Lob für Bischöfe, aber vernichtende Belo-Monte-Bilanz
Großes Lob hat der austro-brasilianische Bischof Erwin Kräutler für die heimischen Bischöfe übrig. Die Österreichische Bischofskonferenz hatte sich auf ihrer jüngsten Vollversammlung in Eisenstadt in einer Erklärung für die Rechte der indigenen Völker Brasiliens stark gemacht. "Als ich das erfahren habe war ich richtig stolz auf die Bischofskonferenz", sagte Kräutler am Mittwoch in einem "Kathpress"-Interview in Wien. Gar kein Lob hat er hingegen für die politischen Zustände in Brasilien übrig. Hinsichtlich des nun fertiggestellten Megastaudamm-Projekts Belo Monte zog er eine vernichtende Bilanz.
"Wenn wir die indigene Bevölkerung in Brasilien verteidigen, dann verteidigen wir damit die brasilianische Verfassung", sagte Kräutler. Die Indios hätten von der Verfassung verbriefte Rechte, die zuletzt zunehmend wieder verletzt wurden. Dagegen müsse die Kirche ihre Stimme erheben und einschreiten. Kräutler ist auch nach seiner Emeritierung als Bischof von Xingu Sekretär für die brasilianische bischöfliche Kommission für Amazonien. In dieser Funktion stand er jüngst einem Treffen der Bischöfe des brasilianischen Amazonasgebiets in der Nähe von Belem do Para vor.
Der Platz und die Aufgabe der Kirche sei klar: "Wir stehen für die strikte Einhaltung der Menschenrechte und die Wahrung der Menschenwürde. Davon darf kein Finger breit abgewichen werden", sagte der Bischof. Die Kirche stehe für Solidarität für alle Menschen, über alle konfessionellen Grenzen hinweg.
Für Brasilien wie für Österreich gelte, dass die Bischöfe noch mehr den Kontakt mit dem Volk suchen müssten und sich für deren Rechte einzusetzen hätten. Politisches Engagement in diesem Sinn sei selbstverständlich. "Hier geht es nicht um Parteipolitik, aber wenn die Menschenrechte verletzt werden, dann hat sich der Bischof einzumischen", so Kräutler.
Zeche zahlen die Armen
Den Zustand der Politik in Brasilien bezeichnete der Bischof als desaströs. Eine korrupte Regierung werde von der nächsten abgelöst, die Zeche würden immer die Armen und der untere Mittelstand bezahlen. Vor allem im Mittelstand gebe es die permanente Angst, in die Armut abzurutschen. Die Menschen seien sprachlos, desillusioniert und müde, "wenn sie sehen, dass sich trotz aller Proteste nichts am politischen System ändert". Das ziehe sich von der Staatsebene hinunter bis zur Kommunalebene, schilderte Kräutler: "Die letzten Kommunalwahlen waren einfach schrecklich, in jeder Hinsicht".
Einmal mehr kritisierte der Bischof auch die horrenden Ausgaben für die Fußball- Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016. Die finanziellen Mittel hätte man dringend etwa für den Schul- oder Gesundheitsbereich gebraucht. "Und da haut man das Geld buchstäblich hinaus für solche Megevents, die nur für Touristen und die höheren Zehntausend Brasiliens interessant sind." Das sei eigentlich eine "Gotteslästerung" den Armen gegenüber, "was man da verschleudert und verludert hat". Trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt. "Wir hoffen immer noch auf ein besseres Brasilien", so der Bischof.
Desaströs ist laut Kräutler auch die Bilanz zum Staudammprojekt Belo Monte. Der Bischof hatte sich mit vielen anderen über Jahre vergeblich gegen das Mega-Projekt am Xingu nahe seiner Bischofsstadt Altamira ausgesprochen. Staudamm und Kraftwerk seien nun fertig, allein, es fehle das Wasser, so Kräutler im Kathpress-Interview. Von 20 Turbinen, geliefert von der steirischen Andritz-AG, seien gerade einmal zwei in Betrieb. Dafür hätten zigtausende Menschen ihre Lebensgrundlage verloren. In Altamira herrsche Chaos im Bildungs-, Gesundheits- und Sicherheitsbereich. Kräutler berichtete von einem massiven Fischsterben, viele Flüsse unterhalb des Staudamms seien nicht mehr schiffbar, für die Landwirtschaft fehle das Wasser.
