Botschaft zum Weltfriedenstag 1979
Botschaft Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. zur Feier des Weltfriedenstages
1. Januar 1979
„UM ZUM FRIEDEN ZU GELANGEN, ZUM FRIEDEN ERZIEHEN“
An euch alle,
die ihr euch nach Frieden sehnt!
Das große Anliegen des Friedens zwischen den Völkern braucht alle friedenstiftenden Energien, die im Herzen des Menschen ruhen. Um sie freizusetzen und durch Erziehung heranzubilden, wünschte mein Vorgänger Papst Paul VI. noch kurz vor seinem Tod, daß der Weltfriedenstag 1979 unter das Motto gestellt werde
„Um zum Frieden zu gelangen, zum Frieden erziehen“.
Während seines ganzen Pontifikates ist Paul VI. zusammen mit euch auf den schwierigen Wegen des Friedens gegangen. Er hat eure Angst geteilt, wenn dieser Frieden bedroht war. Er litt mit jenen, die von den unglücklichen Folgen des Krieges betroffen waren. Er ermutigte alle Anstrengungen, den Frieden wiederherzustellen. In allen Lagen zeigte er Zuversicht, zusammen mit unbändiger Energie.
In der Überzeugung, daß der Frieden das Werk aller ist, hat er im Jahre 1967 die Idee eines Weltfriedenstages vorgelegt, mit dem Wunsch, daß ihr alle sie euch zu eigen macht. Von da an gab seine Friedensbotschaft alljährlich den Verantwortlichen der Nationen und internationalen Organisationen die Gelegenheit, jene Aufgabe zu erneuern und öffentlich darzustellen, die ihre Autorität rechtfertigt: den Menschen friedlichen Fortschritt und geordnetes Zusammenleben in Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit zu ermöglichen. Die unterschiedlichsten Gemeinschaften trafen hierbei zusammen, um das unschätzbare Gut des Friedens zu feiern und ihre Bereitschaft zu bekräftigen, ihn zu verteidigen und zu fördern. Aus den Händen meines verehrten Vorgängers übernehme ich diesen Wanderstab, gleichsam als Pilger für den Frieden. Ich bin unterwegs, an eurer Seite, mit dem Evangelium des Friedens. „Selig sind, die Frieden stiften“. Ich lade euch darum ein, zu Beginn des Jahres 1979 den Weltfriedenstag zu begehen und ihn nach dem letzten Wunsch Pauls VI. unter das Thema der Friedenserziehung zu stellen.
1. EINE MÜHSAME AUFGABE
Eine unstillbare Sehnsucht
Den Frieden erreichen: das ist die Summe und Krönung all unserer Sehnsucht. Frieden - so sagen wir - bedeutet Erfüllung und Freude. Bei bilateralen und multilateralen Begegnungen und auf internationalen Konferenzen vermehrt man die Anstrengungen, ihn im Zusammenleben der Völker zu verwirklichen; einige ergreifen persönlich die mutige Initiative, um den Frieden herzustellen oder einen drohenden neuen Krieg zu verhindern.
Ein erschüttertes Vertrauen
Gleichzeitig aber können wir einzelne Menschen oder Gruppen beobachten, die bei der Regelung ihrer verborgenen oder offenen Konflikte zu keinem Abschluß kommen. Stellt der Frieden also vielleicht ein unerreichbares Ideal dar? Das tägliche Schauspiel der Kriege, der Spannungen und Spaltungen läßt Zweifel und Entmutigung aufkommen. Brandherde der Zwietracht und des Hasses scheinen sogar noch künstlich von einigen geschürt zu werden, die den Preis dafür nicht zu bezahlen brauchen. Und allzu oft ist die Kraft von Friedensgesten viel zu gering, um den Lauf der Dinge zu beeinflussen, es sei denn, daß die herrschende Logik der Ausbeutung und Gewalt sich ihrer bemächtigt und sie in ihren Dienst nimmt. An einigen Stellen vergiften furchtsames Zögern und die Schwierigkeit notwendiger Reformen die Beziehungen zwischen menschlichen Gemeinschaften, die schon durch eine lange und vorbildliche gemeinsame Geschichte vereint sind. Neue Machtträger neigen dazu, durch zahlenmäßige Überlegenheit oder durch brutale Gewalt einen Konflikt zu lösen, und das unter den hilflosen, manchmal aber auch interessierten und komplizenhaften Blicken anderer Staaten in der Nähe oder weiter entfernt. Gerade die stärksten und die schwächsten Länder verlieren so das Vertrauen zu geduldigen friedenstiftenden Maßnahmen.
