Entschiedene Aufdeckung von jeglichem Missbrauch
Klar für die "entschiedene Aufdeckung" jeglichen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen hat sich der in der Bischofskonferenz für Missbrauchs-Prävention und Opferschutz zuständige St. Pöltner Bischof Klaus Küng ausgesprochen. Die Zeit der Vertuschung von Missbrauch sei jedenfalls vorbei, so der Bischof auf Anfrage. Er äußerte sich in einem ORF-Interview, das am Mittwochnachmittag in der Ö1-Sendereihe "Praxis - Religion und Gesellschaft" ausgestrahlt wurde. In der katholischen Kirche habe hier in den vergangenen Jahren einen "Gesinnungswandel" stattgefunden und es werde nun viel für die Prävention getan, "auch im Sinne des Nachgehens", so Küng.
"Schweigen ist Gift", bekannte der Bischof, der bedauerte, dass das Missbrauchs-Thema lange Zeit ein Tabu gewesen sei. Das Leid der Opfer laste schwer auf dem Gewissen der Kirche und die "abscheulichen Taten" hätten bei den Missbrauchten schwerste Wunden hinterlassen, zitierte Küng Papst Franziskus. Die Kirche müsse alles in ihrer Macht Stehende tun "um zu garantieren, dass so etwas keinen Platz hat". Seiner Wahrnehmung nach habe sich in der "mühsamen, schmerzhaften Arbeit" seit dem Höhepunkt der Missbrauchskrise im Jahr 2010 diesbezüglich bereits viel getan, sagte der Bischof. Es wäre allerdings "zu einfach" zu sagen, man tue bereits genug.
Aufgabe der Kirche sei vor allem auch die Präventionsarbeit, betonte Küng. Für die Zukunft müsse der Schwerpunkt in der Prävention darin liegen, "dass sich alle Mitarbeiter an bestimmte Regeln halten". Dies werde etwa durch Verpflichtungserklärungen der Priester oder der Angestellten erreicht. Es sei sehr wichtig, "bewusst zu machen, dass hier ein Bereich ist, der wirklich größte Umsicht erfordert im Bezug auf Kinder", so Küng. Die Kirche solle hier wieder eine Vorbildfunktion einnehmen.
Allen Beschuldigungen nachgegangen
Anlass für das Interview gab der Dokumentarfilm "Die Kinder lassen grüßen - neun Betroffene kirchlicher Gewalt klagen an" von Patricia Machart, der in der Vorwoche in Wien Premiere hatte. In dem Film schildern neun Menschen, die als Kinder und Jugendliche Vergewaltigungen, Schläge und grausame Strafen durch Kirchenvertreter erfuhren ihre Lebensgeschichten. Auch das Wegsehen und Schweigen jener, die vom Missbrauch wussten ist Thema.
In einem vor dem Abspann eingeblendeten Text ist zu lesen, dass die "Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt" 2012 den Bischöfen eine Dokumentation über 35 beschuldigte Priester übergeben habe. Die Bischöfe wären demzufolge aber nicht bereit gewesen, die betreffenden Kirchenmitarbeiter ihrer Ämter zu entheben.
Er müsse dieser Darstellung widersprechen, sagte Bischof Küng im Ö1-Interview. Die Kirche habe hier sehr wohl die nötigen Mittel eingesetzt und alle 35 angeführten Fälle auch untersucht. Manche Priester seien als Folge laisiert worden, einige seien "unter ganz strengen Maßnahmen und Bedingungen" im Einsatz geblieben. Manche seien allerdings entlastet worden: Bei diesen Fällen habe es sonst keinerlei Anschuldigungen oder Hinweise auf eine Missbrauchs-Vergangenheit gegeben, auch nicht über die diözesanen Ombudsstellen, betonte Küng.
