Kirchenbündnis fordert "andere" christliche Politik
Ein deutliches Zeichen gegen soziale Kälte hat ein breites Bündnis kirchlicher Einrichtungen und zahlreicher Einzelpersonen im Vorfeld der Bundespräsidentschaftswahl gesetzt. Mit der Kampagne "Christlich geht anders! Solidarische Antworten auf die Soziale Frage" warnen die Frauen- und Männerorden, die Katholische Sozialakademie und die Katholische Frauen-, Männer- und ArbeitnehmerInnenbewegung, Akademikerverband, Spitzen der Katholischen Aktion und Theologen sowie auch Vertreter der Evangelischen Kirche vor "gesellschaftlicher Polarisierung durch wachsende Ungleichheit". Gemeinsame Forderungen wurden am Freitag in Wien präsentiert.
"Als Christin kann ich angesichts der zunehmenden Verleugnung der gleichen Würde aller Menschen nicht schweigen", sagte Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie (ksoe) und Koordinatorin der Kampagne. Sie warnte vor einer Politik der Konkurrenz, Leistung und Abwertung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Die Kürzung der Mindestsicherung missachte Menschenrechte und verletze Menschenwürde, womit "die rote Linie überschritten" sei. Holztrattner: "Politiker anerkennen jene, die hart arbeiten und früh aufstehen, bringen es aber nicht zustande, Strukturen zu schaffen, dass Menschen mit Vollzeiterwerbstätigkeit von ihrem Lohn leben können." Nötig sei mehr Verteilungsgerechtigkeit.
Die Orden - durch ihre Sozialwerke "Seismographen der Gesellschaft" - beobachten derzeit wachsende soziale Not, berichtete Benediktiner-Abtpräses Christian Haidinger, der die Männer- und auch Frauenorden vertrat. Für immer mehr Menschen reiche das Geld nicht bis zum Monatsende, zeige sich etwa durch die Nachfrage in Armenküchen und Obdachloseneinrichtungen, auch müssten Ordensschulen immer häufiger beim Schulgeld einspringen. Die Orden könnten nur "Komplementärmedizin" sein und bei unabsehbaren Ereignissen wie etwa der Flüchtlingsnot im Vorjahr einspringen. Sie seien aber kein Ersatz für den Sozialstaat, der ausgebaut werden müsse. Dass eine Sparmaßnahme an den Schwächsten, die "Mindestsicherung light", wie eine wünschenswerte Fastendiät präsentiert werde, ist für Haidinger bestürzend.
Kampf gegen Arme normal geworden
"In welcher Gesellschaft wollen wir leben?" stellte die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak in den Raum. Derzeit werde in Österreich auf dem Rücken von Mindestsicherungs-Beziehern, Flüchtlingen sowie Arbeits- und Obdachlosen Politik gemacht, mit Sündenbock-und Spaltungsmechanismen sowie einer Verrohung der Sprache. "Es ist zunehmend normal geworden, gegen Arme statt gegen Armut zu kämpfen", so die Theologin. Die Demokratie erscheine immer leerer und "Führersehnsucht" erstarke ebenso wie auch die Idee, dass es "nutzlose" Menschen geben könne.
Heftige Kritik äußerte Polak daran, dass Rechtspopulisten immer öfter fragwürdige Maßnahmen theologisch untermauern oder sich auf ein abendländisches Christentum berufen wollten. Die nötige Begründung durch die Bibel, das Lehramt und die Tradition stehe hier völlig aus, so die Theologin. Jesus von Nazareth habe in seiner Botschaft vom Reich Gottes von "Frieden, Anerkennung von Verschiedenheit und Gerechtigkeit, die sich am Geringsten orientiert", gesprochen. "Gott hat nie die Macht der Mächtigen legitimiert, sondern sie in Pflicht genommen für den Einsatz für die Ohnmächtigen", so die Theologin.
Die Fixierung auf den Bereich Migration und Flucht bezeichnete Polak als "Ablenkungsmanöver, um wirklich relevante Fragen nicht zu lösen" - wozu etwa der Klimawandel oder die "globale Exklusion" durch gezielte Produktion von menschlichen "Überschüssen" und ungerechte Verteilung gehörten. Umkehr, Umdenken, Übergang und Wandel seien nötig, um eine von universellen Werten getragene gemeinsame Zivilisation aufzubauen, ohne der die "gemeinsame Barbarei" drohe, forderte die Theologin. Sie sprach von einer notwendigen "Heilung der Herzensverhärtung".
Gutes Leben statt Vorrang für Geld
Ein "gutes Leben für alle" forderte Philipp Kuhlmann von der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung. Die Soziallehre der Kirche habe sich stets dahingehend geäußert, vor allem 2003 im Ökumenischen Sozialwort der Kirchen. Die Kernaussage: Der Mensch muss bei allen Maßnahmen im Zentrum stehen. Derzeit sehe es allerdings umgekehrt aus, sagte Kuhlmann: Der dominierende Markt, der "kein Christ" sei, greife das Sozialsystem an, da es den Arbeitsmarkt behindere, stelle die Waren- und Finanzflüsse an die erste Stelle und bewerte alles in Geld. Deutlich zeige sich dies etwa in der Debatte um die Sonntagsruhe.
Verstärkt wurde diese Botschaft von Veronika Pernsteiner, der Vorsitzenden der Katholischen Frauenbewegung. Die Kampagne "Christlich geht anders" sei ein "Aufruf zu einer sozialen Politik auf der Grundlage von Gerechtigkeit, Solidarität und Gemeinwohl". Handeln sei jetzt angesagt, "warten wir nicht auf eine spätere Gelegenheit".
(Weitere Information: www.ksoe.at)
Quelle: kathpress