Pastoraltagung lenkt Blick auf "ziemlich unerkannten" Jesus
"Like Jesus": Mit diesem vieldeutigen Titel stellt die Österreichische Pastoraltagung 2017 die Zentralgestalt des christlichen Glaubens in den Kontext der modernen Kommunikationsgesellschaft mit den in sozialen Medien üblichen "Likes". Auch wenn Jesus Christus in seinem Wort, im Sakrament und in der Gemeinschaft seiner Gläubigen gegenwärtig sei, bleibe er heute oft "ziemlich unerkannt oder sogar irrelevant", zeigten sich Walter Krieger und Anna Findl-Ludescher vom veranstaltenden Österreichischen Pastoralinstitut (ÖPI) realistisch. Den "vielfältigen Spuren Jesu" nachzugehen, "um ihn immer wieder neu wahrzunehmen und dabei Inspiration für unsere pastoralen Engagements zu finden", steht ab Donnerstag im Mittelpunkt der Veranstaltung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil.
Die Pastoraltagung ist die größte kirchliche Seelsorge-Fortbildungsveranstaltung in Österreich, mehr als 300 Mitarbeitende in Seelsorge und Religionspädagogik sowie Interessierte aus dem In- und dem benachbarten Ausland nehmen bis Samstag daran teil. Auch hochrangige Kirchenvertreter sind in St. Virgil dabei: die Bischöfe Alois Schwarz (Klagenfurt), Manfred Scheuer (Linz) und Franz Lackner (Salzburg), die Altbischöfe Maximilian Aichern (Linz) und Paul Iby (Eisenstadt), Diözesanadministrator Jakob Bürgler (Innsbruck), der Generalsekretär der Bischofskonferenz Peter Schipka, Abtpräses Christian Haidinger von der Superiorenkonferenz der Männerorden, Gerda Schaffelhofer und Theo Quendler als Präsidenten der Katholischen Aktion bzw. des Katholischen Laienrats sowie als Vertreter der Ökumene Superintendent Olivier Dantine (Salzburg und Tirol), der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic und der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner.
Jesus suchte Gemeinschaft mit Sündern
Bischof Schwarz wies in der liturgischen Eröffnung darauf hin, dass Jesus nicht nur das individuelle Heil Einzelner im Blick hatte, sondern Menschen zusammenführen wollte; auch Ausgegrenzte habe er bewusst in die Gemeinschaft hineingenommen.
Diesen Gedanken präzisierte der Bamberger Neutestamentler Joachim Kügler in seinem Eröffnungsvortrag über die "sakramentale Pastoral" Jesu. Er verwies auf Jesu für die Pharisäer anstößige Mahlgemeinschaft mit "Zöllnern und Sündern", von der im Neuen Testament mehrmals die Rede ist. Zöllner seien zu Lebzeiten Jesu "Blutsauger" mit einer "Lizenz zum Ausbeuten" gewesen, die als Handlanger des römischen Imperiums tatsächlich sündhaft gewirkt hätten. Kügler bekannte, als junger Priester in den 1970er-Jahren geprägt gewesen zu sein vom damaligen theologischen "Mainstream", Sünder als Opfer eines Systems und zu Unrecht Ausgestoßene zu verstehen. Davon sei er aber abgekommen, so der Bibelwissenschaftler: Jesus habe sich mit wirklichen Sündern abgegeben - im Sinne des Bibelworts, nicht die Gesunden und Starken bräuchten einen Arzt, sondern jene, denen es schlecht geht.
Für Kügler ist dies eine Anfrage an die Kirche, die er auch dem Auditorium stellte: Wie könnte heute eine Seelsorge für real sündhaft Lebende aussehen? Was wäre überhaupt als "Sünde" zu benennen - was laut dem Theologen Aufgabe der Kirche wäre? Und was hieße es für die öffentliche Wahrnehmung der Kirche, würde sie sich nach dem Beispiel Jesu verstärkt Sündern - Kügler nannte als Beispiele Kinderschänder, Terroristen und Waffenproduzenten - zuwenden?
Was kann heute "Sünderpastoral" heißen?
In der Diskussion darüber sagte der bayerische Wissenschaftler, Jesus habe als damals "Macht- und Rechtloser" in einer Randzone des damaligen Weltreiches "kein Programm zur Änderung politischer Strukturen" gehabt. Aber schon allein seine Zuwendung zu unterschiedlich bedürftigen Individuen und der darin zum Ausdruck kommenden Zuschreibung unbedingter Würde sei "ein politisches Statement" in einer Ära, da Einzelne bestenfalls Mittel zum Zweck der Verherrlichung des römischen Gottkaisers gewesen seien. Im Sinne Jesu weiterzuwirken, könnte für die heute einflussreiche und - da nicht mit täglichem Überlebenskampf befasst - mit Räumen zur Reflexion ausgestatteten Kirche durchaus heißen, sich den "Strukturen des Bösen" entgegenzustellen.
Was "Sünderpastoral" heute bedeuten könnte, konkretisierte Kügler am Beispiel des Missbrauchs im kirchlichen Bereich: Es reiche nicht, den Opfern Geld zu geben, und es genüge auch nicht, zu Tätern gewordene Priester "in der Versenkung verschwinden zu lassen". Wie bei der Aufarbeitung des Apartheid-Systems in Südafrika sollte die Kirche einen Rahmen für die Begegnung zwischen Tätern und Opfern schaffen: Ziel müsse die Reue der ersteren und die Vergebung der letzteren sein - und damit die "Erlösung" für beide, wie Kügler sagte.
Quelle: kathpress