte laut dem Joanneum-Research-Fachmann aber durchaus höher liegen, denn anerkannte Flüchtlinge sind eher in einem arbeitsfähigen Alter.
Bildung ist zentraler Faktor
Die Auftraggeber Michael Landau und Gerald Schöpfer zogen aus der Studie unisono den Schluss, dass Bildung ein zentraler Faktor bei der Flüchtlingsintegration ist. Der Caritas-Präsident betonte, "dass Integration nicht früh genug beginnen kann, ... am besten ab Tag 1 in Österreich", und auch für Asylwerber vor Abschluss ihres Verfahrens.
Landau lobte, dass es mittlerweile staatlich finanzierte Deutschkurse auch für Asylwerber mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit gibt und dass im aktuellen Regierungsprogramm ein Integrationsjahr für diese Zielgruppe vorgesehen ist. Die oft jahrelangen Asylverfahren sollten noch mehr als bisher für Deutschkurse, Kompetenzchecks, diverse Bildungs- und Qualifikationsmaßnahmen genützt werden, forderte Landau. "Das würde auch den Weg in den Arbeitsmarkt und zur Selbsterhaltungsfähigkeit um einiges erleichtern."
Landau und Schöpfer forderten auch ein Ende des sogenannten Bartensteinerlasses, demzufolge Asylwerber de facto nur kontingentierten Saisonarbeiten in Tourismus und Land- und Forstwirtschaft nachgehen können. Ohne Arbeitsmarktzugang während des Asylverfahrens seien Betroffene zu oft jahrelanger Untätigkeit gezwungen, gab Landau zu bedenken: "Diese führt zu großen psychischen Belastungen und Dequalifizierung. Wertvolle Ressourcen bleiben ungenutzt oder gehen verloren."
Der Caritas-Chef forderte weiters die Öffnung des Zugangs zur Lehre für Asylwerber und die Anhebung der Zuverdienstgrenze auf die Geringfügigkeitsgrenze. Sie betägt aktuell 425,70 Euro.
Dem Anliegen der Bildung geschuldet ist Landaus Forderung, Angebote für nicht mehr schulpflichtige minderjährige Geflüchtete auszubauen sowie ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr - wie im neuen Arbeitsprogramm der Regierung vorgesehen - einzuführen. Dem neuen Regierungsprogramm zollte Landau "durchaus Lob, wenngleich wir andere Themen dort vermissen".
Integration "wechselseitiger Prozess"
Der Caritas-Präsident betonte, dass Integration in den Arbeitsmarkt "nicht nur aus menschlicher, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht" sinnvoll sei. Freilich sei Integration viel mehr als ein Arbeitsplatz: "Es geht dabei auch um Wohnen, um Gesundheit und vor allem um ein friedliches wertschätzendes Zusammenleben von Menschen", so Landau. Dabei dürfe nie vergessen werden, dass Integration ein wechselseitiger Prozess ist, bei dem alle Beteiligten Schritte aufeinander zugehen müssen.
Rotkreuz-Präsident Schöpfer kritisierte, dass wesentliche Daten - welche Kompetenzen bringen Asylwerber mit? Wie viele Betroffene befinden sich in Kursen? - meist nur auf Länderebene verfügbar sind. Ohne bundesweiten Überblick gleiche Integration einem "Jumbo ohne Cockpit", der "gegen die Wand zu fliegen" drohe. Schöpfers Appell: "Schaffen wir die Instrumente, um den richtigen Kurs einzuschlagen. Beenden wir den Blindflug!"
Integrationsgesetz in Begutachtung
Das von der Regierung vorgelegte und nun in Begutachtung befindliche neue Integrationsgesetz bringt neben mehr Deutschkursen, einem Burkaverbot im öffentlichen Raum sowie der Untersagung von salafistischen Koran-Verteilaktionen auch ein verpflichtendes Integrationsjahr. Dabei handelt es sich um eine auf ein Jahr angelegte arbeitsmarktpolitische Förderungsmaßnahme, wie es im Gesetzesentwurf heißt. Teilnehmer am Integrationsjahr bekommen einen Integrationspass, eine Art Zeugnis über den Verlauf der jeweiligen Integrationsmaßnahmen.
Geregelt wird das Integrationsjahr durch das Arbeitsmarktintegrationsgesetz. Es gilt ab 1. September für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte. Asylberechtigte bleiben während des Integrationsjahrs in der Mindestsicherung, Asylwerber in der Grundversorgung.
Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit werden durch den Besuch verschiedener Kurse "näher an den österreichischen Arbeitsmarkt herangeführt", erklärten seitens der SPÖ Sozialminister Alois Stöger und die zuständige Staatssekretärin Muna Duzdar in einer Aussendung zum Integrationsjahr.
Der ÖVP und ihrem Integrationsminister Sebastian Kurz geht es dabei vor allem darum, dass bereits vorhandene Angebote wie Werte- und Deutschkurse verpflichtenden Charakter bekommen und anerkannte Flüchtlinge darüber hinaus gemeinnützige Arbeit leisten müssen.
Das Integrationsjahr soll nach dem Wunsch der Regierung mehrere Module umfassen: Dazu gehören ein Kompetenzclearing sowie Deutschkurse ab Niveau A2, eine Abklärung und Unterstützung bei der Anerkennung von Qualifikationen und Zeugnissen sowie Werte- und Orientierungskurse in Kooperation mit dem Integrationsfonds (ÖIF).
Quelle: kathpress