Hinzu kommt, daß die Furcht vor einem schlecht abgesicherten Friedenszustand sowie militärische und politische Erfordernisse wie auch die Interessen von Wirtschaft und Handel zur Bildung von Vorräten oder zum Verkauf von Waffen mit furchtbarer Zerstörungskraft verleiten: der Rüstungswettlauf wird so für wichtiger gehalten als die großen Friedensaufgaben, die die Völker in neuer Solidarität verbinden müßten; er fördert vereinzelte mörderische Konflikte und steigert die Bedrohung in hohem Ausmaße. Es ist wahr: die Sache des Friedens leidet auf den ersten Blick an einer entmutigenden Schwäche.
Vom Reden über den Frieden ...
Und doch hat man in fast allen öffentlichen Ansprachen auf der Ebene der einzelnen Nationen oder internationaler Gremien selten so viel vom Frieden gesprochen, von Entspannung, von Verständigung, von vernünftigen und gerechten Lösungen für Konflikte. Der Frieden ist zum Schlagwort geworden, das beruhigt oder verführen will. Richtig verstanden stellt dies jedoch auch ein positives Faktum dar: die öffentliche Meinung der Nationen würde es nicht mehr ertragen, wenn man den Krieg verherrlichte oder das Risiko eines Angriffskrieges auf sich nähme.
... zu einer Friedensgesinnung
Um jedoch die Herausforderung anzunehmen, die sich aus der mühsamen Aufgabe des Friedens für die ganze Menschheit ergibt, braucht es mehr als nur Worte, mögen sie ehrlich oder demagogisch gemeint sein. Vor allem der Kreis der Politiker, das Milieu oder jene Zentren, von denen mehr oder weniger direkt, mehr oder weniger geheim die entscheidenden Schritte für den Frieden oder im Gegenteil die Verlängerung der Kriege und gewalttätiger Konflikte abhängen, müssen vom wahren Geist des Friedens durchdrungen werden. Das Mindeste müßte sein, daß man darin übereinstimmt, einige grundlegende klare Prinzipien anzuwenden, wie zum Beispiel: die Probleme der Menschen müssen in menschenwürdiger Weise behandelt werden und nicht mit Gewalt. Spannungen, Streitigkeiten und Konflikte müssen durch vernünftige Verhandlungen geregelt werden und nicht mit Druckmitteln. Ideologisch einander entgegengesetzte Richtungen müssen sich in einem Klima des Dialogs und der freien Aussprache begegnen. Die berechtigten Interessen bestimmter Gruppen müssen auch die ebenfalls berechtigten Interessen der anderen betroffenen Gruppen sowie die Forderungen des übergeordneten Gemeinwohls berücksichtigen. Der Griff zu den Waffen sollte nicht mehr als geeignetes Mittel zur Konfliktlösung angesehen werden. Die unverlierbaren Menschenrechte müssen unter allen Umständen gewahrt bleiben. Es ist nicht erlaubt zu töten, um eine Lösung zu erzwingen.
Diese Prinzipien der Menschenwürde kann jeder Mensch guten Willens in seinem eigenen Gewissen vorfinden. Sie entsprechen dem Willen Gottes für den Menschen. Damit sie bei den Mächtigen und bei den Schwachen zu festen Überzeugungen werden und jegliches Handeln prägen, muß ihnen ihre volle Bedeutung wieder zuerkannt werden. Dafür braucht es eine geduldige und lange Erziehung auf allen Ebenen.
II. DIE ERZIEHUNG ZUM FRIEDEN
1. VISIONEN VOM FRIEDEN AUFLEUCHTEN LASSEN
Um dieses spontane Gefühl der Ohnmacht zu überwinden, gilt es als erste sinnvolle Aufgabe einer Erziehung, die diesen Namen verdient, unsere Augen über die traurigen vordergründigen Eindrücke hinausblicken zu lassen, oder noch besser, erkennen und verstehen zu lernen, wie inmitten der tobenden Gewalt, die tötet, der Frieden sich leise und still vorantastet, ohne zu ruhen, unablässig Wunden heilt und das Leben erhält und kräftigt. Von hieraus kann uns der Marsch zum Frieden möglich und erstrebenswert erscheinen, machtvoll und schon siegreich.
