Katholische Organisationen suchen Strategien gegen Hass im Netz
Ohne mehr Medienkompetenz und entsprechende Bewusstseinsbildung bei Medienkonsumenten sowie -produzenten wird es nicht möglich sein, dem zunehmenden Hass im Internet wie generell in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Das war der Tenor einer Podiumsveranstaltung, zu der am Montagabend die Katholische Frauenbewegung Österreichs, die Katholische Frauenbewegung der Erzdiözese Wien sowie die Katholische Aktion der Erzdiözese Wien eingeladen hatten.
Die sozialen Netzwerke seien nicht kontrollierbar und hätten sich zu einer "brutalen Maschinerie" ausgewachsen, in der jeder seine Quellen zur Bestätigung der eigenen Sicht auswählt, so der Befund Catrin Kahlweits, Mittel- und Osteuropa-Korrespondentin der "Süddeutschen Zeitung". Die meisten Menschen bewegten sich in digitalen "Blasen", die ihnen eine breite Übersicht über die Wirklichkeit nicht erlaubten. Sie könne nur dazu aufrufen, eine Vielzahl von Quellen zu nutzen, um möglichst viele Perspektiven wahrzunehmen, so Kahlweit.
Astrid Zimmermann, Generalsekretärin des Wiener "Presseclubs Concordia", forderte Medienkompetenz als Gegenstand sowohl in der Schul- als auch der Lehrerausbildung. In beiden Bereichen konstatierte sie derzeit einen "Notstand". "Wenn etwa Schüler selbst Radio oder Zeitung machen, dann erfahren sie im Tun, was es bedeutet, anhand gewisser Kriterien Quellen auszuwählen", so Zimmermann.
Einen Appell richtete Zimmermann aber auch an Journalisten, sorgsam im Umgang mit Quellen zu verfahren und - auch im Sinne der Aufklärung und Sensibilisierung von Konsumenten - die verwendeten Quellen verlässlich anzugeben: "Es braucht auch Bildungsarbeit bei Journalisten."
Kahlweit hielt es in diesem Zusammenhang vor allem für wichtig, bei Journalisten ein Bewusstsein für "framing", also die Konnotierung von Sprache mit bestimmten Welt- und Menschenbildern, zu schaffen. Oft würden bewusste Konnotierungen von Worten und Begriffen und damit deren ideologische Vereinnahmung unreflektiert übernommen, etwa, wenn mit den Ausdrücken "Flüchtlingsflut" oder "Flüchtlingswelle" der an sich neutrale Begriff "Flüchtling" in Verbindung mit einem Ausdruck aus dem Bereich bedrohlicher Naturkatastrophen eine grundsätzlich negative Wertung erfährt. Hilfreich sei eine regelmäßige Sprach- und Blattkritik in Redaktionen, wie sie etwa bei der "Süddeutschen Zeitung" geübt werde, auch mit Experten von außerhalb. Der Umgang mit Sprache bedeute eine "tägliche Gratwanderung", sagte Kahlweit.
Falschmeldungen aufdecken
Hanna Herbst, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins "Vice Alps", sah es als zunehmende Aufgabe von Medien an, Falschmeldungen aufzudecken und die bewusste Steuerung von Diskursen sichtbar zu machen, auch auf die Gefahr hin, durch die Auseinandersetzung mit Falschmeldungen deren Inhalt und Wirkung zu verstärken. Kahlweit wies in diesem Zusammenhang auf verdeckte russische Organisationen hin, die im Auftrag des Staates Manipulationen im Internet mithilfe fingierter Identitäten in Online-Foren und im Kommentarbereich von Nachrichten-Seiten betreiben und die öffentliche Stimmung in ihrem Sinn zu beeinflussen suchten.
Hassmails an Journalisten
Hassmails an Journalisten, auch sexualisierter Natur, insbesondere gegenüber Frauen, blieben nicht ohne Wirkung, bestätigten Herbst und Kahlweit aus eigener Erfahrung. "50 Mails dieser Art an einem Tag machen einen schon betroffen und machen auch Angst", so Kahlweit. Dahinter stünde der Versuch, Menschen klein zu machen und durch Erniedrigung zu beeinträchtigen. Zimmermann empfahl, im Falle von Angriffen die Gegenrede zu üben, auch wenn sie keine große Wirkung zeitigen würde. "Es braucht Menschen im Netz, die dagegenhalten", so Zimmermann.
Eine Strategie, die in Großbritannien angewendet werde, sei es, Hass verbreitende Medien nicht mehr mit der Schaltung von Anzeigen zu unterstützen. Ein Vorgehen, das auch in Österreich angewendet werden sollte, so die drei Medienvertreterinnen übereinstimmend. Nach wie vor schalteten die öffentliche Hand, Kommunen und Ministerien großzügig Anzeigen etwa in Boulevardmedien, kritisierten sie. Auch die Subventionspolitik im Bereich der Medien sei höchst fragwürdig und reformbedürftig.
Eine weitere Gegenstrategie im Umfeld negativer, Hass schürender öffentlicher Debattenkultur läge in der Verstärkung eines "constructive journalism", so Zimmermann. Eine verstärkt positiv ausgerichtete Berichterstattung darüber, wie Dinge gelingen und gut funktionieren, würde ein Gegengewicht schaffen, fordere aber gleichzeitig dazu heraus, sich damit klar von PR-Strategien abzugrenzen.
Quelle: kathpress