Botschaft zum Weltfriedenstag 1990
Botschaft Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. zur Feier des Weltfriedenstages
1. Januar 1990
„FRIEDE MIT GOTT DEM SCHÖPFER, FRIEDE MIT DER GANZEN SCHÖPFUNG“
Einleitung
1. In unseren Tagen bemerkt man ein wachsendes Bewußtsein dafür, daß der Weltfriede außer durch den Rüstungswettlauf, die regionalen Konflikte und die noch immer bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen den Völkern und Nationen auch durch den Mangel an der gebührenden Achtung gegenüber der Natur, durch die Ausbeutung ihrer Ressourcen und durch die fortschreitende Verschlechterung der Lebensqualität bedroht ist. Eine solche Situation schafft ein Gefühl der Ungewißheit und Unsicherheit, das seinerseits Formen von kollektivem Egoismus, Güterhäufung und eigenmächtigem Handeln begünstigt. Angesichts der verbreiteten Verschlechterung der Umwelt wird sich die Menschheit nunmehr dessen bewußt, daß sie nicht fortfahren kann, die Güter der Erde so zu gebrauchen, wie sie es in der Vergangenheit getan hat. Die öffentliche Meinung wie die verantwortlichen Politiker sind darüber in Sorge, Wissenschaftler der verschiedenen Fachbereiche erforschen die Ursachen. Es bildet sich so ein ökologisches Bewußtsein, das nicht unterdrückt werden darf, sondern vielmehr gefördert werden muß, so daß es sich weiterentwickelt und ausreift, indem es in konkreten Programmen und Initiativen einen angemessenen Ausdruck findet.
2. Nicht wenige ethische Werte, die für die Entwicklung einer friedlichen Gesellschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind, haben eine direkte Beziehung mit der Umweltfrage. Die gegenseitige Abhängigkeit vieler Herausforderungen, denen sich die heutige Welt stellen muß, unterstreicht die Notwendigkeit von koordinierten Lösungen, die in einer kohärenten sittlichen Weltanschauung gründen. Eine solche Sicht stützt sich für den Christen auf die religiösen Überzeugungen, die sich von der Offenbarung herleiten. Deshalb möchte ich am Anfang dieser Botschaft auf den biblischen Schöpfungsbericht hinweisen und wünschen, daß jene, die unsere Glaubensüberzeugungen nicht teilen, hier ebenfalls nützliche Anregungen für eine gemeinsame Linie in den Überlegungen und Initiativen finden können.
I. „Gott sah, daß es gut war“
3. Auf den Seiten der Genesis, welche die erste Selbstoffenbarung Gottes an die Menschheit enthalten (Gen 1-3), wiederholen sich wie ein Refrain die Worte „Gott sah, daß es gut war“. Als Gott aber, nachdem er den Himmel und das Meer, die Erde und alles, was sie enthält, erschaffen hatte, Mann und Frau erschafft, ändert sich der Ausdruck in bemerkenswerter Weise: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1, 3 1). Gott vertraute Mann und Frau die übrige Schöpfung an, und dann - so lesen wir - ruhte er, „nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“ (Gen 2, 2).
Die Berufung von Adam und Eva, an der Verwirklichung des göttlichen Planes mit der Schöpfung teilzunehmen, forderte jene Fähigkeiten und Gaben heraus, die die menschliche Person von jeder anderen Kreatur unterscheidet, und begründete zugleich eine geordnete Beziehung zwischen den Menschen und allem Geschaffenen. Nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen, sollten Adam und Eva ihre Herrschaft über die Erde mit Weisheit und Liebe ausüben (Gen 1, 28). Durch ihre Sünde zerstörten sie jedoch die bestehende Harmonie, da sie sich vorsätzlich dem Plan des Schöpfers widersetzten. Das führte nicht nur zur Entfremdung des Menschen von sich selber, zu Tod und Brudermord, sondern auch zu einer gewissen Auflehnung der Erde ihm gegenüber (vgl. Gen 3, 17-19; 4, 12). Alles Geschaffene wurde der Vergänglichkeit unterworfen und wartet seitdem in geheimnisvoller Weise darauf, befreit zu werden, um zusammen mit allen Kindern Gottes zur Freiheit und Herrlichkeit zu gelangen (vgl. Röm 8, 20-21).