Ein neuer Blick auf die Geschichte
Vor allem müssen wir lernen, die Geschichte der Völker und der Menschheit nach Kriterien zu entziffern, die sachgerechter sind als jene, die nur eine Kette von Kriegen und Revolutionen kennen. Gewiß ist die Geschichte vom Lärm der Schlachten beherrscht. Aber es gibt auch die Ruhepausen der Gewalt, die es ermöglicht haben, jene dauerhaften kulturellen Werke zu schaffen, auf die die Menschheit stolz ist. Ja, man kann sogar inmitten der Kriege und Revolutionen Impulse zum Leben und Fortschritt vorfinden; diese entspringen einer Sehnsucht, die einer anderen Ordnung angehört als die Gewalt: eine Sehnsucht geistiger Art, wie zum Beispiel das Streben, eine gemeinsame Würde für alle Menschen anerkannt zu sehen oder die Seele und die Freiheit eines Volkes zu retten. Dort wo eine solche Sehnsucht gegenwärtig war, wirkte sie ausgleichend sogar im Kern der Konflikte, verhinderte sie unheilbare Schäden, hielt sie die Hoffnung lebendig, eröffnete sie eine neue Chance für den Frieden. Dort wo eine solche tiefere Sehnsucht fehlte oder zur Verherrlichung der Gewalt verfälscht wurde, überließ sie das Feld einer fortschreitenden Zerstörung, die dann zu einem andauernden wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang, ja sogar zum Untergang ganzer Zivilisationen geführt hat. Ihr Verantwortlichen der Völker, versteht es, euch selbst zur Friedensliebe zu erziehen, indem ihr auf den bedeutenden Seiten eurer nationalen Geschichte das Beispiel jener eurer Vorgänger entdeckt und heraushebt, die ihren Ruhm darin sahen, Früchte des Friedens aufkeimen zu lassen. „Selig sind, die Frieden stiften...“.
Die Hochschätzung der großen Friedensaufgaben von heute
Ihr tragt heute zur Erziehung zum Frieden dadurch bei, daß ihr den großen Friedensaufgaben, die sich der Menschheit mit besonderer Dringlichkeit stellen, die größtmögliche Bedeutung beimeßt. In euren Bemühungen, zu einer vernünftigen und solidarischen Nutzung der natürlichen Umwelt und des gemeinsamen Erbes der Menschheit zu gelangen, zur Beseitigung des Elends, das Millionen von Menschen bedrückt, zur Stärkung von Institutionen, die geeignet sind, die Einheit der Menschheitsfamilie auf nationaler und auf Weltebene zum Ausdruck zu bringen und zu vervollkommnen, werden die Menschen den einladenden Aufruf zum Frieden entdecken, der Versöhnung untereinander und Versöhnung mit der gesamten Schöpfung bedeutet. Indem ihr entgegen allen landläufigen demagogischen Überzeugungskünsten die Suche nach einfacheren Lebensweisen ermutigt, die weniger von den tyrannischen Impulsen der Instinkte nach Besitz, Konsum und Herrschaft bestimmt sind, sondern sich mehr von den tieferen Inspirationen der persönlichen Kreativität und der Freundschaft beeinflussen lassen, werdet ihr für euch selbst und für alle anderen einen weiten Raum von ungeahnten Möglichkeiten für den Frieden eröffnen.
Die Leuchtkraft vieler Beispiele von Friedensstiftern
So hemmend für den einzelnen Menschen das Gefühl ist, daß die bescheidenen Anstrengungen für den Frieden im begrenzten Bereich der Verantwortlichkeiten eines jeden durch die großen weltweiten politischen Debatten, die von einer simplifizierenden Logik von Machtverhältnissen und Rüstungswettlauf bestimmt werden, zunichte gemacht werden, so befreiend ist andererseits der Anblick internationaler Einrichtungen, die von der Möglichkeit des Friedens überzeugt sind und sich leidenschaftlich für die Verwirklichung des Friedens einsetzen. Die Erziehung zum Frieden kann sich auch ein erneutes Interesse für die täglichen Beispiele von aufrichtigen Friedensstiftern auf allen Ebenen zunutze machen. Gemeint sind einzelne Menschen und Gruppen, die durch die Beherrschung ihrer Leidenschaften und durch ein gegenseitiges Sichannehmen und Respektieren ihren eigenen inneren Frieden gewonnen haben und ihn nach außen ausstrahlen; ebenso Völker, oft gerade die armen und geprüften unter ihnen, deren jahrtausendalte Weisheit vom höchsten Gut des Friedens geprägt ist und die oft den trügerischen Versuchungen zu einem übereilten und durch Gewalt erkämpften Fortschritt zu widerstehen verstanden in der Überzeugung, daß solche Erfolge die giftigen Keime neuer Konflikte in sich tragen.
