Schönborn fordert von Politik mehr Generationengerechtigkeit
Die Politik sollte sich endlich ehrlich mit mehr Generationengerechtigkeit auseinandersetzen. Das hat Kardinal Christoph Schönborn im zweiten Teil des großen "Kurier"-Weihnachtsinterviews (Montag-Ausgabe) eingemahnt. "Warum gelingt es uns in diesem Land nicht, offen über Generationengerechtigkeit zu sprechen?", so der Kardinal wörtlich. Es sei eindeutig, dass die jüngere Generation am Gerechtigkeitskuchen weniger Anteil haben wird als die Älteren. Er wünsche sich, "dass man sich in der Politik traut, die Dinge beim Namen zu nennen". Die Politik der Halbwahrheiten bringe nichts. Zur Frage nach seinem Weihnachtswunsch an die Österreicher meinte der Kardinal: "Aufeinander zugehen und sagen: Wir haben doch ein wunderbares Land, das uns gemeinsam anvertraut ist."
Auf die Missbrauchsthematik angesprochen bekräftigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, dass es für die Kirche keinen Schlussstrich unter dieses Thema geben könne, "weil die Gefahr des Missbrauchs immer da ist". Zur Zeit komme das Thema Missbrauch auch im Sport zur Sprache. "Es gibt sicher noch weitere Bereiche in der Gesellschaft, wo dieser ehrliche Umgang, um den wir uns in der Kirche bemüht haben, noch fehlt", so Schönborn.
Hinsichtlich der Gentechnik zeigte sich der Kardinal zum einen fasziniert, "vor allem über die Therapiemöglichkeiten". Zugleich warnte er davor, dass man mit jeder neuen Erfindung auch Furchtbares anstellen könne, "etwa, dass man versucht, gemischte Embryonen aus Mensch und Tier zu erzeugen".
Die Forschung zur Verlängerung des Leben könne er letztlich aber auch nur mit Ironie betrachten, "denn die Forscher werden irgendwann einmal sterben, wie wir alle". Außerdem kalkuliere man da mit einer Wohlstandssituation, "die absolut nicht selbstverständlich ist", so der Kardinal: "Wir wissen zum Beispiel nicht, ob wir in eine weltweite Ernährungskrise kommen, was die Lebenserwartung sehr schnell wieder senken wird." Neue Anwendungen zur Verlängerung des Lebens werden sich dann ein paar reiche Leute leisten können. "Die dürfen dann etwas länger Bridge spielen, bis sie dann letztlich doch auch sterben."
"Europa nicht zur Festung ausbauen"
Die Frage, wie viele Flüchtlinge ein Land aufnehmen kann, sei völlig berechtigt, so Schönborn weiter: "So lange wir zwischen den Aufnahmeländern ein so großes Ungleichgewicht haben, ist es verständlich, dass man sagt: Österreich kann nicht eine Last tragen, vor der sich die anderen drücken." Dichte Grenzen seien freilich keine Lösung. "Wir können Europa nicht zur Festung ausbauen." Darauf angesprochen, dass Politiker im Wahlkampf Gott ins Spiel bringen meinte Schönborn wörtlich: "Ich kann nur sagen: Möge es authentisch sein."
Absolut authentisch erlebe er auf jeden Fall Papst Franziskus, bekräftigte der Wiener Erzbischof: "Ich bin begeistert vom Papst und freue mich einfach, dass er auch für so viele Menschen, die mit Kirche und Religion wenig zu tun haben, so glaubwürdig ist."
Frauen mit geistlicher Kompetenz fördern
Auf die Bemerkung, dass in der Gesellschaft eine ganz große Sehnsucht nach Spiritualität exisitiere, die die christlichen Kirchen aber offenbar nicht stillen können und Mitglieder verlieren, gab der Kardinal zu bedenken, dass Menschen dann zurückkommen, "wenn sie eine persönliche Glaubenserfahrung machen". Schönborn: "Jesus hat schon den damaligen Pharisäern vorgeworfen, dass sie den Schlüssel zur Erkenntnis verlegt haben. Diese Gefahr besteht natürlich. Daher braucht es mehr denn je geistliche Meister." Darunter verstehe er aber nicht nur Priester. "Ich habe wunderbare Laien erlebt, die eine ganz große geistliche Kompetenz haben."
Zur Frage, wann Frauen zum Priesteramt in der katholischen Kirche zugelassen werden antwortete der Kardinal wörtlich: "Das kann ich nicht beantworten, aber eines weiß ich sicher: Es gibt sehr viele Frauen mit großer geistlicher Kompetenz, und ich versuche sie auch sehr zu fördern."
Schließlich galt es im "Kurier"-Interview noch die Frage zu klären, ob es das Christkind gibt. Schönborn dazu: "Das gibt es natürlich. Es ist die große Freude des Weihnachtsfestes. Dass man ab einem gewissen Alter den Kindern erklärt, dass das Christkind nicht persönlich die Geschenke unter den Christbaum gelegt hat, ist in Ordnung."
Quelle: kathpress