4. Die Christen bekennen, daß sich im Tod und in der Auferstehung Christi das Werk der Versöhnung der Menschheit mit dem Vater vollzogen hat, der „,durch ihn alles ... versöhnen (wollte). Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1, 19-20). Die Schöpfung wurde so erneuert (vgl. Apk 21, 5). Über sie, die zuerst der „Sklaverei“ des Todes und der Verderbnis unterworfen war (vgl. Röm 8, 21), hat sich ein neues Leben ergossen, während wir „einen neuen Himmel und eine neue Erde (erwarten), in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3, 13). So hat der Vater uns „das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen“ (Eph 1, 10).
5. Die biblischen Überlegungen erhellen besser die Beziehung zwischen dem menschlichen Handeln und der Integrität der Schöpfung. Wenn der Mensch vom Plane Gottes, des Schöpfers, abweicht, verursacht er eine Unordnung, die sich unausweichlich auf die übrige Schöpfung auswirkt. Wenn der Mensch nicht mit Gott im Frieden ist, ist die Erde selbst nicht im Frieden: „Darum soll das Land verdorren, jeder, der darin wohnt, samt den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels; auch die Fische im Meer sollen zugrunde gehen“ (Hos 4, 3).
Die Erfahrung dieses „Leidens“ der Erde ist auch jenen gemeinsam, die nicht unseren Glauben an Gott teilen. Denn die zunehmenden Verwüstungen in der Natur durch das Verhalten von Menschen, die gleichgültig sind gegenüber den innersten und doch klar erkennbaren Erfordernissen der Ordnung und der Harmonie, die in ihr walten, liegen vor aller Augen.
Man fragt sich darum mit Sorge, ob es für die hervorgerufenen Schäden noch eine Abhilfe geben kann. Es ist offensichtlich, daß eine geeignete Lösung nicht einfach in einer besseren Verwaltung oder in einem weniger irrationalen Gebrauch der Ressourcen der Erde bestehen kann. Auch wenn man den praktischen Nutzen solcher Maßnahmen anerkennt, scheint es doch notwendig, zu den Ursachen vorzudringen und sich mit der tiefen moralischen Krise insgesamt auseinanderzusetzen, von der die Verschlechterung der Umwelt einer der besorgniserregendsten Aspekte ist.
II. Die ökologische Krise: ein sittliches Problem
6. Einige Elemente der gegenwärtigen ökologischen Krise enthüllen auf deutliche Weise ihren sittlichen Charakter. Zu ihnen ist an erster Stelle die unterschiedslose Anwendung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts zu zählen. Viele in jüngster Zeit gemachte Entdeckungen haben der Menschheit unleugbare Vorteile gebracht; ja, sie zeigen sogar, wie edel die Berufung des Menschen ist, verantwortlich am schöpferischen Wirken Gottes in der Welt teilzunehmen. Man muß jedoch feststellen, daß die Anwendung einiger Entdeckungen im industriellen und landwirtschaftlichen Bereich langfristig negative Folgen verursacht. Das hat überdeutlich gezeigt, wie kein Eingriff in einen Bereich des Ökosystems davon absehen kann, seine Folgen in anderen Bereichen und allgemein für das Wohl künftiger Generationen mitzubedenken.
Die allmähliche Verminderung der Ozonschicht und der daraus folgende „Serra- Effekt“ haben durch die wachsende Verbreitung der Industrien, der großen städtischen Zusammenballungen und des Energieverbrauchs inzwischen kritische Dimensionen erreicht. Industriemüll, Gasprodukte aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, unkontrollierte Abholzung, Gebrauch einiger Arten von Unkrautvertilgungs- und Kühlmitteln wie von Spraygas: all das schadet bekanntlich der Atmosphäre und der Umwelt. Daraus leiten sich vielfältige meteorologische und atmosphärische Veränderungen ab, deren Wirkungen von Gesundheitsschäden bis zur möglichen künftigen Überschwemmung niedrig gelegener Landstriche reichen. Während in einigen Fällen der Schaden vielleicht nicht mehr zu beheben ist, kann er in vielen anderen Fällen noch aufgehalten werden. Es ist jedoch notwendig, daß die ganze menschliche Gemeinschaft - einzelne, Staaten und internationale Organisationen - ihre eigenen Verantwortungen ernsthaft wahrnimmt.
