Schulkreuz auch Symbol für verbürgerlichte Religion
Ein Theologe hinterfragt Schulkreuze: Der 1962 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich geschlossene Schulvertrag, wonach in allen Klassenräumen, in denen die Mehrzahl der Schüler einem christlichen Religionsbekenntnis angehört, ein Kreuz anzubringen ist, erinnere viele "an Zeiten einer unheilvoll engen Allianz von Thron und Altar", schrieb der Grazer Sozialethiker Kurt Remele am Dienstag im "Standard". Und: Das Christentum werde durch "obrigkeitsstaatliches Denken" seiner "rebellisch-kritischen und egalitär-befreienden" Dimension beraubt, wenn Jesus Christus, "der Stifter konstruktiver Unruhe", bereits in der Schule "zu einem behördlich eingesetzten Beschwichtigungshofrat" werde.
Remele zeigt in seinem "Kommentar der Anderen" ein aus seiner Sicht bestehendes Dilemma beim Thema Schulkreuze auf: Werde das christliche Kreuz im Sinne von "Symbol der abendländischen Geschichte" als heimatlich-kulturelles Symbol interpretiert, werde es "theologisch banalisiert". Werde es jedoch theologisch interpretiert, bestünde die "Tendenz, es im vorliegenden Kontext als öffentliches Symbol zur Legitimierung des Status quo zu verstehen". Das Christentum werde so zu einer bürgerlichen Religion, "der es primär um unhinterfragte Konformität und stillschweigende Einordnung in bestehende hierarchische Gesellschaftsstrukturen geht", befürchtete der Theologe.
Ein "Hofrat Jesus der Schulbehörden", der vor allem an guten Manieren, hervorragenden Noten und karriereorientiertem Durchsetzungsvermögen junger Menschen interessiert sei, stehe in hartem Kontrast zum Jesus der Evangelien. Es entstehe ein Christentum, so die Warnung Remeles, "das gregorianisch singt, ohne für die Juden zu schreien (Dietrich Bonhoeffer), und in dem bunte Kirchenfenster den klaren Blick auf Notleidende und Ausgegrenzte trüben".
Debatte auch in Niederösterreich
Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng ist "froh darüber, dass bei uns Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften in einem konstruktiven Miteinander stehen". Weltanschauliche Neutralität sei "nämlich nicht Wertefreiheit", sondern bilde die Grundlage für einen "konstruktiven Austausch aller", sagte Küng in der aktuellen Ausgabe der "Niederösterreichischen Nachrichten" (NÖN), die der aktuellen Kreuz- und Kopftuchdebatte eine Doppelseite widmeten. Die designierte niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bekannte sich darin zu Schulkreuzen: "Das Kreuz wird nicht angegriffen. Es ist ein Symbol unse4res Kulturraums", zitierte sie die "NÖN".
Ähnlich die Haltung des ÖVP-Klubobmannes im niederösterreichischen Landtag, Klaus Schneeberger: Besonders in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche mit massiven Veränderungen auch der Bevölkerungsstruktur "gilt es, noch intensiver unsere Werte, Traditionen und Bräuche zu leben". Dem pflichtete FPÖ-Klubobmann Gottfried Waldhäusl bei; Kreuze seien "Teil der abendländischen Kultur, das muss auch so bleiben!" Wer damit "ein Problem hat, kann gerne das jeweilige Gebäude und auch unser Land verlassen".
SPÖ-Klubchef Alfredo Rosenmaier bewertete die Diskussionen über Kreuze und Kopftücher als "reine Scheingefechte". Viel wichtiger sei eine Debatte über bestmögliche Maßnahmen zur Integration wie Deutsch- und Wertekurse.
Quelle: kathpress