"Reformationstruck" bringt Kirchen zusammen
Der "Reformationstruck" tourt dieser Tage durch Österreich. Am Dienstag war er in Villach, am Donnerstag in Graz und seit Freitagabend macht er in Wien Station. Der 28-Tonnen-LKW verwandelt sich in den Stationen in ein "Geschichtenmobil". Der Truck ist begehbar und informiert auf vielfältige Weise über die Geschichte der Reformation und ihre Auswirkungen auf heute. Dazu kommen jeweils eigenen Veranstaltungen vor Ort, auch unter Mitwirkung von Vertretern anderer Kirchen. Die gesamte Aktion zum laufenden Gedenkjahr "500 Jahre Reformation" firmiert unter dem Titel "Europäischer Stationenweg".
Bei der Begrüßung des "Geschichtenmobils" am Freitagabend in Wien nahmen rund 200 Jugendliche die Möglichkeit wahr, mit dem evangelischen Superintendent Hansjörg Lein, Weihbischof Franz Scharl und weiteren Kirchenvertretern ins Gespräch zu kommen und sie zu ihren Vorstellungen von Reformation und Ökumene zu befragen. "Die Zeit, dass man öffentlich gegeneinander angetreten ist, ist vorbei", sagte Superintendent Lein zum ökumenischen Miteinander. Weihbischof Scharl griff dies auf: "Wie oft gibt es Jesus? - Einmal." Diese Verbundenheit in Christus sollten die Christen weiter sichtbar werden lassen und in diesem Sinne weiter aufeinander zugehen, so Scharl.
Zur Reformation und deren Auswirkungen auf die Gegenwart befragt, sprach die evangelische Superintendentialkuratorin Inge Troch die Gleichberechtigung an: "Dass Frauen den Männern gleichgestellt sind und in der evangelischen Kirchen Pfarrerinnen sind, das hätte wohl auch Martin Luther gefreut."
An der Veranstaltung nahm auch Volker Jung, Kirchenpräsident von Hessen/Nassau (Deutschland) und Mitglied des Rates der EKD (Evangelischen Kirchen in Deutschland), teil. Für ihn bedeute Reformation, sich für die Freiheit der anderen einzusetzen. Die zeige sich unter anderen in der Religionsfreiheit - darum würden sich Evangelisch heute zum Beispiel auch für die Religionsfreiheit der Muslime einsetzen.
Jubiläumsauftakt in Graz
Der Halt des "Reformationstrucks" am Donnerstag in der Grazer Innenstadt war zugleich der Auftakt zum Reformationsjubiläum in der Steiermark. Die Auftaktveranstaltung in der Heilandskirche stand unter dem Motto "gegeneinander - nebeneinander - miteinander". Das Reformationsjubiläum sei "die" Chance, die Lebensrelevanz des Evangeliums in der Gesellschaft wieder neu ins Gespräch zu bringen, sagte der steirische Superintendent Hermann Miklas: "Und das können wir nur gemeinsam tun." Die Kirchen stünden für die Überzeugung, dass jeder Mensch das Ebenbild Gottes in sich trage, so Miklas: "Welches Menschenbild setzen wir den diversen Slogans gegenüber, die da heute so gern wieder propagiert werden, wie: 'Amerika zuerst', 'Österreich den Österreichern', 'die Türkei den Türken'".
Was heiße es zudem ganz konkret im 21. Jahrhundert, dass jeder Mensch gleich an Würde und an Rechten sei, "egal ob gesund oder krank, schwarz oder weiß, hetero- oder homosexuell, Asylwerber oder Einheimischer, Mann oder Frau, Muslim, Jude, Buddhist, Christ oder Agnostiker", stellte Mikals als Frage in den Raum.
Der Superintendent räumte in seiner Rede ein, dass die Protestanten gelernt hätten, dass Luther - neben all seinen Verdiensten und neben all seiner Genialität - durchaus auch kritisch zu sehen sei. "Gewisse dunkle Flecken kann man ihm nicht absprechen." Umgekehrt hätten viele Katholiken - "vom Papst abwärts" - gelernt, "in Luther nicht nur den lästigen Spaltpilz zu sehen, sondern auch den leidenschaftlichen Gott-Sucher - und den, der die Christenheit zurück zu den Quellen geführt hat, zum Wort der Heiligen Schrift".
Insgesamt lehre der der Blick zurück auf das Geschehen vor 500 Jahren in ganz besonderer Weise Dankbarkeit dafür, "dass Gott immer wieder Menschen beruft, die in Vollmacht scheinbar vergessene Aspekte des Glaubens wieder ganz neu zum Leben erwecken und die Christenheit zu einer grundlegenden Neu-Besinnung herausfordern", so der Superintendent: "Das ist der Aspekt, über den wir uns uneingeschränkt freuen, den wir auch feiern dürfen." Zu diesen Prsönlichkeiten zählte Miklas neben Martin Luther, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin, John Wesley oder Dietrich Bonhoeffer auch die Päpste Johannes XXIII. und Franziskus.
In Österreich sei die evangelische Kirche durch die Jahrhunderte vor allem in der Opferrolle gewesen. "Da ist auch wirklich viel Schlimmes passiert." Dass aber dort, wo die Protestanten in der Mehrheit waren- umgekehrt oft genauso viel Schlimmes geschehen war, "das haben wir hier in Österreich meist nur wenig wahrgenommen".
Mit dem 500. Reformationsjubiläum sollten auch die österreichischen Evangelischen jedenfalls die Opferrolle endgültig hinter sich lassen, "und uns stattdessen auf gleicher Augenhöhe ins Miteinander begeben", forderte Miklas.
Krautwaschl: "Wir haben gelernt"
Dankbar für das "ausgezeichnete ökumenische Miteinander" zeigte sich Bischof Wilhelm Krautwaschl in seiner Ansprache. Papst Franziskus habe vor seiner Reise nach Schweden im Blick auf die Reformation gesagt: "Die Nähe tut uns allen gut. Die Distanz hingegen macht uns krank." - Als römisch-katholischer Bischof der Diözese Graz-Seckau könne er die Worte des Papstes nur bekräftigen, so Krautwschl.
Er räumte zugleich die Schuldgeschichte der katholischen Kirche ein: "Als Kirche, die in unserem Land lange die rechtlich bevorzugte und dominante war, stellen wir uns der Geschichte in großer Ehrlichkeit und mit großem Verantwortungsbewusstsein. Wir bekennen, dass im Namen des katholischen Glaubens evangelischen Gläubigen großes Unrecht geschehen ist. Wir hatten viel zu lernen - und ich wage zu sagen, wir haben gelernt."
Beide Kirchen durften schließlich erkennen, "dass das Verbindende größer ist als das Trennende, dass Hass und Gewalt im Namen der Religion abzulehnen sind und dass das Miteinander reicher macht". Viele Impulse der Reformation seien heute auch für katholische Christen von großer Bedeutung, betonte Krautwaschl.
Von Wien aus fährt der "Reformationstruck" weiter nach Prag. Sein Ziel findet das "Geschichtenmobil" schließlich im kommenden Mai in Wittenberg. Bis dahin wird der Truck 68 "Reformationsstädte" in 19 europäischen Ländern besucht haben.
Quelle: kathpress