7. Das tiefste und schwerwiegendste Zeichen dafür, daß der Ökologischen Frage moralische Implikationen innewohnen, besteht aber im Mangel an Achtung vor dem Leben, den man in vielen die Umwelt belastenden Verhaltensweisen antrifft. Oft gewinnen Produktionsgründe die Oberhand über die Würde des Arbeiters, und wissenschaftliche Interessen kommen vor dem Wohl der einzelnen Personen, wenn nicht sogar vor dem ganzer Bevölkerungsgruppen. In solchen Fällen ist die Verschmutzung oder die Zerstörung der Umwelt Frucht einer verkürzten und unnatürlichen Sicht, die bisweilen eine echte und direkte Mißachtung des Menschen darstellt.
In gleicher Weise werden feine ökologische Gleichgewichte durch eine unkontrollierte Zerstörung von Tier- und Pflanzenarten oder durch eine unvorsichtige Ausnutzung der Ressourcen gestört; und das alles - es empfiehlt sich, daran zu erinnern - gereicht, auch wenn es im Namen des Fortschritts und des Wohlstands geschieht, in Wirklichkeit nicht zum Vorteil der Menschheit.
Schließlich kann man nicht ohne tiefe Sorge auf die ungeheuerlichen Möglichkeiten der biologischen Forschung blicken. Vielleicht ist man noch nicht imstande, die durch eine undifferenzierte genetische Manipulation und eine leichtfertige Entwicklung neuer Arten von Pflanzen und Formen von tierischem Leben der Natur zugefügten Störungen richtig abzuschätzen; ganz zu schweigen von nicht annehmbaren Eingriffen in die Ursprünge des menschlichen Lebens selbst. Keinem entgeht, wie in einem so heiklen Bereich die Gleichgültigkeit oder die Verweigerung fundamentaler ethischer Normen den Menschen an die Schwelle der Selbstzerstörung bringen. Die Achtung vor dem Leben und, an erster Stelle, vor der Würde der menschlichen Person ist die fundamentale inspirierende Norm eines gesunden wirtschaftlichen, industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts.
Die Komplexität des ökologischen Problems ist allen offenkundig. Es gibt jedoch einige Grundprinzipien, die unter Achtung der rechtmäßigen Autonomie und der besonderen Kompetenz derer, die sich dafür einsetzen, die Forschung auf geeignete und dauerhafte Lösungen ausrichten können. Es handelt sich um Prinzipien, die wesentlich sind für die Errichtung einer friedlichen Gesellschaft, welche weder die Achtung vor dem Leben noch den Sinn für die Integrität des Geschaffenen außer acht lassen kann.
III. Auf der Suche nach einer Lösung
8. Theologie, Philosophie und Wissenschaft stimmen in der Sicht eines harmonischen Universums überein, d.h. in der Vorstellung eines wirklichen „Kosmos“, ausgestattet mit einer eigenen Integrität sowie einem inneren und dynamischen Gleichgewicht. Diese Ordnung gilt es zu respektieren: Die Menschheit ist berufen, diese Ordnung mit kluger Umsicht zu erforschen, zu entdecken und sie dann so zu gebrauchen, daß ihre Integrität erhalten bleibt.
Andererseits ist die Erde wesentlich ein gemeinsames Erbe, deren Früchte allen zugute kommen sollen. „Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmte, hat das II. Vatikanische Konzil neu betont (Pastorale Konstitution Gaudium et spes, 69). Das schließt direkte Implikationen für unser Problem ein. Es ist nämlich ungerecht, daß einige wenige Privilegierte fortfahren, überflüssige Güter aufzuhäufen, indem sie vorhandene Ressourcen verschwenden, wenn gleichzeitig unzählige Menschen im Elend oder auf der Ebene des Existenzminimums leben. Es ist die dramatische Dimension des ökologischen Problems selbst, die uns lehrt, wie sehr die Gier und der Egoismus, sowohl in ihrer individuellen wie kollektiven Ausprägung, der Ordnung des Geschaffenen entgegengesetzt sind, in die auch die gegenseitige Abhängigkeit voneinander eingeschrieben ist.
9. Die Begriffe von Ordnung im Universum und von gemeinsamem Erbe unterstreichen beide die Notwendigkeit eines Verwaltungssystems der Ressourcen der Erde, das auf internationaler Ebene besser koordiniert ist. Die Dimensionen der Umweitprobleme überschreiten in vielen Fällen die Grenzen der einzelnen Staaten: ihre Lösung kann somit nicht allein auf nationaler Ebene gefunden werden. Es sind in jüngster Zeit einige verheißungsvolle Schritte auf ein solches internationales Vorgehen festzustellen, aber die vorhandenen Instrumente und Einrichtungen sind für die Entwicklung eines koordinierten Aktionsplanes noch unzureichend. Politische Hindernisse, Formen von überzogenem Nationalismus und wirtschaftliche Interessen, um nur an einige Faktoren zu erinnern, verlangsamen oder verhindern geradezu die internationale Zusammenarbeit und die Durchführung wirksamer langfristiger Initiativen.
