Heftige Debatte über den Islam in Österreich
"Gehört der Islam zu Österreich?": Dieser Frage ging ein breit besetztes Podium bei einer Veranstaltung des Wiener Cartellverbandes im alten Wiener Rathaus nach - und kam zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen. Die Wiener ÖVP-Stadträtin Gudrun Kugler betonte, dass der Islam in Österreich schlicht ein Faktum sei. "Wir haben ungefähr 600.000 Muslime im Land, Österreich war schon immer ein Einwanderungsland, und das Islamgesetz gilt in Österreich seit 1912." Es gebe aber Ausprägungen des Islam, die mit der heimischen Leitkultur und den hier geltenden Werten nicht vereinbar seien. Das betreffe zwar nicht alle Muslime, "aber es kommt vor".
Kugler berief sich auf eine von der Stadt Wien in Auftrag gegebenen und vor kurzem publizierte Studie, die u.a. über Radikalisierung unter muslimischen Jugendlichen Auskunft gibt. Sie belege eine starke antiwestliche Haltung: Rund 67 Prozent der Befragten seien der Meinung, der Westen wolle sie vernichten. Laut der Studie würden 47 Prozent auch Jüdinnen und Juden sehr stark abwerten. Kugler will es auch nicht akzeptieren, dass sich vom Islam zum Christentum konvertierte Personen fürchten müssten.
Die VP-Politikerin kritisierte weiters, dass es hinsichtlich der Muslime keinen zentralen Ansprechpartner in Österreich gebe, da die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) nur einen kleinen Teil der Muslime repräsentiere. Die grundlegende Herausforderung sei freilich die nach den Werten in Österreich. Kugler: "Wir haben vielfach vergessen, wer wir sind." Hier sah die Politikerin dringenden Handlungsbedarf.
Der islamische Religionspädagoge Ednan Aslan verwehrte sich dagegen, den Islam als abgeschlossenes System zu betrachten, er sei vielmehr in einem Prozess. Aslan räumte in, dass es in Europa bzw. Österreich einen Islam gebe, der vom Ausland gesteuert sei und sich selbst klar in Abgrenzung zu europäischen Werten definiere. "Dieser Islam gehört sicher nicht zu Europa", hielt der Religionspädagoge fest. Rund 10 bis 15 Prozent der hier lebenden Muslime fallen laut Aslan in diese Kategorie. Es sei die Aufgabe der Muslime, den Islam so zu prägen, dass dieser in Europa nicht mehr als Fremdkörper empfunden wird.
Nur wenige Muslime "bereit zur Integration"
Der ehemalige FPÖ/BZÖ-Politiker und nunmehrige EU-Parlamentarier Ewald Stadler wollte nur von einer "Mini-Mini-Minderheit" sprechen, die sich in der von Aslan genannten Offenheit verstehen und auch integrationsbereit sei: "Bei der Mehrheit klappt es bis jetzt eindeutig nicht." Als sehr bedenklich bezeichnete Stadler die Entwicklung, dass der Hass auf Christen und Juden unter Muslimen in den letzten Jahren sogar noch zugenommen habe.
Wenig Freude hatte Stadler mit Kuglers Verweis auf das Islamgesetz von 1912 und der Tatsache, dass auch damals schon viele Muslime Teil der Österreich-Ungarischen Monarchie gewesen seien. Der Islam von 1912 war laut Stadler eine historisch "völlig andere Sache als heute". Damals seien von der Monarchie Länder okkupiert worden, in denen der Islam Teil der traditionellen Kultur gewesen sei. Heute gehe es hingegen um eine "Zuwanderungsminorität, die dabei ist, eine Parallelgesellschaft aufzubauen".
Baghajati gegen Feindbilddenken
Carla Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft konterte, dass sie es für fatal halte, wenn im Sinne eines Feindbilddenkens zwischen Christentum und Islam eine nicht überbrückbare Kluft behauptet werde. Österreich sei ein "wunderschönes Land, das uns allen am Herzen liegt", und viele Muslime fühlten sich hier selbstverständlich zu Hause, so Baghajati. Es gebe berechtigte Sorgen über manche Auslegungen des Islam, doch sie weigere sich anzuerkennen, "dass diese Erscheinungsformen den Islam ausmachen". Es gelte vielmehr jene Stimmen zu stärken, die sich zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten bekennen.
Baghajati verwies auf Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika "Laudato si" von der gemeinsamen Schöpfungsverantwortung aller Menschen spreche. Außerdem habe Franziskus als erster Papst einen islamischen Mystiker zitiert und damit die Muslime als Adressaten seiner Botschaft mit ins Boot geholt.
Der NEOS-Abgeordnete Niko Alm schließlich meinte, dass Muslime selbstverständlich zu Österreich gehören würden, der Islam in seiner Gesamtheit aber sicher nicht. Die für Österreich kennzeichnenden Religionsgesetze lehnte Alm rundweg ab. Der Staat solle hier eine neutrale Position einnehmen, forderte der Religionskritiker.
Quelle: kathpress