Steigende Armut nimmt Kirche und Politik in die Pflicht
Die Armut in Kärnten nimmt zu und das ist sowohl für die Politik als auch für die Kirche eine Herausforderung, der es sich zu stellen gilt. Das hat der Kärntner Caritasdirektor Josef Marketz im Interview mit dem "Sonntag" betont. Er wünsche sich von der Politik, "dass im Sozialbereich nicht nur die Budgetzahlen gesehen werden, sondern die Menschen, die dahinter stehen und Hilfe brauchen", so Marketz und weiter wörtlich: "Die Politik weiß schon, dass sie ohne Caritas, Diakonie und andere soziale Träger in dieser Frage nicht weiterkommt. Wir brauchen aber rechtliche Rahmenbedingungen, dass jeder Mensch in Würde leben kann."
Ihm gehe es vor allem auch darum, "in der Gesellschaft das Bewusstsein zu unterstützen und zu stärken, dass wir Christinnen und Christen für Menschen in Not Mitverantwortung tragen." Das sei ein entschiedener Auftrg für die Kirche. Es reiche nicht mehr, "dass die Kirche schön geschmückt ist, und wir eine gute Gemeinschaft bilden". Der Papst zeige einen anderen Weg: "in jedem Menschen ein Abbild Gottes zu sehen, ihn würdevoll zu behandeln und ihm zur Seite zu stehen. Das ist heute entscheidend!" Diese christliche Grundhaltung müsse in den Pfarren gelebt werden und dürfe nicht auf die Caritas als Organisation eingeschränkt oder gar abgeschoben werden.
Es sei ihm deshalb ein großes Anliegen, im Vorfeld der Pfarrgemeinderatswahl auf die soziale, caritative Dimension der Kirche hinzuweisen, so Marketz. Wenn es dann um weiterführende rechtliche Fragen oder um operative Hilfe geht, unterstütze die Caritas die Pfarren freilich gerne.
"In Zukunft noch mehr Arme"
Zur Frage nach der Entwicklung der Armut in Kärnten zeigte sich Marketz besorgt: "Ich fürchte, dass es in Zukunft noch mehr Arme geben wird." Die Caritas verzeichne eine starke Zunahme der Nachfrage in den Kleiderläden, bei der Lebensmittel-Verteilung oder im Egger-Heim, wo Obdachlose ein Dach über dem Kopf und Betreuung finden. Marketz: "Das betrifft in erster Linie Inländer. Ich fürchte, dass diese Situation noch schlimmer wird. Wir wissen von vielen, dass sie sich gerade noch eine billige Wohnung leisten können. Wenn das aber nicht mehr geht, stehen auch sie auf der Straße."
Die Arbeitslosigkeit werde ansteigen, prognostizierte Marketz. "Wir suchen nach kompetenten Antworten und Lösungen." Das könne etwa Hilfe beim Eintritt in das Arbeitsleben sein. Doch auch, wenn es jemand nicht schafft, gelte es, "diesen Menschen ein würdevolles Leben zu ermöglichen". Der Caritasdirektor warnte u.a. auch davor, dass die Drogenabhängigkeit in Klagenfurt dramatisch zunehme.
Von Seiten der Caritas spüre man zugleich deutlich, "dass die Menschen, die zu uns kommen, mehr brauchen als ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen pro Tag". Sie bräuchten auch spirituelle Hilfe und seien sehr offen dafür. Marketz: "Ich war kürzlich mit einigen Obdachlosen vom Egger-Heim in Rom, wo Papst Franziskus zur Armenwallfahrt eingeladen hat. Auch das ist ein Angebot der Caritas."
Diese Menschen bräuchten eine "aktive, nachgehende Seelsorge", unterstrich der Caritasdirektor: "Sie trauen sich am Sonntag gar nicht in die Kirche." Ihn habe die Geschichte eines kanadischen Bischofs sehr erschüttert, der in seiner Heimatstadt zwei Tage lang auf der Straße gebettelt hatte. Dieser habe danach erzählte, dass er genug Geld gesammelt hatte, doch niemand hätte ihn erkannte, "weil ihn die Leute nicht angeschaut haben". Marketz: "Die Menschen schauen nicht auf die Armut hin, sondern wenden sich ab - selbst dann, wenn sie etwas geben. Es geht also darum, die Menschen als Menschen wahrzunehmen."
Quelle: kathpress