In der Tat, laßt uns, ohne das Drama der Gewalttätigkeiten zu vergessen, unseren Blick und den der jungen Generationen auf diese Beispiele von Friedensstiftern lenken. Sie üben eine entscheidende Anziehungskraft aus. Sie rufen in uns vor allem die Sehnsucht nach dem Frieden wach, der für den Menschen lebensnotwendig ist. Diese neuen Energien werden dann helfen, eine neue Sprache des Friedens und neue Friedensgesten zu finden.
2. EINE SPRACHE DES FRIEDENS SPRECHEN
Die Sprache ist darauf angelegt, die Gedanken des Herzens zum Ausdruck zu bringen und Einheit zu schaffen. Wenn sie jedoch in vorgefaßten Schemata gefangen ist, beeinflußt sie ihrerseits das Herz durch die ihr innewohnenden Tendenzen. Man muß deshalb auf die Sprache einwirken, um das Herz zu beeinflussen und einer möglichen Verführung durch die Sprache zu entgehen. Es ist leicht festzustellen, bis zu welchem Punkt die bittere Ironie und die Härte in den Urteilen, in der Kritik anderer und vor allem des „Fremden“, radikales Opponieren und Fordern in die besprochenen Beziehungen selbst eindringen und mit der Liebe im sozialen Bereich auch die Gerechtigkeit ersticken. Dadurch daß man alles in Begriffen von Machtverhältnissen, Gruppen- und Klassenkämpfen und im Freund-Feind-Schema ausdrückt, bereitet man den geeigneten Nährboden für soziale Schranken, für Verachtung, Haß und Terrorismus und deren heimliche oder offene Verteidigung. Dagegen entspringen aus einem Herzen, das für das höchste Gut des Friedens gewonnen worden ist, die Bereitschaft zuzuhören und zu verstehen, die Achtung vor den anderen, Rücksichtnahme, die in Wirklichkeit Stärke bedeutet, und Vertrauen. Eine solche Sprache begibt sich auf den Weg der objektiven Tatsachen, der Wahrheit und des Friedens. Groß ist unter diesem Gesichtspunkt auch die erzieherische Aufgabe der sozialen Kommunikationsmittel. Ebenso ist es von Bedeutung, in welcher Weise man sich bei den gegenseitigen Begegnungen, Debatten und politischen Auseinandersetzungen auf nationaler und internationaler Ebene ausdrückt. Möget ihr, die ihr für die Völker und internationalen Organisationen Verantwortung tragt, es verstehen, eine neue Sprache, eine Sprache des Friedens zu finden: sie eröffnet schon durch sich selbst einen neuen Raum für den Frieden.
3. ZEICHEN DES FRIEDENS SETZEN
Das, was Friedensperspektiven freisetzen, was eine Sprache des Friedens bewirkt, muß sich schließlich auch in Gesten des Friedens ausdrücken. Andernfalls verflüchtigen sich die entstehenden Überzeugungen und die Sprache des Friedens wird zur Rhetorik, die schnell in Mißkredit fällt. Sehr zahlreich könnten die Friedensstifter sein, wenn sie sich ihrer Möglichkeiten und Verantwortung bewußt würden. Es ist die konkrete Friedenstat, die zum Frieden mitreißt. Sie lehrt diejenigen, die das hohe Gut des Friedens suchen, daß dieses Gut sich denen offenbart und anbietet, die Tag für Tag bescheiden alle Friedensmöglichkeiten, die sich für sie ergeben, in die Tat umzusetzen suchen.
