Van der Bellen beginnt Amt mit Appell zu Friedensprojekt Europa
Alexander Van der Bellen, seit 4. Dezember 2016 zum Staatsoberhaupt gewählt und am Donnerstag im Parlament als neunter Bundespräsident der Zweiten Republik angelobt, hat seine Amtszeit mit einem Bekenntnis zum "Friedensprojekt Europa" begonnen. In seiner ersten Rede als Bundespräsident sagte er vor der Bundesversammlung im Historischen Sitzungssaal des Hohen Hauses, Nationalismus und Kleinstaaterei lägen nicht im Interesse Österreichs, vielmehr gelte es den Weg der Integration im "unvollständigen und verletzlichen" Europa weiterzugehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man hier Gewalt aus den zwischenstaatlichen Beziehungen verbannt, die Erhaltung dieses Friedensprojektes ist laut Van der Bellen "aller Mühen wert".
Am Staatsakt zur Angelobung nahmen neben der Bundesregierung, dem National- und Bundesrat auch Vertreter der Religionsgemeinschaften teil, darunter der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, der lutherische Bischof Michael Bünker und der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios als Vertreter der christlichen Kirchen. An diese wandte sich Van der Bellen in seiner Rede und sagte, er wolle "mit den Religionsgemeinschaften für die Erneuerung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sorgen".
Als für die Republik "zentrale Glaubenssätze, als 'Credo', wenn Sie so wollen" bezeichnete der neue Bundespräsident die unteilbare Menschenwürde und die uneingeschränkt geltenden Menschenrechte. Werte wie Freiheit, Solidarität gerade mit Schwächeren sowie Verantwortung bezeichnete Van der Bellen als Fundament, das auch für in Österreich Zugewanderte gilt und das für das Bestehen anstehender Herausforderungen und Veränderungen unerlässlich sei. Gesellschaftlicher Wandel bereite vielen Angst, aber die Zuversicht im Blick auf die Zukunft solle größer sein als der Zweifel. Laut Van der Bellens kann und muss man sich entscheiden, zuversichtlich zu sein. Sein Appell: "Glauben wir an Freiheit, Gleichheit, Solidarität - das, was Österreich stark gemacht hat."
Politik nannte der Bundespräsident ein "Handwerk", das auch Ergebnisse bringen müsse im Bemühen, Rahmenbedingungen für ein geglücktes Leben möglichst aller Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Vor dem Hintergrund des Tauziehens der Regierungskoalition um Reformen sagte Van der Bellen, ein "Baumeister, der nur plant", leiste zu wenig. "Die Österreicherinnen und Österreicher warten schon auf die notwendigen Entscheidungen und Ergebnisse", sagte Van der Bellen.
Er selbst umschrieb sein Amtsverständnis mit dem Vorhaben, überparteilich zu grundsätzlichen Fragen Stellung zu nehmen und inner- wie auch außerhalb Österreichs Brücken schlagen zu wollen.
Einen abschließenden Appell richtete Van der Bellen an die Jugend, die "die Welt neu bauen werden". Das Land sei auf den Mut der Jungen angewiesen, auf deren Leidenschaft, Widerspruch, Respekt und vor allem Zuversicht: "Wir brauchen Euch!"
"Nach bestem Wissen und Gewissen"
Sonja Ledl-Rossmann, als Präsidentin des Bundesrates turnusgemäß auch Vorsitzende der Bundesversammlung, nahm die Angelobung des neuen Staatsoberhaupts vor. Alexander Van der Bellen leistete das Gelöbnis mit den Worten: "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde."
Die Präsidentin des Nationalrats, Doris Bures, erinnerte an die 202 Tage währende Zeitspanne ohne amtierenden Bundespräsidenten - bedingt durch Stichwahlanfechtung und -verschiebung - mit den Worten: "Was lange währt, wird endlich gut." Die Bürger würden sich nun einen "überparteilichen Anwalt" in der Hofburg erwarten sowie die Fortsetzung der von Alt-Bundespräsident Heinz Fischer gepflegte Tradition, die weitreichenden Befugnisse des Amtes behutsam auszuüben.
"Staatsoberhaupt für alle Österreicher"
"Der neu gewählte Bundespräsident muss zu einem Staatsoberhaupt für alle Österreicher werden und das Land zusammenführen": Das hatte Kardinal Christoph Schönborn in seiner Gratulation an Van der Bellen noch am Abend nach der Bekanntgabe des Bundespräsidentenwahlergebnisses betont. Er wünsche ihm "Gottes Segen für sein hohes Amt ... eine gute Hand für das Miteinander, das Österreich zu einem stabilen, freien und auch prosperierenden Land gemacht hat. Und ich wünsche ihm ein gutes Gespür für die Aufgabe Österreichs in Europa und in der Welt," so der Vorsitzende der Bischofskonferenz am 4. Dezember 2016 im Interview mit "Kathpress".
Ähnlich äußerten sich danach auch weitere Vertreter der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Österreich - so der lutherische Bischof Michael Bünker und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. Bünker sah in der hohen Wahlbeteiligung und dem klaren Ergebnis den nötigen Rückhalt für die Bewältigung der herausfordernden Aufgabe Van der Bellens. Deutsch nannte es ein "positives Signal an Europa", dass sich die österreichische Bevölkerung für einen Präsidenten entschieden habe, "der Weltoffenheit und Unparteilichkeit garantiert und das Wohl des Landes voranstellt".
Quelle: kathpress