Mehr Präsenz vor Ort
Befragt zu den Freikirchen, die in Brasilien immer mehr Anhänger gewinnen, sprach Bischof Kräutler von einer schwierigen Situation. Mit einigen könne man halbwegs auskommen, andere wiederum würden bewusst die katholische Kirche schlecht reden und aktiv Gläubige abwerben. Die katholische Kirche setze sich in ihrer Arbeit immer für Gerechtigkeit ein und damit notwendigerweise auch kritisch mit der Politik auseinander. Dieses Element fehle den Freikirchen völlig, sagte Kräutler.
Überzeugte, praktizierende Katholiken würden nicht zu den Freikirchen wechseln, es gebe jedoch viele Getaufte, die kaum Kontakt zur Kirche hätten. "Und da kommt es dann eben vor, dass die dann einem Prediger auf den Leim gehen." Die Erfolge der Freikirchen hätten viel mit Geld, Versprechungen oder Wundersucht zu tun, so der Bischof. Viele Menschen würden auch von der einen zur nächsten Freikirche wechseln, wenn sie mit dem Gebotenen nicht mehr zufrieden seien, "und einige kommen auch wieder zurück zur katholischen Kirche".
Die Freikirchen seien sicher nicht das größte Probleme der katholischen Kirche in Brsilien, sie zeigten aber die Notwendigkeit auf, "dass die Kirche noch viel stärker vor Ort präsent sein muss bei den Menschen, vor allem bei der armen Bevölkerung", betonte Kräutler.
Das sei freilich eine enorme Herausforderung, leide die Kirche doch unter einem "unvorstellbaren" Priestermangel. So gebe es in der Diözese Xingu für 800 Gemeinden gerade einmal 30 Priester. Ohne Laien, die vor Ort Verantwortung übernehmen, wäre das kirchliche Leben undenkbar. Einmal mehr mahnte Kräutler Reformen in der katholischen Kirche bezüglich des Priesteramts ein. "Wir müssen dringend die Zulassungsbedingungen zum Weihepriestertum überdenken." Das Zustandekommen einer Eucharistiefeier dürfe nicht davon abhängen, ob ein zölibatär lebender Priester vorhanden ist.
Kräutler war von 1981 bis 2015 Bischof von Xingu, der flächenmäßig größte Diözese Brasiliens mitten im Amazonasgebiet. Zurückstecken will der aus Vorarlberg stammende Ordensmann auch als emeritierter Bischof nicht. Er wohne mit seinem Nachfolger Joao Muniz Alves im gleichen Bischofshaus und sei weiter vielfältig aktiv, freilich nicht mehr mit der Letztverantwortung für die Diözese.
Ordenstag in Lainz
Kräutler war am Dienstag Hauptreferent beim "Ordenstag 2016" der Ordensgemeinschaften Österreich in Wien-Lainz, zu dem mehr als 600 Ordensleute gekommen waren. Die Titel seiner beiden Vorträge lauteten: "Liebe die Menschen und achte die Schöpfung" und "Habt Mut zu Veränderungen". Kräutler gehört selbst dem Orden der Missionare vom kostbaren Blut an. Auch wenn die Ordensberufungen derzeit in vielen Teilen der Welt zurückgehen, werde es das Ordensleben immer geben, zeigte er sich überzeugt. "Gott wird immer Menschen berufen."
Abgeschlossen wurde der Ordenstag mit einem Gottesdienst in der Lainzer Konzilsgedächtniskirche, dem Bischof Kräutler u.a. gemeinsam mit Abtpräses Christian Haidinger und dem Linzer Altbischof Maximilian Aichern vorstand.
Quelle: kathpress