Telefonseelsorge seit fünf Jahren online
Seit mittlerweile fünf Jahren können sich Rat-Suchende unter dem Motto "Schrei(b) um Hilfe" im Internet an Mitarbeiter der Telefonseelsorge wenden: Mehr als 10.000 E-Mails haben die 63 haupt- und ehrenamtlichen Berater seither österreichweit beantwortet, teilte die Telefonseelsorge Oberösterreich am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich des "Safer-Internet-Tags", der am 7. Februar begangen wird, mit. Träger der Einrichtung sind katholische und evangelische Kirche.
Besonders häufig seien schambesetzte Themen Inhalt der E-Mails, weiß Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich. Vielen Menschen falle es einfacher über Mobbing, Sucht, Selbstverletzung oder Suizidgedanken zu schreiben als diese am Telefon zu besprechen. Beziehung und Vertrauen ergebe sich dabei auch im Internet, weiß Breitwieser, die von "Nähe durch Distanz" spricht.
Seit dem Startschuss am 12. Jänner 2012 steige die Anzahl der E-Mail-Anfragen kontinuierlich an: Waren es 2012 in Oberösterreich noch 173 E-Mail-Anfragen, wandten sich 2016 bereits 667 Rat-Suchende via E-Mail an die Telefonseelsorge Oberösterreich. Ein "großer Vorteil" der Online-Beratung sei die Unabhängigkeit von jeder Tageszeit, so Doris Bauer, Projektleiterin der Online-Beratung der Telefonseelsorge. "Sie kann tageszeitenunabhängig in Anspruch genommen werden, viele E-Mails gehen zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens bei uns ein." Die Betroffenen könnten sich "in der Nacht alles von der Seele schreiben". Eine Antwort garantiert die Telefonseelsorge innerhalb von 48 Stunden.
Die 24-Stunden-Beratung, die anonym, kostenlos und vertraulich erfolgt, wird hauptsächlich von Menschen zwischen 15 und 25 Jahren in Anspruch genommen, 71 Prozent davon sind weiblich. Thematisiert würden vor allem Beziehungsprobleme in allen Ausprägungen wie etwa Liebeskummer, Konflikte mit den Eltern oder Streit mit Freunden, so Bauer.
Seit Herbst 2016 wird im Bereich der Online-Beratung ergänzend zur E-Mail-Beratung auch eine Chat-Beratung angeboten. Chat-Termine zu je 45 Minuten ermöglichen eine unmittelbare Kommunikation. Über die Website www.onlineberatung-telefonseelsorge.at können E-Mail-Anfragen gestellt und Chat-Termine vereinbart werden.
Als "massives Problem der Gegenwart und Zukunft" sieht Breitwieser die zunehmende Online-Sucht. Die Expertin ortet Achtsamkeitsbedarf im Umgang mit sozialen Medien. "Vor allem Eltern brauchen Bewusstseinsbildung - denken wir nur an quengelnde Kleinkinder, die zur Beruhigung das Smartphone in die Hand bekommen", so Breitwieser.
Die Telefonseelsorge ist eine Einrichtung der katholischen und evangelischen Kirche. Unter der Notrufnummer 142 ist der Dienst täglich rund um die Uhr erreichbar. Das Angebot ist kostenfrei, unverbindlich und vertraulich - nicht einmal auf der Telefonrechnung scheint der Anruf auf.
Kommunikation im Internet komplex
Durch die Online-Beratung möchte die Telefonseelsorge auch einen Beitrag zur Sicherheit internetbasierter Kommunikation leisten. So praktisch und hilfreich diese sei, so komplex und mit Tücken behaftet könne sie auch sein, führte Patricia Groiß-Bischof, Medienpädagogin für den Verein "4YOUgend" des Landes Oberösterreich, aus. Cyber-Mobbing, Grooming oder Sexting seien alltäglich und betreffen vor allem junge Menschen.
Distanz und Anonymität im Internet vereinfachten etwa das Cyber-Mobbing, so die Expertin. "Es ist einfacher jemanden zu beschimpfen, wenn ich ihm oder ihr dabei nicht in die Augen schauen muss." Groiß-Bischof warnte auch vor zu großem Vertrauen in Internet-Bekanntschaften: "Im Internet treffen wir auf Menschen, die wir real nicht kennen und nicht einschätzen können. Die 'digitale Nähe' verleite häufig dazu, zu glauben, dass ich mein Gegenüber kenne."
Diese "vermeintliche Nähe" sei auch der Nährboden für Phänomene wie Grooming, bei dem sich Erwachsene im Internet Minderjährigen sexuell nähern. "Beim Flirten entsteht Nähe und Vertrauen - Gefühle, die später schamlos ausgenutzt werden, um die Jugendlichen unter Druck zu setzen", so die Expertin.
Aktuell seien auch die Themen "Fake-News" und "Hasspostings". Groiß-Bischof plädiert deshalb dafür, in Schulen das Hinterfragen von Quellen und die Internet-Recherche gezielt zu üben, etwa in Vorbereitung auf ein Referat.
Quelle: kathpress