Eltern, Erzieher und Jugendliche
Eltern und Erzieher, verhelft den Kindern und den Jugendlichen zu einer Erfahrung des Friedens in den tausend täglichen Begebenheiten, denen sie in der Familie, in der Schule, beim Spiel, unter Kameraden, bei gemeinschaftlicher Arbeit, beim sportlichen Wettkampf und den vielfältigen Absprachen und notwendigen Kompromissen begegnen. Das Internationale Jahr des Kindes, das die Vereinten Nationen für 1979 ausgerufen haben, sollte die Aufmerksamkeit aller darauf lenken, was sogar die Kinder schon von sich aus zum Frieden beitragen können. Ihr Jugendlichen seid Erbauer des Friedens. Ihr seid insgesamt die Urheber dieses großen gemeinsamen Werkes. Widersteht den leichtfertigen Lösungen, die in der traurigen Mittelmäßigkeit liegen, und auch den sinnlosen Gewalttätigkeiten, zu denen euch mitunter Erwachsene, die mit sich selbst nicht in Frieden sind, mißbrauchen möchten. Folgt den Wegen, wohin euch euer Gefühl der Dankbarkeit, der Lebensfreude und der Solidarität führt. Ihr liebt es, eure neuen Energien - die sich von den diskriminierenden Vorurteilen freihalten - in brüderlichen Begegnungen über die Grenzen hinaus einzusetzen, im Erlernen von Fremdsprachen, die den gegenseitigen Kontakt erleichtern, und im selbstlosen Dienst zugunsten der armen Länder. Ihr seid die ersten Opfer des Krieges, der eure Begeisterung erstickt. Ihr seid die Chance für den Frieden.
Sozialpartner
Partner im beruflichen und sozialen Leben, der Frieden ist für euch oft schwer zu verwirklichen. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und ohne Freiheit, ohne einen mutigen Einsatz zur Förderung des einen und des anderen. Die Kraft, die dafür erforderlich ist, muß geduldig sein, ohne zu resignieren oder aufzugeben, fest, ohne zu provozieren, klug, um aktiv den erwünschten Fortschritt vorzubereiten, ohne die Energien in flammenden Ausbrüchen gewalttätiger Proteste zu vergeuden, die schnell wieder in sich zusammenfallen. Gegen die Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen muß der Frieden sich einen Weg bahnen, indem er sich für eine entschlossene Aktion entscheidet. Diese Aktion muß aber schon vom anvisierten Ziel geprägt sein, nämlich von einer besseren gegenseitigen Verständigungsbereitschaft der Personen und Gruppen. Sie findet ein Regulativ im Willen zum Frieden, der aus der Tiefe des Menschen kommt, in den Erwartungen und in der Gesetzgebung der Völker. Es ist dieser geschulte und disziplinierte Wille zum Frieden, der den Blick schärft, um für Spannungen und selbst Konflikte die notwendige Ruhe zu finden, damit sich die fruchtbare und konstruktive Logik des Friedens entfalten kann. Das, was sich im sozialen Leben der Länder ereignet, hat eine beträchtliche Auswirkung - zum Besseren und zum Schlechteren - auf den Frieden zwischen den Nationen.
Politiker
Es muß aber hier erneut betont werden, daß die vielfältigen Friedensgesten Gefahr laufen, entmutigt und teilweise zunichte gemacht zu werden durch eine internationale Politik, die auf ihrer Ebene nicht die gleiche Friedensdynamik entfaltet. Politiker, die ihr für die Völker und internationalen Organisationen verantwortlich seid, ich bekunde euch meine aufrichtige Wertschätzung und biete euren oft beschwerlichen Bemühungen, den Frieden zu erhalten oder wiederherzustellen, meine ganze Unterstützung an. Mehr noch, im Bewußtsein, daß es hierbei um das Glück und sogar das Überleben der Menschheit geht, und überzeugt von der großen Verantwortung, die ich trage, damit dem wichtigen Aufruf Christi: „Selig die Friedensstifter“ entsprochen wird, wage ich es sogar, euch zu ermutigen, noch weiter zu gehen. Öffnet dem Frieden neue Tore. Tut alles, was in euren Kräften steht, um dem Weg des Dialogs gegenüber dem der Gewalt den