Bundespräsidentenwahl mit zwiespältigen religiösen Signalen
Der längste Wahlgang um das höchste politische Amt in Österreich geht am 4. Dezember in die von vielen erhofften finalen Entscheidung. Im dritten Anlauf stehen sich der amtierende Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) und der frühere langjährige Bundessprecher der Grünen, Alexander van der Bellen, gegenüber. Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik wird somit kein Kandidat der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP den Bundespräsidenten stellen. Noch nie seit 1945 wurde ein ähnlicher Wahlgang durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben, der zuvor mit fast 31.000 Stimmen Überhang Alexander van der Bellen eine knappe Mehrheit gebracht hatte. Und schon lange nicht mehr war die christliche Wählerschaft so umworben und zugleich verunsichert bis polarisiert wie jetzt.
Die Gründe dafür liegen zuallererst an den beiden Kandidaten selbst: Weder Hofer noch Van der Bellen sind Katholiken. Auch dies ist eine Besonderheit bei der anstehenden Kür des Staatsoberhauptes, der - im Unterschied zu allen anderen politischen Spitzen der Republik - direkt vom Volk gewählt wird. Vor diesem Hintergrund spielen persönliche Qualitäten und weltanschauliche sowie religiöse Haltungen der Kandidaten zu Recht eine große Rolle bei der Entscheidung der Wähler. Neu ist bei einer Bundespräsidentenwahl auch der Umstand, dass Religiöses bewusst bei der Wahlkampagne eingesetzt wird. So geschehen durch die "So wahr mir Gott helfe"- Plakate des freiheitlichen Kandidaten im Wahlkampf-Finish.
Kandidaten antworten auf Gretchenfrage
Und wie halten es die beiden Präsidentschaftskandidaten mit der Religion? Auf die Gretchenfrage gaben sie jüngst der Wiener Kirchenzeitung Auskunft. Beide unterstrichen in den getrennt geführten Interviews für den "Sonntag" ihre Wertschätzung für den positiven Einfluss religiöser Überzeugungen auf das soziale Zusammenleben. Unterschiede gab es beim Agnostiker Van der Bellen und beim aus der katholischen Kirche ausgetretenen, nunmehr evangelischen Christen Hofer aber in Bezug auf ihre persönliche Glaubensüberzeugung.
Er habe als Jugendlicher "den Glauben an diesen einen persönlichen Gott verloren", sagte Van der Bellen und bekundete gleichzeitig "größten Respekt" vor der Bergpredigt als Kern der christlichen Botschaft. Hofer bezeichnete Religionen als "Leuchtturm" für die Menschen. "Unsere Gesellschaft würde nicht funktionieren, wenn es Religionen nicht geben würde", meinte der FPÖ-Kandidat. In seinem persönlichen Glauben seien Dankbarkeit und das Verzeihen wichtige Werte.
Die positive Grundmelodie beider Kandidaten im Gespräch mit einer Kirchenzeitung wird jedoch konterkariert von einer ungewohnt harten Auseinandersetzung, die sich beide und vor allem ihre Anhängerschaft in den Sozialen Medien liefern. Sie wird befeuert durch eine politische Großwetterlage, die aufgrund der Flüchtlingssituation, Terrorgefahr, Arbeitslosigkeit und politischen Schwäche Europas die allgemeine Verunsicherung verstärkt. Beide Kandidaten vertreten nicht nur zu diesen Themen (Stichworte Abtreibung bzw. Flüchtlingshilfe) unterschiedliche Positionen.
Schönborn: Keine Wahlempfehlung der Kirche
Zurückhaltender als noch vor dem zweiten Wahlgang, der inzwischen annullierten Stichwahl der beiden Kontrahenten, agieren indes die katholischen Kirchenspitzen. So gab es vor den Wahlen im Mai noch eine Empfehlung der Katholischen Frauenbewegung für Van der Bellen, die beim Salzburger Weihbischof Andreas Laun zu einer verbalen Entgleisung und zu einer Wahlempfehlung für Hofer führte. Diese Auseinandersetzung hatte eine klärendes Wort von Kardinal Christoph Schönborn zur Folge. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz gab die weitere Linie vor, indem er festhielt, "dass es auch diesmal keine Wahlempfehlung der katholischen Kirche als solcher gibt und auch nicht geben wird".
