Familienverband sieht sich in Kritik bestätigt
Die Ganztagsschule ist "kein Allheilmittel für Probleme im Schulwesen, wie es vermittelt wird" und sollte im Sinn der Wahlfreiheit für Eltern durch halbtägige Angebote ergänzt werden. Diese Forderung hat der Katholische Familienverband der Erzdiözese Wien (KFVW) in einer Aussendung am Donnerstag erhoben und sich dabei auf den Wiener Bildungswissenschafter Stefan Hopmann berufen. Dessen Aussagen in der Tageszeitung "Der Standard" bestätigten den KFVW in seiner Kritik an einer flächendeckenden Ganztagsschule. Diese Maßnahme solle sämtliche bildungs- und gesellschaftspolitische Probleme lösen; "dabei wird das Wohl des einzelnen Kindes komplett aus den Augen gelassen und Eltern zusehends ihre Erziehungskompetenz abgesprochen", so KFVW-Vorsitzende Barbara Fruhwürth.
Als "erschreckend" bezeichnete sie den Hinweis von Hopmann, dass es keinen wissenschaftlichen Beleg für den Nutzen der Ganztagsschule gebe. "Gelder in ein Projekt zu stecken, dessen Erfolg ungewiss ist, ist unverantwortlich dem Steuerzahler gegenüber", ärgerte sich Fruhwürth.
Kritik übte sie auch an den Versprechen, mit denen für die Ganztagsschule geworben wird. Eine flächendeckende Ferienöffnung sei ebenso wenig realistisch wie die Ankündigung, außerhalb der Schule nicht mehr mit seinem Kind lernen zu müssen. "Man sollte den Eltern und Kindern gegenüber so fair sein und hier Klartext sprechen", forderte Fruhwürth.
Der KFVW setzt sich seit jeher für eine flächendeckende Beibehaltung der Wahlfreiheit zwischen Halbtags- und Ganztagsschule ein. Zwar gebe es Familien und Kinder, für die das Konzept der verschränkten Ganztagsschule passt, räumte die KFVW-Vorsitzende ein. "Aber wir müssen auch jenen Familien Rechnung tragen, die einen halbtägigen Schulbesuch mit selbstgewählter Nachmittagsbetreuung vorziehen."
750 Millionen besser anders investieren
Stefan Hopmann hatte im "Standard" kritisiert, die Regierung vergeude mit den zusätzlich budgetierten 750 Millionen Euro für den Ausbau von Ganztagsschul-Angeboten Steuergeld. Sinnvoller wäre es, gezielt in mehr pädagogische Fachkräfte für jene Schulen zu investieren, wo es besonders viele Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gibt. "Doch das tut die Regierung genau nicht."
Statt die Situation für besonders förderungsbedürftige Kinder zu verbessern, könne die Ganztagsschule unter Umständen sogar für eine Verschlechterung sorgen, gab Hopmann zu bedenken: "Wenn ein Kind mit sprachlichen, kognitiven oder sonstigen Defiziten den ganzen Tag unter anderen ist, die es auch nicht besser können, ist das nicht förderlich."
Quelle: kathpress