Die betonte Notwendigkeit einer konzertierten Aktion auf internationaler Ebene führt gewiß nicht zu einer Verminderung der Verantwortung der einzelnen Staaten. Diese müssen nämlich nicht nur die approbierten Normen zusammen mit den Autoritäten anderer Staaten in die Praxis umsetzen, sondern auch im eigenen Innern eine ioökonomische Ordnung fördern mit besonderer Aufmerksamkeit für die am meisten verwundbaren Bereiche der Gesellschaft. Jeder Staat hat im Bereich des eigenen Territoriums die Aufgabe, der Verschlechterung der Atmosphäre und der Biosphäre vorzubeugen, indem er unter anderem die Auswirkungen der neuen technologischen oder wissenschaftlichen Entdeckungen aufmerksam kontrolliert und den eigenen Bürgern die Garantie bietet, nicht Umwelt verschmutzenden Faktoren oder Giftmüll ausgesetzt zu sein. Man spricht heute immer nachdrücklicher vom Recht auf eine sichere Umwelt als einem Recht, das in eine den heutigen Erfordernissen angepaßte Charta der Menschenrechte aufgenommen werden muß.
IV. Die Dringlichkeit einer neuen Solidarität
10. Die ökologische Krise macht die dringende moralische Notwendigkeit einer neuen Solidarität deutlich, besonders in den Beziehungen zwischen den Entwicklungsländern und den hochindustrialisierten Ländern. Die Staaten müssen sich immer solidarischer zeigen und sich einander ergänzen, indem sie gemeinsam die Entwicklung einer natürlichen, sozial friedlichen und gesunden Umwelt fördern. Man kann z.B. von den weniger industrialisierten Ländern nicht verlangen, auf die eigenen jungen Industrien gewisse restriktive Umweltschutznormen anzuwenden, wenn die Industriestaaten diese nicht selbst zuerst in ihrem Innern anwenden.
Ihrerseits dürfen die Länder, die sich auf dem Weg der Industrialisierung befinden, die von anderen Ländern in der Vergangenheit begangenen Fehler moralisch nicht wiederholen, indem sie fortfahren, die Umwelt mit Umwelt belastenden Produkten, exzessiven Abholzungen oder unbegrenzter Ausbeutung nicht regenerierbarer Ressourcen zu schädigen. Im selben Zusammenhang muß man auch dringend eine Lösung für das Problem der Behandlung und der Beseitigung des Giftmülls finden. Kein Plan, keine Organisation wird jedoch imstande sein, die als notwendig erkannten Veränderungen herbeizuführen, wenn die Verantwortlichen der Nationen der ganzen Welt nicht wirklich von der absoluten Notwendigkeit dieser neuen Solidarität überzeugt sind, die die ökologische Krise fordert und die für den Frieden wesentlich ist. Diese Notwendigkeit wird zugleich günstige Gelegenheiten für die Festigung der friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten bieten.
11. Man muß auch hinzufügen, daß kein richtiges ökologisches Gleichgewicht erreicht werden wird, wenn die strukturellen Formen der Armut in der Welt nicht direkt angegangen werden. So haben z.B. die ländliche Armut und die Landverteilung in vielen Ländern zu einer Landwirtschaft für den reinen Lebensunterhalt und zu einer Auslaugung der landwirtschaftlichen Anbauflächen geführt. Wenn der Boden nichts mehr hervorbringt, siedeln viele Bauern in andere Gebiete um, was oft den Prozeß unkontrollierter Abholzung verstärkt, oder sie lassen sich in Ballungszentren der Städte nieder, die bereits arm an Strukturen und Dienstleistungen sind. Darüber hinaus sind einige stark verschuldete Länder dabei, ihre natürliche Lebensgrundlage mit der Folge nicht mehr gutzumachender ökologischer Schäden zu zerstören, nur um neue Exportgüter zu gewinnen. Es wäre jedoch nicht annehmbar, in dieser Situation die Verantwortung für die negativen Umweltfolgen nur den Armen anzutasten, die sie verursacht haben. Vielmehr muß man den Armen, denen wie allen anderen die Erde anvertraut ist, helfen, ihre Armut zu überwinden; das verlangt aber eine mutige Strukturreform und neue Muster für die Beziehungen zwischen den Staaten und den Völkern.
