Kirchen warnen vor Populismus in Politik und Religion
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der römisch-katholischen Pfarre St. Johann Nepomuk in Wien-Leopoldstadt gedachten die christlichen Kirchen am Dienstagabend ihrer jüdischen Wurzeln und ihrer Verantwortung für den mitverschuldeten Antijudaismus und Antisemitismus. Zu dem Gottesdienst am "Tag des Judentums" (17. Jänner) eingeladen hatte der Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Für die Predigt verantwortlich zeichnete der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner, der aber erkrankt war. Im christlich-jüdischen Dialog gehe es um das "Überschreiten von Grenzen und das gegenseitige Zuhören", womit sich so manches Vorurteil überwinden lasse, zitierte deshalb die methodistische Pastorin Esther Handschin aus dem Predigtmanuskript Lederleitners.
Darin warnte dieser auch vor der "Versuchung des Populismus", nicht nur in der Politik, sondern auch in der Religion. Gerade in der gegenwärtigen komplexen gesellschaftlichen Situation sei die Versuchung groß, "nicht nur nach starken Männern oder auch starken Frauen zu rufen sondern auch nach einer starken Religion oder Ideologie", so Lederleitner wörtlich.
Im christlich-jüdischen Dialog sei u.a. die vor allem in den 1970er-Jahren populäre christliche Rede vom Volk Gottes zu hinterfragen, denn: "Wie steht das Volk Gottes zu anderen Völkern?" Und: "Wenn es eine Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen gibt. Wer hat das Recht, eine solche Geschichte zu erzählen? Wie kommen die anderen in dieser Geschichte vor? Welche Rolle dürfen sie spielen?"
Eine Theologie der Begegnung der Religionen und des Miteinanders werde um solche Fragen nicht herumkommen und auch das christlich-jüdische Gespräch werde sich damit befassen müssen, so Lederleitner.
Unter den Teilnehmern des Gottesdienstes waren u.a. der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Landessuperintendent Thomas Hennefeld, der Wiener Weihbischof Franz Scharl, die früheren methodistischen Superintendenten Helmuth Nausner und Lothar Pöll, der Wiener lutherische Superintendent Hans Jörg Lein und der Chorepiskopos der syrisch-orthodoxen Kirche, Emanuel Aydin; weiters auch Dechant Ferenc Simon, Beauftragter der Erzdiözese Wien für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Die Initiative zum "Tag des Judentums" geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums am 17. Jänner begangen. Dieses Datum ist bewusst gewählt: Den Geist dieses Tages sollen die Kirchen in die anschließende weltweite "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18. bis 25. Jänner) weitertragen. Denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter.
Weitere Informationen zu Veranstaltungen rund um den "Tag des Judentums" sind im Internet auf der Website des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit unter www.christenundjuden.org sowie auf der Website des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich unter www.oekumene.at abrufbar.
Quelle: kathpress