Buch ist Internet und Handy überlegen
Die Kinder- und Jugendbuchautorin Renate Welsh ist der Überzeugung, dass das Buch nicht in Konkurrenz zu anderen Medien und Kommunikationskanälen wie Internet, Smartphone oder Facebook steht. Das Buch biete "eine ganz andere Unmittelbarkeit der Erfahrung an", sagte die 79-Jährige im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (Ausgabe 22. Jänner). Es werde von den Lesenden "angefüllt mit eigenen Erfahrungen, eigenen Wünschen, Hoffnungen und Ängsten". Somit entstehe beim Lesen "etwas zutiefst Persönliches", betonte Welsh. "Dieser ganz spezielle kreative Prozess ist nicht ersetzbar."
Das gelte besonders für Heranwachsende. Kinder bekämen durch Bücher "das Gefühl, nicht allein zu sein, einen Freund gefunden zu haben, eine eigene Welt aufgebaut zu haben". Wenn lesende Kinder die Erfahrung gemacht haben, durch Texte, die sie mit ihren Träumen, Ängsten und Fantasien anreichern, gleichsam selbst "schöpferisch tätig" zu sein, werden sie - so die Überzeugung der Schriftstellerin - immer wieder zu Büchern greifen. Es sei übrigens nicht wahr, dass Kinder weniger lesen als Erwachsene - ganz im Gegenteil, wie Welsh hinwies. Es komme allerdings darauf an, "dass sie die Technik des Lesens soweit beherrschen, dass Lesen nicht zur Schwerarbeit ausartet und dass sie zur richtigen Zeit das richtige Buch in die Hände bekommen".
Auf die Frage, was Eltern dazu beitragen können, dass ihre Kinder die "richtigen" Bücher lesen, antwortete Welsh: "Zunächst sollten Eltern einmal selbst lesen." Wer selbst Freude an Büchern hat, könne diese Freude auch anderen vermitteln. Dass Bücher einen Anstoß für Gespräche geben können, gehöre zu ihren schönsten Nutzungsmöglichkeiten. Dabei setzt die Kinderbuchautorin auf kindliche Neugier statt auf Zwang: "Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob Kinder lesen dürfen oder lesen müssen."
Als Welsh mit Kinderliteratur begann, wurde sie Teil einer Gruppe renommierter Autorinnen wie Mira Lobe, Christine Nöstlinger und Käthe Recheis, berichtete sie. Damals entstand laut Welsh das sogenannte "Sprachbastelbuch", das immer wieder aufgelegt wird. Heute schreibe sie für Menschen aller Altersgruppen, erzählte die Autorin. Sie sei oft auf Lesereisen unterwegs und leite mit besonderer Begeisterung Schreibwerkstätten.
Die gebürtige Wienerin wuchs als Halbwaisin großteils bei ihren Großeltern im Ausseerland auf. 1953 war Renate Welsh Austauschschülerin in den USA, studierte danach in Wien Englisch, Spanisch und Staatswissenschaften, brach das Studium nach ihrer Heirat ab und arbeitete als Übersetzerin beim British Council. Seit 1962 war sie freiberufliche Übersetzerin und begann nach einer längeren Krankheit 1969, Kinder- und Jugendbücher zu schreiben, z.B. "Das Vamperl" (1979). Seit 1975 ist Welsh freie Schriftstellerin und schreibt seit 1988 auch für Erwachsene. Für ihr Schaffen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur sowie mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.
Quelle: kathpress