Vorrang zu sichern. Dies gilt zunächst schon für den internen Bereich: Wie können die Völker den internationalen Frieden wahrhaft fördern, wenn sie selbst in Ideologien gefangen sind, nach denen sich Gerechtigkeit und Frieden nur dann erreichen lassen, wenn man alle jene zur Ohnmacht verurteilt, die man von vornherein für unwürdig hält, die Gestalter ihres eigenen Geschickes oder fähige Mitarbeiter für das Gemeinwohl zu sein? Seid überzeugt, daß die Ehre und der Erfolg bei Verhandlungen zwischen gegnerischen Parteien sich nicht am Grad der Unnachgiebigkeit in der Verteidigung der eigenen Interessen messen, sondern an der Bereitschaft zu gegenseitiger Achtung, zu Wahrhaftigkeit, Wohlwollen und Brüderlichkeit der Partner, mit einem Wort, an ihrer Menschlichkeit. Setzt Gesten des Friedens, sogar mutige, die mit den fatalen Verkettungen und der Last der von der Geschichte ererbten Leidenschaften brechen; webt weiter geduldig am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gewebe des Friedens. Schafft - die Stunde ist günstig, und die Zeit drängt - immer größere waffenfreie Zonen. Habt den Mut, die bedrückende Frage des Waffenhandels noch einmal grundsätzlich zu überprüfen. Versteht, die latenten Konflikte rechtzeitig zu entdecken und friedlich zu lösen, bevor sie die Leidenschaften entfachen. Gebt den regionalen und weltweiten Formen der Solidarität geeignete institutionelle Rahmen. Verzichtet darauf, legitime und sogar geistige Werte für Interessenkonflikte zu benutzen; sie werden dadurch entwürdigt und machen die Auseinandersetzungen noch unerbittlicher. Wacht darüber, daß das berechtigte leidenschaftliche Verlangen nach dem Austausch der Ideen sich der Kraft der Argumente und nicht der Drohung und Waffengewalt bedient.
Indem ihr entschlossene Gesten des Friedens setzt, löst ihr die echten Erwartungen der Völker aus und findet in ihnen mächtige Verbündete im Einsatz für die friedliche Entwicklung aller Menschen. Ihr werdet euch selbst zum Frieden erziehen, werdet in euch feste Überzeugungen heranbilden und euch zu neuen Initiativen im Dienst der großen Sache des Friedens befähigen.
III. DER BESONDERE BEITRAG DER CHRISTEN
Die Bedeutung des Glaubens
Diese vielfältige Erziehung zum Frieden - zwischen den Völkern, im eigenen Land, in der eigenen Umwelt, bei sich selbst - ist allen Menschen guten Willens auf getragen, woran uns die Enzyklika Pacem in terris von Papst Johannes XXIII. erinnert. Der Frieden ist ihnen allen in verschiedenem Maße greifbar. Und da „der Frieden auf Erden ... nur dann begründet und gesichert werden kann, wenn die von Gott gesetzte Ordnung gewissenhaft beobachtet wird“ (Pacem in terris, Nr. 1), finden die Gläubigen in ihrer Religion die Erleuchtung, den Ansporn, die Kraft, um für die Friedenserziehung zu arbeiten. Wahrhafte Frömmigkeit führt notwendig zum wahren Frieden. Indem die öffentliche Gewalt die Religionsfreiheit pflichtgemäß anerkennt, fördert sie zugleich die Entfaltung der Friedensgesinnung in der Tiefe der Herzen sowie in den von den Gläubigen geschaffenen Erziehungseinrichtungen. Was die Christen betrifft, so sind sie von Christus in besonderer Weise dazu erzogen und angehalten worden, Erbauer des Friedens zu sein: „Selig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen“ (Mt 5, 9; vgl. Lk 10, 5, u.a.). Am Ende dieser Botschaft wird man verstehen, daß sich meine besondere Erwartung auf die Glieder der Kirche richtet, um sie für ihren Beitrag zum Frieden zu ermutigen und ihn in den großen von Gott in Jesus Christus geoffenbarten Friedensplan einzuordnen. Der spezifische Beitrag der Christen und der Kirche zu diesem gemeinsamen Werk wird um so besser gewährleistet sein, je mehr er sich aus seinen eigenen Quellen und seiner eigenen Hoffnung nährt.