12. Es gibt aber noch eine andere große Gefahr, die uns bedroht: den Krieg. Die moderne Wissenschaft verfügt leider schon über die Fähigkeit, die Umwelt für kriegerische Zwecke zu verändern, und ein solcher Eingriff könnte langfristig unvorhersehbare und noch schwerere Folgen haben. Obwohl internationale Verträge den chemischen, bakteriologischen und biologischen Krieg verbieten, ist es eine Tatsache, daß in den Laboratorien die Forschung für die Entwicklung neuer Angriffswaffen fortgesetzt wird, die imstande sind, die natürlichen Gleichgewichte zu verändern.
Heute würde jeglicher Krieg auf Weitebene unschätzbare ökologische Schäden verursachen. Aber auch die örtlichen und regionalen Kriege, wie begrenzt sie auch sein mögen, zerstören nicht nur menschliches Leben und die Strukturen der Gesellschaft, sondern schaden auch dem Grund und Boden, indem sie die Ernten und die Vegetation vernichten sowie Gelände und Gewässer vergiften. Die den Krieg überleben, sind gezwungen, unter viel schwierigeren natürlichen Bedingungen ein neues Leben zu beginnen. Diese verursachen für sie wiederum Situationen von großen sozialen Schwierigkeiten mit negativen Konsequenzen auch für die Umwelt. 13. Die moderne Gesellschaft wird für das ökologische Problem keine Lösung finden, wenn sie nicht ihren Lebensstil ernsthaft überprüft. In vielen Teilen der Welt neigt er zu Hedonismus und Konsumismus und bleibt indifferent gegenüber den Schäden, die durch diese verursacht werden. Wie ich schon bemerkt habe, zeigt die Schwere der ökologischen Situation, wie tief die moralische Krise des Menschen ist. Wenn das Gespür für den Wert der Person und des menschlichen Lebens fehlt, interessiert man sich auch nicht mehr für die anderen und für die Erde. Einfachheit, Mäßigung, Disziplin und Opfergeist müssen das Leben eines jeden Tages prägen, auf daß nicht alle gezwungen werden, die negativen Konsequenzen zu tragen, die durch die Gleichgültigkeit von wenigen verursacht worden sind.
Darum ist eine Erziehung zur ökologischen Verantwortung dringend notwendig: Verantwortung gegen sich selbst, Verantwortung gegenüber den anderen; Verantwortung gegenüber der Umwelt. Es geht um eine Erziehung, die nicht einfach auf dem Gefühl oder auf einer unbestimmten Augenblicksstimmung beruhen kann. Ihr Ziel darf weder ideologisch noch politisch sein noch kann ihr Ansatz sich auf die Ablehnung der modernen Welt oder auf den vagen Wunsch nach einer Rückkehr zum „verlorenen Paradies“ stützen. Die richtige Erziehung zur Verantwortung beinhaltet eine authentische Bekehrung in der Denk- und Verhaltensweise. Diesbezüglich haben die Kirchen und die anderen religiösen Einrichtungen, die governativen und nichtgovernativen Organismen, ja, alle Bereiche der Gesellschaft eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Die erste Erzieherin bleibt jedoch die Familie, in der das Kind den Nächsten zu achten und die Natur zu lieben lernt.
