Wiedereintretende suchen spirituelle Verankerung und Gemeinschaft
Wenn Ausgetretene in die Kirche zurückkehren, dann steht dabei der Wunsch nach spiritueller Verankerung und Gemeinschaft im Vordergrund. Zu dieser Einschätzung kamen kirchliche Experten bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Comeback nach dem Austritt" am Dienstagabend in Wien. Am Gespräch beteiligten sich der Wiener Dompfarrer Toni Faber, die Pastoraltheologin Prof. Regina Polak und der Franziskaner Benno Mikocki. Aktuelle Anlass dafür war die am Dienstag veröffentlichte Kirchenstatistik. Mit 54.886 Kirchenaustritten gab es 2016 einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr mit 56.599 Kirchenaustritten. Gleichzeitig ist die Zahl der Wiedereintritte leicht gestiegen auf 5.265 (2015: 5.064). Diese Zahlen seien zwar hoch, so Polak, aber im europäischen Vergleich "kein Grund zur Panik".
Die Kirche müsse "keine Angst haben, dass sie verschwindet", konstatierte der Wiener Dompfarrer Anton Faber, der für einen differenzierten Blick auf Ausgetretene plädierte. Die allermeisten von ihnen seien weiterhin gläubig, nur ein ganz kleiner Teil sei explizit atheistisch. Die Kirche sei von daher gefordert, auf diese Menschen zuzugehen und sie willkommen zu heißen, wie es Papst Franziskus selbst vorlebe. "Wiedereintritte haben Vorrang und die Gelegenheit dafür ist großartig", betonte der Seelsorger, der im vergangenen Jahr 100 ausgetreten Katholiken wieder in die Dompfarre aufnehmen konnte.
"Ausgetretene sind Kirchensympathisanten"
"Ausgetretene sind Kirchensympathisanten", dies könne er nach 25-jähriger Erfahrung im intensiven Umgang mit Wiedereintretenden sagen, so Faber. Es gelte im Umgang mit latent Eintrittswilligen auf die je individuelle Situation menschlich einzugehen. Oft spielten dabei persönliche Krisen eine Rolle. Bei vielen anderen sei es der an einen Ausgetretenen herangetragenen Wunsch, als Tauf- oder Firmpate zu fungieren. Nicht selten würden diese Menschen gleichzeitig dabei die Erfahrung machen, "dass Gott sie dazu berufen hat". Andere hätten die "Ursehnsucht, wieder Frieden zu finden". Der Dompfarrer nannte als Beispiel dafür den Schauspieler Götz Kaufmann, den Faber drei Wochen vor seinem Ableben wieder in die Kirche aufnehmen konnte. Bei allen Begegnungen mit Ausgetretenen gelte es offen für den Glauben zu sein, "das Gottesgerücht am Leben zu halten", so der Dompfarrer.
Für eine differenzierten Blick auf den Kirchenaustritt plädierte auch Polak. So sei Kirchenaustritt selten ideologisch motiviert, sondern oft Folge einer Servicementalität: Wenn man für sich keinen Nutzen in einer Kirchenmitgliedschaft sehe, trete man leichter aus. Studien würden belegen, das zwei Gründe dafür maßgeblich seien, weshalb Menschen weiterhin in der Kirche blieben, auch wenn sie mit ihr Probleme hätten: "Die Eingebundenheit in eine den Alltag prägende christliche Gemeinschaft und die religiöse Bindung im Sinne einer Gottesbeziehung", so die an der Universität Wien Lehrende.
Sozialkompetenz und Intellektualität
Österreich sei im europäischen Vergleich mit 60 Prozent Kirchenmitgliedern weiterhin überdurchschnittlich katholisch, so Polak. Das Kleinerwerden von Institutionen aufgrund der verstärkten gesellschaftlichen Individualisierung und Fragmentierung könne auch als Normalisierung gesehen werden. "Kirchen geht es dabei besser als politischen Parteien", so die Pastoraltheologin.
Es gelte die jetzige Phase, wo die Kirche noch über genügend Personal und Mittel verfüge, zu nutzen, um sich zu konsolidieren und die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen, mahnte Polak gleichzeitig an, die drei Herausforderungen ortetet: Wie kann die Kirche aufgrund der bestehenden Milieuverengung pluraler Aufgestellt werden? Wie kann die Kirche junge Menschen und vor allem die gebildeten erreichen und wie geht sie insgesamt mit den demografischen und migrantischen Veränderungen um?
Ein Blick auf die Wachsen der Urkirche könne dabei hilfreich sein, führte Polak weiter aus. Christen hätten damals Solidarnetze gebildet, Nachbarschaft gelebt und sich jener angenommen, um die sich niemand mehr gekümmert hat. Sie hätten dabei nicht nur die Armen erreicht, sondern auch die Eliten, weil es ihnen gelungen sei, den christlichen Glauben intellektuell darzustellen. Angesichts der drohenden Vereinsamung und der sozialen Nöte sollte sich die Kirche hier ansetzen und gleichzeitig eine zeitgemäße Sprache in der Glaubensweitergabe entwickeln.
Auch RSK-Gründer Pavlicek kehrte zurück
Als Teil einer Veranstaltungsreihe im Rahmen des 70-Jahr-Jubiläums des "Rosenkranz-Sühnekreuzzugs" (RSK) fand die Diskussion im Wiener Franziskanerkloster statt, dem der RSK-Gründer Pater Petrus Pavlicek angehörte. P. Benno Mikocki, der lange Zeit an der Seite von Pacvlicek wirkte und nach dessen Tod die Leitung der Gebetsgemeinschaft übernahm, wies auf eine wenig bekannt Seite aus der Biografie von Pater Petrus hin: Dieser war 1921 in jungen Jahren unter seinem bürgerlichen Namen Otto Pavlicek aus der Kirche ausgetreten, fand jedoch zum Glauben zurück und wurde schließlich am 15. Dezember 1935 wieder in die katholische Kirche aufgenommen. Zwei Jahre später wurde er Franziskaner und nahm den Ordensnamen Petrus an. Als Priester und im Rahmen seines Wirkens für den RSK widmete er sich mit verschiedenen Initiativen gezielt Fernstehenden und Ausgetretenen.
Die Gebetsgemeinschaft wisse sich diesem Anliegen weiterhin verpflichtet, so Pater Mikocki. Entscheidend im Umgang mit Ausgetretenen und Suchenden bleibe dabei die Gottesfrage. "Wer hilft den Fragenden, Suchenden, Zweifelnden?" so der Franziskanerpater, der sich überzeugt zeigte, dass Menschen Gründe für eine über das Leben hinausreichende Hoffnung aus dem Glauben bräuchten. Die Kirche müsse die Antworten auf die letzten Fragen zur Sprache bringen, damit Ausgetretene wieder zu ihr zurückfinden könnten, zeigte sich Pater Mikocki überzeugt.
Quelle: kathpress