Ombudsstellen sind weiterhin Anlaufstelle
Küng verwies auf die unabhängige Opferschutzkommission unter Waltraud Klasnic. Diese Initiative der Kirche habe sich seit 2010 mit insgesamt 1.550 Fällen befasst, wobei 1.455 Fälle - 94 Prozent - zugunsten der Opfer entschieden und nur 49 Fälle - 3 Prozent - abgelehnt worden seien; 3 Prozent seien derzeit noch in Bearbeitung. Die kirchliche Stiftung Opferschutz, der Küng vorsteht, habe in der Folge alle Entscheidungen der Klasnic-Kommission akzeptiert und freiwillige Zahlungen sowie Therapiekosten für die Opfer zugestanden. Insgesamt seien somit 22 Millionen Euro aufgebracht worden. Die Zahlungen seien jedoch nur ein Teil der Hilfe, stelle doch auch das Anhören der Menschen eine wichtige Aufgabe der Kommission dar. "Das Öffnen der Wunde ist oft ein erster Schritt zur Heilung", so der Bischof.
Differenziert äußerte sich Küng auch gegenüber Vorbehalten, wonach viele Opfer nicht angehört worden seien. Jeder habe die Gelegenheit gehabt, bei der Opferschutzkommission oder bei den von Anfang an in allen Diözesen eingerichteten Ombudsstellen vorzusprechen, betonte der Bischof. Heute sei die Klasnic-Kommission nicht mehr direkte Anlaufstelle für alle. Sie sei aber weiterhin jene Stelle, die über die Frage der Zahlungen entscheide.
"Geste der Verantwortung"
Das offizielle Österreich und die Kirche setzen am Donnerstagabend im Parlament eine gemeinsame "Geste der Verantwortung" für das Unrecht, das Heimkinder in den vergangenen Jahrzehnten in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen erlitten haben. Nationalratspräsidentin Doris Bures und Bundesratspräsident Mario Lindner haben für den 17. November um 17 Uhr zu einem entsprechenden Staatsakt in das Parlament in Wien eingeladen, an dem auch mehr als 250 ehemalige Heimkinder teilnehmen werden. Für die katholische Kirche wird Kardinal Christoph Schönborn bei der Veranstaltung im Historischen Sitzungssaal des Parlaments sprechen, die im österreichischen Fernsehen auf ORF3 live übertragen wird.
Man komme damit einer langjährigen Forderung der Betroffenen nach, so Nationalratspräsidentin Bures. "Das offizielle Österreich und die Kirche wollen mit der Veranstaltung zum Ausdruck bringen, dass die Republik das unfassbare Leid der Betroffenen mitsamt seiner lebenslangen Konsequenzen anerkennt und Lehren aus dem geschehenen Unrecht gezogen hat", erklärte Bures. Die Geste sei freilich nur eine Station auf dem langen Weg der Aufarbeitung des geschehenen Unrechts und "kein Schlusspunkt unter offene Diskussionen und unter die Aufarbeitung". Staat und Kirche sollten gemeinsam das Unrecht benennen und anerkennen, liege es doch in der Verantwortung aller zu verhindern, "dass Missbrauch und Gewalt wie einst still geduldet, systematisch vertuscht und kollektiv geleugnet werden", so Bures.
Neben Bures, Lindner und Kardinal Schönborn werden bei dem Staatsakt auch Bundeskanzler Christian Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer - er ist derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz - Reden halten. Zentraler Programmpunkt sind Berichte von Betroffenen, die stellvertretend für das Schicksal tausender Kinder in staatlichen und kirchlichen Heimen stehen. Die Schauspieler Karl Markovics, Regina Fritsch, Wolfgang Böck, Florian Teichtmeister und Miriam Fussenegger werden dazu Texte von Betroffenen sowie aus Forschungs- und Kommissionsberichten vortragen.
Mit dem Staatsakt wird auch einem langjährigen Wunsch vieler Opfervertreter und der auf Ersuchen der Kirche von der früheren steirischen Landeschefin Waltraud Klasnic eingerichteten Unabhängigen Opferschutzkommission entsprochen.
Quelle: kathpress