Auch behinderte Kinder haben Recht auf Bildung
In Albanien, dem viertärmsten Land Europas, ist der Alltag schon für gesunde Menschen nur unter großen Mühen zu bewältigen. Noch schwerer haben es Menschen mit Behinderung. Die Caritas will in dem Balkanland mit einigen Vorzeigeprojekten aufzeigen, wie auch diese Menschen eine Chance im Leben - vor allem durch Bildung - bekommen können; etwa im Caritas-Tageszentrum in Fushe Kruje. Das Zentrum liegt einige Kilometer außerhalb der Hauptstadt Tirana. Caritaspräsident Michael Landau und Auslandshilfechef Christoph Schweifer haben sich vor Ort umgesehen. Albanien ist das Schwerpunktland der diesjährigen Caritas-Osteuropakampagne.
Das Tageszentrum besteht seit 2010 und wurde mithilfe der Caritas St. Pölten errichtet. Weit und breit sei es das einzige seiner Art, erzählt Elona Memetaj von der örtlichen Caritas. Bis zu 35 Kinder und Jugendliche würden hier einen Betreuungsplatz erhalten. Der Bedarf sei freilich viele größer. Die meisten der Schützlinge zwischen sechs und 32 Jahren besuchen keine Schule. Sie könnten ihre Fähigkeiten nur hier im Zentrum bei den unterschiedlichsten Aktivitäten entwickeln.
Die Kinder und Jugendlichen stellen Bastelarbeiten aus Papier und Karton her, sie fertigen Kerzen und Ikonen an, sie malen, stricken und schneidern. Die Erzeugnisse werden auf Ausstellungen verkauft. Dazu gibt es auch eine Koch- und Gartengruppe sowie Computer-Trainings und sportliche Aktivitäten. Ihre Schützlinge würden tatsächlich teils große Entwicklungsfortschritte machen, betont Elona Memetaj stolz.
Behinderte für Behinderte
Ganz wichtig sei der Caritas, dass es unter den Mitarbeitern im Zentrum auch Menschen mit Behinderung gibt. Zum Beispiel den 33-jährigen Darjan. Dessen rechte Körperhälfte ist weitgehend gelähmt. In Albanien habe er keine Chance auf eine gute Schulbildung gehabt, erzählt er. In der Schule habe ihn niemand verstanden. Er sei gezwungen worden, mit der rechten Hand zu schreiben, was natürlich nicht möglich war. Er sei verspottet, geschlagen und diskriminiert worden. Die Schule in Albanien verbinde er mit ganz schlimmen Erlebnissen.
Als Darjan neun Jahre alt war, entschieden sich seine Eltern, nach Griechenland zu gehen. Und von da an ging es bergauf. Die Lehrer in seiner neuen Schule gingen auf seine körperliche Beeinträchtigung ein, sie motivierten ihn, traten ihm mit Respekt gegenüber und das habe sein Leben verändert, erzählt er. Von da an habe er begonnen, die Schule zu lieben und er sei ein guter Schüler gewesen. Ein Schüler mit Selbstvertrauen.
Darjan ist nun für die Computer-Kurse und Freizeitaktivitäten im Haus zuständig. Und er übt seinen Job mit Leidenschaft aus, wie er sagt. Er sei absolut davon überzeugt, dass Menschen mit körperlicher wie geistiger Behinderung absolut wichtige aktive Bestandteile der Gesellschaft sein können. Sie müssten nur von frühester Kindheit an entsprechend gefördert werden.
Seit seiner Jugendzeit habe sich auch schon einiges zum Besseren gewendet, räumt Darjan ein. Die entsprechenden Gesetze seien schon recht gut, freilich mangle es noch an der Umsetzung durch die lokalen Behörden.
Der Besuch des Tageszentrums ist gratis. Anders wäre es aber auch gar nicht möglich. Denn die Familien der Behinderten sind in der Regel bettelarm und könnten auch nicht einmal für den Transport ins Zentrum aufkommen. Deshalb holt ein Caritasbus die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen um sieben Uhr Früh ab und bringt sie gegen 15 Uhr wieder nach Hause.
Das Tageszentrum in Fushe Kruje sei eine löbliche Ausnahme, resümiert Christoph Schweifer. Behinderte Kinder könnten in Albanien oft immer noch keine Schule besuche, manche müssten ihr ganzes Leben in der Wohnung ihrer Eltern verbringen. Viele würden auch auf Grund mangelnder Gesundheitsversorgung viel zu früh sterben.
Michael Landau zeigt sich vom Einsatz Darjans beeindruckt. Dieser habe seine Ausbildung und seinen Job freilich nur seinen Eltern zu verdanken, die sich so sehr für ihn eingesetzt hätten. Viele andere behinderte Kinder bzw. deren Eltern hätten diese Möglichkeiten aber nicht. Doch auch diese hätten das Recht auf Bildung.
Ein Besuch bei Brixhilda
Ein Schützling des Tageszentrums ist die 22-jährige Brixhilda. Sie lebt einige Kilometer außerhalb von Fushe Kruje mit ihren Eltern in einem kleinen Häuschen. Brixhilda ist geistig behindert, hat oft epileptische Anfälle und sieht auch sehr schlecht. Oft sei sie auch sehr aggressiv, berichtet die 45-jährige Mutter Bujare, die vom Leben schon schwer gezeichnet ist und gut 20 Jahre älter aussieht.
Brixhilda ging noch nie zur Schule, sagen die Eltern. Die Familie habe das so entschieden, damit sie dort nicht diskriminiert wird. Der Vater Besin arbeitet als Nachtwärter in einer nahen Zementfabrik. Dafür bekommt er im Monat 22.000 LEK, umgerechnet 160 Euro. Dazu kommen nochmals 10.000 LEK staatliche Unterstützung für die behinderte Tochter. Macht in Summe rund 230 Euro, und damit zu wenig zum Leben und gerade noch zu viel zum Sterben. Für einen Besuch beim Augenarzt für Brixhilda reicht es auf jeden Fall nicht.
Seit Brixhilda das Tageszentrum besuchen kann, hat sich ihr Zustand freilich verbessert. Früher sei sie oft einsam gewesen, die Gemeinschaft mit anderen tue ihr sehr gut und manchmal schafft sie es nun sogar schon, im Haushalt ein wenig mitzuhelfen, sagen die Eltern.
Wenn es Brixhilda ein wenig besser geht, dann ist das zumindest ein kleiner Lichtblick im Leben der Familie. Aber auch solche kleine Lichtblicke wären ohne die Hilfe aus Österreich nicht möglich und deshalb steht es für Caritaspräsident Michael Landau und Auslandshilfechef Christoph Schweifer außer Zweifel, dass die Hilfe für behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Albanien weitergehen muss.
(Caritas Spendenkonto: Erste Bank, IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: Kinder in Not, Online Spenden: www.caritas.at/kinder)
Quelle: kathpress