Die christliche Sicht vom Frieden
Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Die Sehnsucht nach Frieden, die ihr mit allen Menschen teilt, entspricht einem ursprünglichen Aufruf Gottes, eine einzige Familie von Brüdern zu bilden, die alle nach dem Bild des gleichen Vaters geschaffen sind. Die Offenbarung legt Wert auf unsere Freiheit und Solidarität. Die Schwierigkeiten, denen wir auf dem Weg zum Frieden begegnen, hängen teilweise zusammen mit unserer Schwäche als Geschöpfe, deren Schritte notwendigerweise nur langsam und stufenweise vorankommen. Diese Schwierigkeiten werden noch gesteigert durch unseren Egoismus, durch Sünden aller Art, angefangen bei der Ursünde, die einen Bruch mit Gott markiert hat und damit auch einen Bruch zwischen den Brüdern. Das Bild des Turmes von Babel beschreibt gut diese Situation. Wir glauben aber, daß Jesus Christus durch die Hingabe seines Lebens am Kreuz unser Friede geworden ist: Er hat die Mauer des Hasses, die die feindlichen Brüder trennte, niedergerissen (Eph 2,14). Nach seiner Auferstehung und Aufnahme in die Herrlichkeit des Vaters gibt er uns in geheimnisvoller Weise an seinem Leben Anteil: dadurch daß er uns mit Gott versöhnt, heilt er die Wunden der Sünde und der Spaltung und befähigt uns dazu, unseren Gemeinschaften einen Anfang von Einheit einzustiften, die er in uns selbst wiederherstellt. Die treuesten Jünger Christi sind deshalb auch Friedensstifter gewesen, bis hin zum Verzeihen gegenüber ihren Feinden, manchmal sogar bis zur Hingabe ihres eigenen Lebens für sie. Ihr Beispiel eröffnet den Weg zu einer neuen Menschheit, die sich nicht mehr mit vorläufigen Kompromissen begnügt, sondern eine tiefe und innige Brüderlichkeit verwirklicht. Wir wissen, daß unser Weg zum Frieden auf Erden, ohne sein naturgegebenes Wesen oder seine ihm eigenen Schwierigkeiten zu verlieren, in einen anderen Weg einbezogen ist, in den Weg zum Heil, der einmündet in die ewige Fülle des Friedens, in einer allesübersteigenden Gemeinschaft mit Gott. So durchdringt schon das Reich Gottes, ein Reich des Friedens, mit seiner eigenen Quelle, seinen eigenen Mitteln und seinem Ziel alle irdische Tätigkeit, ohne dabei in ihr aufzugehen. Diese Sicht des Glaubens bedeutet eine starke Herausforderung für das tägliche Handeln der Christen.
Der christliche Glaube als Kraftquelle für den Frieden
Sicher, wir schreiten auf den Wegen des Friedens voran mit den Schwächen und tastenden Versuchen aller unserer Weggenossen. Wir leiden mit ihnen unter dem tragischen Mangel an Frieden. Wir fühlen uns mit um so stärkerer Entschlossenheit dazu gedrängt, zur Ehre Gottes und des Menschen nach Mitteln zur Lösung zu suchen. Wir beanspruchen nicht, im Evangelium fertige Lösungen zu finden, um heute bestimmte Fortschritte in der Friedenssuche zu machen. Aber wir finden fast auf jeder Seite des Evangeliums und der Kirchengeschichte den Geist der brüderlichen Liebe, der mit Macht zum Frieden erzieht. Wir finden in den Gaben des Heiligen Geistes und in den Sakramenten eine aus göttlicher Quelle gespeiste Kraft. Wir finden in Christus eine Hoffnung. Die Mißerfolge können das Werk des Friedens nicht ganz zerstören, auch dann nicht, wenn sich die unmittelbaren Ergebnisse als zerbrechlich herausstellen, auch dann nicht, wenn wir wegen unseres Eintretens für den Frieden verfolgt werden. Christus gibt all jenen Anteil an seinem Heilsweg, die aus Liebe für den Frieden wirken.
Das Gebet für den Frieden
Der Frieden ist unser Werk: er verlangt unser mutiges und solidarisches Handeln. Aber er ist auch zugleich und vor allem ein Geschenk Gottes: er erfordert unser Gebet. Die Christen müssen an erster Stelle unter denen stehen, die täglich für den Frieden beten; sie müssen auch zum Gebet für den Frieden erziehen. Sie werden gerne mit Maria, der Königin des Friedens, beten.
Zu euch allen, Christen, Gottgläubige und Menschen guten Willens, sage ich: habt keine Angst, auf den Frieden zu setzen, zum Frieden zu erziehen. Die Sehnsucht nach Frieden wird nicht für immer enttäuscht werden. Die Arbeit für den Frieden, von der Liebe eingegeben, die nicht aufhört, wird ihre Früchte hervorbringen. Der Frieden wird das letzte Wort der Geschichte sein.
Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1978.