Der Kardinal erklärte weiters, dass es "völlig legitim" sei, "wenn auch bei dieser Wahl Katholiken zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, was die Wählbarkeit der einzelnen Kandidaten betrifft". Eine gute Wahlentscheidung könne sich nicht nur auf Aussagen der Kandidaten zu Kernanliegen der Kirche wie dem Lebensschutz beziehen, sondern müsse auch die Haltung der Kandidaten zu den Schwachen der Gesellschaft, zu denen auch die Migranten gehören, zur Zusammenarbeit in Europa, zur internationalen Verantwortung Österreichs miteinbeziehen. Dazu komme der Blick auf das politische Umfeld der Kandidaten, ihren Stil der Auseinandersetzung und ihre Ankündigungen, wie sie das Amt des Präsidenten auszuüben gedenken.
Sollten Katholiken nach ernsthafter Prüfung meinen, mit ihrer Wahlentscheidung an die Öffentlichkeit gehen zu müssen, dann "sollen sie dies respektvoll tun und in der Erkenntnis, dass niemand im Besitz der ganzen Wahrheit ist", mahnte der Kardinal im Blick auf die lebhaften innerkirchlichen Diskussionen an.
"Gott ist hochpolitisch, aber nicht parteipolitisch"
Zurückhaltend im Blick auf den Wahlkampf, aber deutlich bei politischen Sachthemen - diese Linie hielten die Bischöfe durchwegs in den letzten Monaten. Anders als die Spitzen der evangelischen Kirchen, die die "So wahr mir Gott helfe"-Plakate des FPÖ-Kandidaten deutlich als Missbrauch im Sinne des zweiten Gebots kritisierten, blieben die katholischen Bischöfe inhaltlich zwar distanziert, aber leiser. Bezeichnend dafür war die Aussage von Caritas-Bischof Benno Elbs, der zu den Plakaten bemerkte: "Gott ist hochpolitisch, aber nicht parteipolitisch".
Vernehmbar blieben die Bischöfe demgegenüber in aktuellen Sachfragen: So kritisierte die Bischofskonferenz die auf Initiative der Regierung beschlossene Asyl-Obergrenze, und Kardinal Schönborn setzte sich zuletzt deutlich für die Beibehaltung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und eine österreichweite Regelung dieses "letzten sozialen Netzes" - wie Caritas-Präsident Michael Landau es nennt - ein.
Im Kirchenvolk brodelt es dennoch weiter. Auf zwei Fälle, wo zuletzt Priester im Gottesdienst gegen Hofer bzw. Van der Bellen hergezogen waren und sich zu Wahlempfehlungen hinreißen ließen, reagierten die zuständigen Diözesen rasch und klar. Es dürfe "keine Instrumentalisierung der Gottesdienste zur parteipolitischen Agitation" geben, hieß es aus der Diözese Linz. Und der Salzburger Erzbischof Franz Lackner mahnte von kirchlichen Mitarbeitern Zurückhaltung in der Ausdrucksweise und bei partei- sowie tagespolitischen Themen an.
Außerhalb des Gottesdienstes hat sich zuletzt öfters und konturiert die "Katholische Aktion Österreich" (KAÖ) zu Wort gemeldet. "Gott für politische Ambitionen zu funktionalisieren ist zutiefst abzulehnen", erklärte Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der größten kirchlichen Laienorganisation, zu den FPÖ-Plakaten mit dem religiösen Zusatz zur Gelöbnisformel des Bundespräsidenten. Es gelte hinter die "Scheinwelt der Wahlkampftaktik" zu blicken, so die KAÖ-Präsidentin, die zuletzt festhielt: "Nicht überall, wo christlich draufsteht, ist Christliches tatsächlich drin. Nicht jeder, der sich nach außen hin christlich gibt, weil er auf Wählerfang unter Christen aus ist, ist im Herzen auch tatsächlich Christ."
Alle ernsthaften Stimmen der unterschiedlichen Lager verbindet das Bekenntnis zur Pflicht, das Wahlrecht auszuüben. Nicht selten ist in diesem Zusammenhang zu hören, es gehe dabei um das "minus malum", also das "kleinere Übel". Wer das in den nächsten Jahren an der Spitze Österreichs verkörpert, wird in der nächsten Woche klar sein - hoffentlich, endlich.
Quelle: kathpress