14. Schließlich kann man auch den ästhetischen Wert der Schöpfung nicht außer acht lassen. Der Kontakt mit der Natur ist in sich selbst sehr erholsam, und die Betrachtung ihrer Schönheit schenkt Frieden und innere Ruhe. Die Bibel spricht oft von dem Wert und der Schönheit der Schöpfung, die berufen ist, Gott zu preisen (vgl. z.B. Gen 1, 4. ff.; Ps 8, 2; 104, 1 ff.; Weish 13, 3-5; Sir 39, 16. 33; 43, 1-9). Vielleicht etwas schwieriger, aber nicht weniger intensiv kann die Betrachtung der vorn menschlichen Genius geschaffenen Werke sein. Auch die Städte können eine ihnen eigene Schönheit haben, die die Menschen dazu veranlassen muß, ihre Umgebung zu schützen. Eine gute Städteplanung ist ein wichtiger Aspekt des Umweltschutzes, und der Respekt für die morphologischen Eigenschaften des Geländes ist eine unerläßliche Forderung für jede ökologisch richtige Ansiedlung. Insgesamt darf die Beziehung, die zwischen einer angemessenen ästhetischen Erziehung und der Erhaltung einer gesunden Umgebung besteht, nicht vernachlässigt werden. V. Die ökologische Frage: eine Verantwortung für alle 15. Die ökologische Frage hat heute solche Dimensionen angenommen, daß die Verantwortung alle betrifft. Ihre verschiedenen Aspekte, die ich dargestellt habe, zeigen die Notwendigkeit von koordinierten Anstrengungen, um die entsprechenden Pflichten und Aufgaben der einzelnen, der Völker, der Staaten und der internationalen Gemeinschaft festzulegen. Das geschieht nicht nur im gleichen Schritt mit den Versuchen, den wahren Frieden herzustellen, sondern es bekräftigt und verstärkt auch diese objektiv. Wenn man die ökologische Frage in den umfassenderen Zusammenhang der Sache des Friedens in der menschlichen Gesellschaft stellt, wird man sich besser dessen bewußt, wie wichtig es ist, darauf zu achten, was uns die Erde und die Atmosphäre zu erkennen geben: im Universum besteht eine Ordnung, die respektiert werden muß; die menschliche Person, ausgestattet mit der Möglichkeit freier Entscheidungen, hat eine schwere Verantwortung für die Erhaltung dieser Ordnung, auch im Hin- blick auf das Wohl künftiger Generationen. Die ökologische Krise - ich wiederhole es noch einmal - ist ein moralisches Problem.
Auch die Männer und Frauen, die keine besonderen religiösen Überzeugungen besitzen, erkennen es aufgrund ihrer eigenen Verantwortung für das Allgemeinwohl als ihre Pflicht an, zur Sanierung der Umwelt ihren Beitrag zu leisten. Um so mehr müssen diejenigen, die an Gott, den Schöpfer, glauben und folglich überzeugt sind, daß in der Welt eine fest umschriebene und zielstrebige Ordnung be- steht, sich aufgerufen fühlen, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Die Christen insbesondere stellen fest, daß ihre Aufgaben im Bereich der Schöpfung, ihre Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer Bestandteil ihres Glaubens sind. Sie sind sich folglich des weiten Feldes ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit bewußt, das sich hier vor ihnen auftut.
16. Zum Schluß dieser Botschaft möchte ich mich noch direkt an meine Brüder und Schwestern der katholischen Kirche wenden, um sie an die wichtige Verpflichtung zu erinnern, für die ganze Schöpfung Sorge zu tragen. Der Einsatz des Gläubigen für eine gesunde Umwelt entspringt unmittelbar aus seinem Glauben an Gott, den Schöpfer, aus der Wertung der Folgen der Erbsünde und der persönlichen Sünden sowie aus der Gewißheit, von Christus er- löst zu sein. Die Achtung vor dem Leben und vor der Würde der menschlichen Person beinhaltet auch die Achtung vor und die Sorge für die Schöpfung, die berufen ist, mit dem Menschen zusammen Gott zu verherrlichen (vgl. Ps 148 und 96).
Der hl. Franz von Assisi, den ich 1979 zum himmlischen Patron der Umweltschützer erklärt habe (vgl. Apost. Schreiben Inter sanctos: AAS 71 [1979], 1509 f.), bietet den Christen das Beispiel der authentischen und vollen Achtung vor der Integrität der Schöpfung. Als Freund der Armen und geliebt von Gottes Geschöpfen hat er alle - Tiere, Pflanzen, Naturkräfte, auch die Schwester Sonne und den Bruder Mond - eingeladen, den Herrn zu ehren und zu preisen. Vom Poverello von Assisi erhalten wir das Zeugnis, daß wir uns im Frieden mit Gott auf bessere Weise der Aufgabe widmen können, den Frieden mit der ganzen Schöpfung herbeizuführen, der vom Frieden unter den Völkern nicht zu trennen ist.
Möge sein begeisterndes Vorbild uns helfen, den Geist der „Brüderlichkeit“ mit allen guten und schönen Dingen, die vorn allmächtigen Gott geschaffen sind, immer lebendig zu erhalten, und uns an unsere schwere Pflicht erinnern, sie zu achten und mit Sorgfalt zu hüten im Sinn umfassendster und tiefster menschlicher Brüderlichkeit.
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1989.