Gottsuche Weg gegen Extremismus
"Billige Antworten von der Stange" können Extremismus und Fundamentalismus Vorschub leisten: Das hat Benediktinerpater Nikodemus Schnabel, Prior der Jerusalemer Dormitio-Abtei, am Montagabend im Wiener Begegnungszentrum "Quo Vadis" betont. Der Vortrag trug den Titel "Du sollt ein Segen sein: Abrahams Kinder heute". Jerusalem wird von Christen, Juden und Muslimen als Heilige Stadt angesehen und ist seit Jahrhunderten von Konflikten zwischen den Religionen geprägt. Da Schnabels Kloster auf neutralem Boden zwischen Israel und Palästina liegt, ist der Mönch täglich mit den Problemen beider Seiten konfrontiert, wie er berichtete.
Kennzeichen von Fanatismus sei es, auf alles schnelle, einfache Antworten parat zu haben und keine Fragen offen zu lassen. Wo sich Schwarz-Weiß-Denken mit Nationalismus bzw. Religion vermenge, stärke die Abgrenzung gegenüber klar definierten Feindbildern zwar die eigene Identität, müsse aber Extreme begünstigen, sagte der Ordensmann.
Als Gegenkonzept zu schnellen Scheinlösungen plädierte er für den "anstrengenderen Weg der aufrichtigen Wahrheits- und Gottsuche", der auch zentraler Inhalt des monastischen Lebens sei. Echte Religiosität sei an einem demütigen Blick auf sich selbst und Respekt vor dem Anderen erkennbar, wie es der heilige Benedikt in seiner Mönchsregel beschreibe: "Keine Haltung des Laissez-faire, sondern das Angebot von Orientierung, Begleitung und Wegweisung, ohne den Mitmenschen von sich abhängig zu machen." So gelebte Religion könne einen Beitrag zum Frieden leisten. Diese Unterscheidung sei gerade in unübersichtlichen, "postfaktischen" Zeiten komplexer politischer Zusammenhänge entscheidend, betonte Schnabel.
Mit Gewalt ist Schnabel beinahe täglich konfrontiert: Es vergehe kaum eine Woche, in der er nicht auf der Straße von nationalistischen Juden beleidigt oder angespuckt werde. Als im Juni 2015 die der Abtei angeschlossene Brotvermehrungskirche bei Tabgha Opfer eines Brandanschlags durch rechtsextremistische israelische Siedler wurde, pervertierten diese sogar einen Psalmvers, den sie in Form eines hebräischen Graffitis an der Wand hinterließen: "Götzendiener müssen vernichtet werden".
Gleichzeitig betonte der Mönch die Solidarität, die ihm von jüdischer Seite begegne: Viele Israelis, darunter auch Rabbiner, hätten für den Wiederaufbau des Gotteshauses gespendet, das am 12. Februar wiedereröffnet werden soll.
Zuletzt befasste sich Schnabel in "Zuhause im Niemandsland. Mein Leben im Kloster zwischen Israel und Palästina" (4. Auflage 2016) mit seiner "geliebten Diva Jerusalem", die er als "Sehnsuchtsort" dreier großer Religionen zeichnet. Über die Bedeutung des Pilgerortes können Christen viel von Muslimen und Juden lernen, so Schnabel: Gerade Katholiken würden Jerusalem gegenüber Rom nämlich oft stiefmütterlich behandeln.
Pater Nikodemus Schnabel, geboren 1978 in Stuttgart, studierte Theologie in Fulda, München, Münster und Jerusalem. 2003 trat er in die benediktinische Dormitio-Abtei auf dem Berg Zion ein. 2013 wurde er zum Priester geweiht. Er leitet die theologische Bibliothek der Abtei sowie das Jerusalemer Institut der Görres-Gesellschaft. Zudem ist er einer der Schriftleiter des Theologischen Forums.
Der Ostkirchenexperte ist auch Direktor des Jerusalemer Instituts für die deutschsprachigen Katholiken in Israel und Palästina und Pressesprecher seines Klosters, das er seit einem halben Jahr zusammen mit dem abhängigen Priorat Tabgha am See Genersaret als Oberer leitet.
Quelle: kathpress