"Flüchtlingsthema nicht überstrapazieren"
Michael Landau, Präsident der in der Flüchtlingsarbeit überaus engagierten Caritas, hat an die politischen Verantwortungsträger in Österreich den Appell gerichtet, "das Flüchtlingsthema nicht überzustrapazieren". Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) forderte er "vehement, nicht auf die Not der Österreicher zu vergessen - etwa wenn es um die Themen Rekordarbeitslosigkeit, um die Themen Pflege und Bildung geht". Knapp 30.000 Menschen hätten heuer in Österreich um Asyl angesucht, gleichzeitig gebe es knapp 400.000 Arbeitslose, 220.000 Menschen könnten ihre Wohnung nicht angemessen warm halten, wies Landau hin. "Für Themen wie diese würde ich mir endlich dieselbe Aufmerksamkeit erwarten."
Beim Thema Asyl dagegen könnten manche Ministerien ruhig "den Sparmodus einschalten", befand der Caritas-Chef. Er habe "manches Mal das Gefühl, dass der Umgang mit Menschen auf der Flucht als Vorwand dient, sich mit anderen drängenden Fragen nicht beschäftigen zu müssen". Dem hielt Landau entgegen: "Wir sind da wie dort gefordert. Kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch." Die genannten Probleme erforderten seitens der Politik Nüchternheit, Sachlichkeit und einen lösungsorientierten Umgang.
Als "Wunsch ans Christkind" deponierte Landau, endlich zu einer österreichweit einheitlichen Lösung bei der Mindestsicherung zu kommen. Die Würde armutsbetroffener Menschen wie kinderreiche Familien, Alleinerziehende oder unter Altersarmut Leidende sei "in Wien dieselbe wie in Vorarlberg. Jeder Mensch ist gleich viel wert, ganz gleich, in welchem Bundesland er lebt". Es dürfe folglich "kein Sozialdumping auf dem Rücken wehrloser Menschen" geben, unterstrich der Caritas-Präsident.
Ausdrückliches Lob zollte Landau Wien für den "breiten Konsens, dass auf den Straßen dieser Stadt niemand erfrieren soll". In den vergangenen Wochen sei angesichts des nahenden Winters die Zahl der Betten für obdachlose Menschen deutlich erhöht worden. Auch der Umstand, "dass alle Menschen, die in einer akuten Notsituation sind, hier auch wie Menschen behandelt werden", mache Wien zu einem "sozialen Vorreiter" im Vergleich mit anderen europäischen Großstädten.
Nach Wahl Versöhnungsarbeit nötig
Im Blick auf die nach monatelangem Wahlkampf endlich beendete Bundespräsidentschaftswahl richtete Landau eine Bitte an die österreichische Bevölkerung und an die Politiker: "Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, ein Stück Versöhnungsarbeit zu leisten. Die Geschichte hat gezeigt, dass jede Polarisierung, die in Hass umschlägt, nur Verlierer kennt."
Mit Sorge habe Landau zur Kenntnis genommen, dass die sozialen Medien während des Wahlkampfes "zum Teil vor allem asoziale Medien geworden" seien. Der Caritas-Präsident sprach von "geschlossenen Echoräumen", wo "jene, die sonst vor Parallelgesellschaften warnen, sich zunehmend selbst in Parallelöffentlichkeiten zurückgezogen haben" und für andere Argumente nicht mehr erreichbar waren. Dass Journalistinnen persönlich bedroht würden, dafür dürfe und könne es in Österreich keinen Raum geben, forderte Landau, ohne die nach einem Interview mit FPÖ-Kandidat Norbert Hofer massiv attackierte TV-Journalistin Corinna Milborn explizit zu nennen.
Quelle: kathpress