"Mit Abschottung schaffen wir keine Friedensatmosphäre"
Die Botschaft von Weihnachten ist kein kultureller Zuckerguss, sondern hochgradig politisch und eine "Provokation für unsere Gesellschaft": Auf einige dieser politischen Akzente hat der Kärntner Bischof Alois Schwarz in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der "Furche" (22. Dezember) hingewiesen. So betonte Schwarz in dem Interview etwa die Notwendigkeit, Flüchtlingen nicht nur Herberge zu bieten, sondern sie zu integrieren. Dazu gehöre neben dem Spracherwerb und adäquatem Wohnraum auch die Möglichkeit, einer Arbeit nachzugehen. "Ohne Arbeit gibt es keine Integration". Einer Politik der Abschottung erteilte Bischof Schwarz in dem Zusammenhang eine Absage: Die europäische Kultur sei schließlich "keine Einheitskultur" geschlossener Milieus. "Mit Abschottung schaffen wir keine Friedensatmosphäre".
Persönliche Begegnungen würden dazu beitragen, etwaige Ängste im Blick auf Flüchtlinge abzubauen, mahnte Schwarz. Er räumte zugleich jedoch ein, dass dies auch innerhalb der Kirche noch nicht von allen verstanden worden sei. Eine Herausforderung stelle laut Schwarz die Migration von Muslimen aus dem arabischen Raum dar, da diese über einen anderen kulturellen Hintergrund verfügten. Die Aufgabe bestehe darin, diese andere Kultur kennenzulernen und zugleich die hiesigen Werte und kulturellen Gepflogenheiten zu vermitteln. "Das ist eine Einladung an die Muslime, die schon bei uns und mit uns leben: Erklärt euren muslimischen Schwestern und Brüdern, was in Österreich zur 'Hausordnung' gehört: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, ein gleichberechtigter Umgang von Mann und Frau, Religions- und Meinungsfreiheit".
Teilweise geschehe dies bereits, verwies Schwarz etwa auf Aktionen der muslimischen Jugend gemeinsam mit der Caritas. Aber es bleibe auch auf Seiten des Islam noch Nachholbedarf: "Es braucht einen veränderten Islam, der in unser Staatsgefüge passt", so der Kärntner Bischof. Diese Anpassung werde "einigen Muslimen nicht erspart bleiben".
Die Kirche sei weiterhin gefordert, in Gesellschaft und Politik hineinzuwirken - allerdings brauche es eine Art Äquidistanz zwischen Kirche und Politik: "Ich meine, dass Christen in der Politik ihr Christsein nicht verschweigen sollten, aber die Politik soll das Christsein nicht missbrauchen, um Wählerstimmen zu bekommen und zu agitieren." Die Trennung von Religion und Staat sei schließlich ein Fortschritt gewesen, "die die Kirche in der Aufklärung gelernt hat".
"Vorleben statt vorsagen"
Hineinwirken sollten Christen in Gesellschaft und Politik daher am besten in Form eines authentischen Vorlebens und in Repräsentanz der Anliegen der nächsten Generationen. Schließlich sei es gerade die junge Generation, die auf einen nachhaltigen Lebensstil achte und die Älteren in die Pflicht nehme. "Vorleben ist natürlich auch schwieriger als vorsagen. Wir müssen uns hinstellen und Position beziehen." Gerade diesbezüglich könne die Kirche und speziell die Bischöfe noch "profilierter" sein, räumte Bischof Schwarz ein: "Wahrscheinlich müssen wir da noch profilierter sein und den Papst nicht allein lassen mit seiner Botschaft sondern auch dahinter stehen. Auch wir Bischöfe sollten das öfter tun."
Bei Papst Franziskus macht Schwarz zwei zentrale Motive aus: die Barmherzigkeit und die Zärtlichkeit. Zugleich greife der Papst in seinen Äußerungen prophetisch Dinge und Themen auf, "die ganz konträr sind zu dem, wie die Welt aussieht". Schließlich sei die weltpolitische Lage derzeit von einer großen Ungewissheit und Unübersichtlichkeit geprägt. Wirtschaftlich stehe man auch in Österreich "an der Schwelle zur digitalen Revolution", deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt noch offen seien und zugleich die Menschen ängstigten. Um so wichtiger sei es, in Bildung, Forschung und Innovation zu investieren, "um die geistigen Kräfte zu mobilisieren und die Zukunft gemeinsam zu bewältigen". Auch brauche es "neue Allianzen von Menschen (...), die in die Zukunft denken und den Menschen von Heute in seinen Sorgen und Ängsten im Blick haben".
Neuer Diskurs über Solidarität
In der aktuellen Ausgabe der "Kärntner Woche" hat sich Bischof Schwarz darüber hinaus für einen "neuen Diskurs über Solidarität" ausgesprochen. Die Leitfrage müsse sein: "Wie kann der einzelne dazu ermutigt werden, sich dafür einzusetzen, dass das Sozialgefüge in der individualisierten Gesellschaft auch in Zukunft eine große Stütze bleibt?" In diesem Zusammenhang lobte Bischof Schwarz u.a. die Pfarrgemeinderäte, die im kommenden März im Zuge der Pfarrgemeinderatswahlen neu gewählt werden: Diese seien "stabile Verantwortungsträger vor Ort" und würden gerade in den Dörfern, in denen der Pfarrer nicht direkt vor Ort ist, wichtige Aufgaben und "eine Art Leitungsfunktion für das Gefüge der Kirche" übernehmen.
Quelle: kathpress