Polak sieht problematisches "Kulturchristentum"
Eine Politik, die Menschen in "weniger und mehr wert" einteilt, ist für die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak sicher nicht christlich. Die derzeitige Politik auf dem Rücken von Mindestsicherungsbeziehern, Arbeitslosen und Flüchtlingen hält die Theologin in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" für "beschämend und empörend". Im Zuge des Bundespräsidentschaftswahlkampfes sei zudem ein problematisches "Kulturchristentum" sichtbar geworden.
Christen müssen laut Polak in politischen Fragen nicht immer zu den selben Urteilen kommen. Es gebe aber durchaus einige Eckpfeiler, die christliches politisches Handeln auszeichnen würden, um die immer wieder, in jeder konkreten Situation neu gerungen werden müsse, so die Theologin: "Das ist die Frage nach der sehenden und nicht blinden Gerechtigkeit, die sich an der Lebensqualität der Menschen am Rande der Gesellschaft orientiert. Die Frage nach dem Gemeinwohl, dem Wohl jeder einzelnen Person, aber auch dem Wohl des gesamten Zusammenlebens. Und die Frage nach der Versöhnung unter Bewahrung und Förderung des Friedens." Ein zentrales Thema sei immer die Würde des Menschen.
Für Polak gibt es in der Politik aber jedenfalls klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen: "Rassismus ist keine politische Option für Christen." Unter Rassismus verstehe sie jede Art eines politischen Ordnungssystems, das auf einer Hierarchisierung innerhalb der Menschen aufbaut, egal ob nach Geschlecht, Behinderung, Beitrag zum Wirtschaftswachstum, Zugehörigkeit zu einer Kultur, Ethnie oder Religion. Polak: "Sobald Hierarchien eingeführt werden, die Menschen in 'weniger und mehr wert' einteilen, kann man ganz sicher sein, dass dies nicht christlich ist."
Warum Politiker, die sich selbst als christlich bezeichnen, Politik auf dem Rücken von Mindestsicherungsbeziehern, Arbeitslosen, Flüchtlingen, Obdachlosen und Bettlern machen, ist für die Theologin nicht nachvollziehbar: "Einen Kampf nicht gegen die Armut, sondern gegen die Armen zu führen, finde ich in einem Land, das seine Christlichkeit momentan wieder sehr stark vor sich her trägt, wirklich beschämend und empörend."
Polak sieht Gemeinsamkeiten in den Wahlkämpfen für das Amt des Präsidenten in den USA und Österreich in diesem Jahr. In beiden Ländern habe es Kandidaten gegeben, die Gott gleichsam als Schild vor sich hergetragen haben. Von der biblischen Seite betrachtet, sei es aber ein Irrweg, sich als Politiker darauf zu berufen, im Namen Gottes zu handeln, betont Polak: "Die Erfahrung des Volkes Israel und später dann auch der Christen zeigt, dass Gott sich langfristig nicht für die Rechtfertigung der Machterhaltung der Mächtigen oder der Erlangung von Macht benützen lässt." Wenn Gott Position bezieht, stelle er sich in der Regel auf die Seite der Ohnmächtigen und Unsichtbaren. Das ziehe sich wie ein roter Faden durch die Bibel.
Im Laufe der Vorbereitungen auf die Bundespräsidentschaftswahl sei laut der Pastoraltheologin eine Art "Kulturchristentum" sichtbar geworden. Dem liege ein Religionsverständnis zugrunde, "das aus der katholischen Perspektive mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil obsolet geworden ist: nämlich eine Form von Christentum, das sich vor allen Dingen national definiert."
Das Katholische zeichne sich aber gerade dadurch aus, dass es transnational und völkerverbindend sei. Zum Selbstverständnis gehöre dabei, zwischen den verschiedenen Völkern und auch zwischen den verschiedenen Religionen als Brückenbauer zu dienen. Polak: "Gott mit einer bestimmten Nationalität, einem bestimmten Land, einer bestimmten Form der Religionsausübung in enge Verbindung zu bringen - das ist eigentlich nicht katholisch." Allerdings gebe es in der Bevölkerung Personen, "die diese Veränderungen noch nicht ganz wahrgenommen haben."
Quelle: kathpress