Evangelische Kirche: Kopftuchdebatte "unnötig"
Die Evangelische Kirche in Österreich hält die aktuelle Kopftuchdebatte für "unnötig und dem gesellschaftlichen Klima abträglich", wie es in einer Stellungnahme des Evangelischen Oberkirchenrates A. u. H.B. vom Mittwoch heißt. Das Leitungsgremium der Kirche appelliert an die verantwortlichen Politiker, nicht ein Klima zu schüren, das von Verdächtigungen und Unterstellungen gegen eine bestimmte Glaubensgemeinschaft geprägt ist, sondern die Glaubenspraxis aller Religionsgemeinschaften, zu der auch das sichtbare Tragen religiöser Symbole gehören kann, zu respektieren und zu schützen.
Wenig Verständnis für die derzeitige Diskussion hat Peter Krömer, Präsident der Synode A.B. und der Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich. In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, so der Experte in Fragen der Religionsfreiheit auf europäischer Ebene, sei der Umgang mit religiösen Symbolen bereits geregelt, wie er gegenüber dem Evangelischen Pressedienst unterstrich. Für die Schule sagt Krömer: "Das Problem liegt nicht im Tragen einer Kopfbedeckung aus religiösen Gründen oder eines religiösen Symbols, wesentlich ist die Grundeinstellung des Lehrers bzw. der Lehrerin zum österreichischen Staat, dessen Verfassung und Grundordnung sowie in der Durchführung des Unterrichts."
Für Personen, die im Hoheitsbereich eines Staates für diesen im Rahmen von Amtshandlungen tätig sind, etwa Richter, Exekutivbeamte oder Beamte der Justizwache, könnten Einschränkungen der Religionsfreiheit durch das Verbot des Tragens einer religiösen Kopfbedeckung sowie sonstiger religiöser Symbole durchaus zulässig und gerechtfertigt sein, so der Synodenpräsident. Dies stehe im Zusammenhang mit der gebotenen Neutralität des Staates. Letztgenanntes werde in Österreich allerdings bereits gehandhabt, daher sei die diesbezügliche Diskussion "entbehrlich", so Krömer.
Dies bedeute allerdings nicht, dass beispielsweise nicht ein Richter das Gerichtsgebäude zunächst mit einer religiösen Kopfbedeckung betreten darf, ebenso die Parteien bzw. rechtsschutzsuchende Bevölkerung mit einer religiösen Kopfbedeckung und religiösen Symbolen wie Halskette mit Kreuz im Gerichts- und Verwaltungsgebäude erscheinen und dort auch entsprechend auftreten kann. Eine Vollverschleierung während Amtshandlungen wie der Einvernahme als Zeuge oder Angeklagter werde sicherlich in allen Fällen religionsrechtlich einwandfrei verboten sein dürfen, dies sei in Europa bereits gängige Rechtspraxis.
Das Verbot des Tragens von Kopftüchern, aber auch Halsketten mit religiösen Symbolen wie dem Kreuz in Krankenhäusern, und zwar in Operationssälen, für Mediziner und Gesundheitspersonal, ebenso für Köche in Küchen aus Gesundheitsgründen, Hygienevorschriften und dergleichen werde sicherlich zulässig sein, nicht allerdings ein generelles Verbot des Tragens einer religiösen Kopfbedeckung oder religiöser Symbole für die Besucher eines Krankenhauses, erklärt der Jurist.
Duzdar pocht auf Selbstbestimmung der Frau
"Mir geht es um die Selbstbestimmung der Frau. Es geht darum, dass Frauen das tun können, was sie wollen": Das unterstrich die für Religionsgemeinschaften zuständige Staatssekretärin Muna Duzdar zur aktuellen Kopftuchdebatte in der "Wiener Zeitung" am Mittwoch. Wenn eine Frau kein Kopftuch wolle, "darf es weder Zwang noch Druck geben, irgendeinen Stoff zu tragen, so die erste Muslimin in der Bundesregierung. "Genauso gilt aber umgekehrt, dass die Frauen die Möglichkeit haben müssen, das Kopftuch freiwillig zu tragen, wenn sie das wollen."
Sie selber respektiere "Benimmregeln in Sakralbauten" und trage das Kopftuch in der Moschee, weigere sich aber herumzustreiten, wie viele Haare hervorlugen dürfen. Dass Vertreter von religiöser oder weltlicher Obrigkeit Frauen Kleidungsvorschriften machen, ist für Duzdar inakzeptabel: "Dann müssen sich Frauen dagegen auflehnen ..., da geht es um Selbstbestimmung und Freiheit der Frau".
Kritik äußerte die Staatssekretärin, wie die Debatte derzeit geführt werde: "Geht es in der Diskussion um Säkularismus? Oder geht es vielleicht um etwas anderes?" Wenn das Thema Säkularismus sei, dann sei eine "ehrliche Debatte über religiöse Kleidungssymbole" insgesamt erforderlich. Ihr Verdacht sei, so Duzdar, dass es Proponenten letztlich darum gehe, "eine bestimmte Gruppe herauszupicken und gegen die Mitglieder dieser Religion Stimmung zu machen".
"Pax Christi" gegen Verbot
Gegen ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst hat sich am Mittwoch auch die kirchliche Friedensbewegung "Pax Christi" ausgesprochen. Deren Österreich-Sektion appellierte in einer Aussendung an die Bundesregierung, im Rahmen des neuen Integrationsgesetzes auf das Kopftuchverbot zu verzichten.
Viele Muslime würden die Forderung nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst als einseitige Diskriminierung ihrer Religion empfinden. Frauen, die aus religiösen Gründen das Kopftuch tragen, würden de facto ein Berufsverbot erhalten, kritisierte Pax Christi. Der Hinweis von Integrationsminister Sebastian Kurz auf die "Vorbildfunktion" des öffentlichen Dienstes bedeute außerdem, dass Frauen mit Kopftuch offenbar keine Vorbilder sein können, monierte die Friedensbewegung: "Diese Abwertung ist ungerecht und erschwert darüber hinaus die Integration muslimischer Frauen."
Das Kopftuch generell als Zeichen von Zwang und Unterdrückung zu betrachten, ignoriere zudem die Tatsache, "dass viele Kopftuchträgerinnen dies nicht nur freiwillig tun, sondern auch durchaus selbstbewusst und emanzipiert sind". Wenn der Staat Bekleidungsvorschriften erlässt, so müssten diese sachlich begründet und für die spezifische Berufsausübung notwendig sein, beispielsweise im Hinblick auf Sicherheits- oder Hygienebestimmungen. Auf ein allgemeines Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst treffe dies aber sicherlich nicht zu. Deshalb wäre ein solches Verbot ein "unzulässiger Eingriff des Staates in die persönliche Freiheit sowie die freie Religionsausübung".
Pax Christi erinnerte an eine Aussage von Papst Franziskus: "Wenn eine muslimische Frau ein Kopftuch tragen will, muss sie das tun können, ebenso wie ein Katholik, der ein Kreuz tragen will".
Quelle: kathpress