Regierung will Verbot der Vollverschleierung
Die Bundesregierung will in Österreich ein Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum durchsetzen. Man bekenne sich zu einer offenen Gesellschaft, die auch eine offene Kommunikation voraussetze, heißt es in dem am Montag von Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner in Wien präsentierten neuen Arbeitsübereinkommen der SPÖ-ÖVP-Koalition. "Vollverschleierung im öffentlichen Raum steht dem entgegen und wird daher untersagt", so die beiden Regierungsparteien.
Beschlossen werden soll die Regelung im neuen Integrationsgesetz, dessen konkreter Entwurf in der kommenden Woche vorgestellt und im Ministerrat Ende März abgesegnet werden soll. Verankern will die Regierung offenbar auch ein Verbot für Kopftuch und andere religiöse Symbole bei Polizisten, Soldaten, Richtern und Staatsanwälten, auch wenn dies im Koalitionspapier nicht direkt so benannt wird. Der Staat sei zu einem weltanschaulich und religiös neutralen Auftreten verpflichtet, wird festgehalten: "In den jeweiligen Ressorts wird bei uniformierten ExekutivbeamtInnen sowie RichterInnen und StaatsanwältInnen darauf geachtet, dass bei Ausübung des Dienstes dieses Neutralitätsgebot gewahrt wird."
Der Schritt hin zu einem Vollverschleierungsverbot falle der Regierung nicht leicht, sagte Bundeskanzler Kern bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Arbeitsübereinkommens. "Es gibt Argumente dafür und dagegen." Vizekanzler Mitterlehner sprach im Zusammenhang mit dem Burkaverbot wörtlich von einem "symbolhaften Verbot", eine offene Gesellschaft brauche "Face-to-Face-Kommunikation". Auf weitere Details zur Umsetzung gingen die beiden vorerst nicht ein.
Das Neutralitätsgebot im öffentlichen Dienst strebe die Regierung an, wolle dieses aber "in Konsultation mit den Religionsgemeinschaften" entwickeln, sagte Kanzler Kern auf Nachfrage. Sowohl die katholische Kirche, als etwa auch die jüdische und die muslimische Religionsgemeinschaft seien hier gefragt. Auf die Nennung des Terminus "Kopftuch" habe man im Regierungspapier bewusst verzichtet, um nicht nur Muslime herauszugreifen, so Kern.
Verpflichtendes Integrationsjahr
Das Integrationspaket und das Kapitel "Sicherheit und Migration" nehmen in dem 36-seitigen Regierungspapier breiten Raum ein. Kommen soll etwa auch ein eigenes Arbeitsmarktintegrationsgesetz samt Etablierung eines sogenannten "verpflichtenden Integrationsjahrs" für Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte sowie jene Asylwerber, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen wird, dass sie nach Abschluss ihres Asylverfahrens in Österreich bleiben werden. Neben Deutschkursen, beruflichen Qualifikationsfeststellungen sowie Werte- und Orientierungskursen soll darin eine verpflichtende Beschäftigung - konkret nennt das Regierungspapier eine gemeinnützigen Tätigkeit bei Zivildienstträgern - enthalten sein.
Gleichzeitig betont die Regierung ihre Absicht, "die Zahl der in Österreich ankommenden und rechtswidrig aufhältigen Migranten massiv zu reduzieren". Vorgesehen sind der Ausbau bestehender Grenzkontrollen genauso wie Verschärfungen im Fremdenrecht, etwa bei Schubhaft und Abschiebungen. Neben einer Beschleunigung der Verfahrensabläufe im Asylverfahren will die Regierung außerdem die bestehende Rückkehrberatung weiter ausbauen und die finanzielle Reintegrationshilfe für rückkehrwillige Menschen teilweise erhöhen.
Stufenplan zum Mindestlohn
Andere umfangreiche Punkte in der Koalitionsvereinbarung widmen sich den Großthemen Wirtschaft, Arbeitsmarkt oder Bildung. Generelles Ziel sei "Arbeitslosigkeit bekämpfen und Wirtschaftswachstum stimulieren", sagte Bundeskanzler Kern. Vorgesehen sind unter anderem die Senkung der Lohnsteuer durch den automatischen Ausgleich der kalten Progression und auch geringere Lohnnebenkosten für Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen. Im Rahmen einer "Beschäftigungsaktion" sollen mit staatlicher Förderung tausende neue Jobs für über-50-jährige langzeitarbeitslose Menschen in Gemeinden, gemeinnützigen Trägervereinen und Unternehmen entstehen. Damit einher geht eine Lockerung des Kündigungsschutzes für diese Altersgruppe.
Enthalten sind im Arbeitsübereinkommen auch die Vorhaben zu flexibleren Arbeitszeiten (12-Stunden-Tag) sowie zur Entwicklung eines Stufenplans für einen flächendeckenden Mindestlohn von zumindest 1.500 Euro. Für den Fall, dass sich hier bis zum zweiten Halbjahr keine gemeinsame Lösungen mit den Sozialpartnern abzeichnen, kündigt die SPÖ-ÖVP-Regierung den Beschluss eines eigenen Vorschlags im dritten Quartal des Jahres an.
NGOs vermissen Entwicklungshilfe
Kritik am neuen Regierungsprogramm kam am Montag von der "AG Globale Verantwortung". Der von den Ministern unterschriebene Fahrplan für die nächsten Jahre verfolge den Grundsatz "Österreich first" statt ein "besseres Leben für alle", so das Urteil von Anneliese Vilim, der Geschäftsführerin des Dachverbandes für entwicklungspolitische und humanitäre Organisationen, darunter zahlreiche aus dem Kirchenbereich.
Besonders bedauerte Vilim, dass die 2015 auch von Österreich unterzeichneten UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable development goals, SDGs) im Regierungsprogramm nicht einmal erwähnt worden sind. In Österreich laufe die Umsetzung der verbindlichen Ziele, die ein "Masterplan für eine bessere Welt für alle Menschen" seien, "mehr als schleppend" voran. Vilim: "Die Festlegung von klaren Schritten in diesem Arbeitsprogramm hätte zu einer schnelleren Umsetzung beitragen können."
Auch die Entwicklungszusammenarbeit kommt im Arbeitsprogramm nicht vor. Vilims Gesamturteil: "Die Bundesregierung blickt mit diesem Programm nicht weit über den innenpolitischen Horizont hinaus. Und das finde ich wirklich schade."
Quelle: Kathpress