Positive erste Erfahrungen beim "Freiwilligen Ordensjahr"
Durchwegs positive erste Erfahrungen gibt es beim "Freiwilliges Ordensjahr", das die heimischen Ordensgemeinschaften im September offiziell ins Leben gesetzt haben. Fünf Personen haben das neue Angebot in sechs verschiedenen Männer- und Frauenklöstern quer durch Österreich bereits begonnen, ein Mann startet zu Weihnachten, und zahlreiche weitere Einzelpersonen wie auch Klöster sind für die künftige Teilnahme interessiert, berichtete die Koordinatorin des Projekts, Schwester Ruth Pucher von den "Missionarinnen Christi", im Interview mit "Kathpress". Erfreut sei sie darüber, "dass es bis jetzt nur positive Rückmeldungen gibt".
Das von den Dachverbänden der Männer- und Frauenorden getragene "Freiwillige Ordensjahr" gilt als eine Antwort auf den Mitgliederschwund in den Orden und ebenso auf den Wunsch vieler Menschen, an der Spiritualität und am Alltag der Klöster teilzuhaben. Wer mitmacht, lebt für eine zuvor vereinbarte Dauer von drei bis zwölf Monaten im Orden mit - zu freier Kost und Logis, wobei man im Gegengenzug etwa 30 Stunden für die Gemeinschaft tätig ist oder einem externen Beruf nachgeht. Die Teilnehmer sind über das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ), die Anstellung im Orden oder eine laufende Pension sozialversichert. 24 Frauen- und sechs Männerorden bieten derzeit die Möglichkeit für das Freiwillige Ordensjahr.
"Dass man sich nicht auf Dauer verpflichten muss, lockt die Leute", so der Eindruck Puchers, die ihre eigene Funktion mit jener einer Partnervermittlung verglich: In den vorbereitenden Einzelgesprächen, zu denen jeder Bewerber nach dem Internet-Erstkontakt kommen kann - in den vergangenen Monaten gab es 27 solcher Treffen - werden Erwartungen abgeklärt, die Kandidaten und die zu ihnen passenden Orden bestimmt und Rechtliches sowie andere Details geklärt. Alles weitere übernimmt der Orden, wobei Sr. Ruth vierteljährlich sowohl Teilnehmer als auch Interessenten zur Fortbildung in der Gruppe versammelt, und zwar je abwechselnd in einem Männer- und Frauenkloster.
Überrascht habe sie, dass der Großteil der bisherigen Interessenten aus der jüngeren Altersgruppe kommt, erklärte Pucher. Äußerst bunt sei das Bild jener, die das Ordensjahr nun gestartet haben, und ähnlich verhält es sich mit den Tätigkeiten im Kloster: Ein 19-jähriger Maturant wirkt etwa in einem Jugendprojekt der Kapuziner, eine Frau bei den Schwestern der Caritas Socialis im Haus für Mutter und Kind, ein früherer Notariats-Mitarbeiter im Archiv der Jesuiten, eine gelernte Buchhalterin als Stützkraft in einem Hort der Don Bosco Schwestern. Auch die Formen des Zusammenlebens unterscheiden sich, teils wird schon die Laudes mitgefeiert, teils erst Mittags- und Abendgebete.
Schmelzpunkt der eigenen Biografie
Wer ein Jahr ins Kloster will, sucht vor allem Gemeinschaft und Gemeinschaft im Gebet, so der Eindruck der Ordensfrau. Manche möchten Aspekte ihrer Biografie zusammenführen: "Ein Interessent hat Theologie studiert und Koch gelernt, ist jetzt Starkoch und findet, dass die Theologie zu kurz kommt. Er will das miteinander verbinden." Tatsächlich treffe es zu, dass das Kloster Lebensbereiche zusammenführt und verschiedenen Qualifikationen Platz bietet. "Als ich selbst den Ordenseintritt überlegte, freute ich mich darauf, hier für 20 Leute auf einmal kochen zu können", berichtete Pucher, selbst studierte Kunsthistorikerin, Kirchenmalerin und ausgebildete Fremdenführerin.
Doch nicht jeder kann ein Ordensjahr machen. Eine Vorauswahl zu treffen sei eine unangenehme Aufgabe, die für die teilnehmenden Orden allerdings wichtig ist, so die Koordinatorin des Projekts. Wer intensive Begleitung und Betreuung mit täglichen Krisengesprächen sucht, dem wird ebenso abgeraten wie jenem, der bereits einmal beim Eintritt in eine Ordensgemeinschaft gescheitert ist. Manche Bewerber hat Sr. Ruth an andere kompetente Stellen weitervermittelt, darunter eine obdachlose, auch psychisch belastete Frau. Einen Mann, dessen Gattin Wochen zuvor verstorben war, empfahl sie, lieber die Trauerphase abzuwarten und eine Trauergruppe als Gemeinschaftsform zu erwägen.
Abbau von Berührungsangst
Österreich ist mit dem Ordensjahr Vorreiter, wiewohl man sich freilich von anderen Modellen Ideen abschaute. Anlehnungen gab es laut Pucher beim Angebot "Bruder auf Zeit" der Schweizer Kapuziner, während zum heimischen "Kloster auf Zeit" doch ein gewichtiger Unterschied besteht: Das in den großen Stiften übliche Programm ist auf eine oder mehrere Wochen beschränkt. "Ein Hineinspringen und Mitleben genauso wie ein Mitglied ist 'Kloster auf Zeit' meistens nicht, denn man behält dabei doch einen gewissen Gaststatus. Davon wollen wir durch die längere Dauer wegkommen", so die Missionarin Christi.
Durch die Möglichkeit des Mitlebens "so als ob" soll auch für jene, die einen Ordenseintritt erwägen, die Berührungsangst abgebaut werden, welche es sonst durch die "starken Schwellen" wie Kandidatur, Postulat, Noviziat und Juniorat gibt. "Stellt jemand im Laufe des Ordensjahr fest, dass dies die genau richtige Lebensform für sie oder ihn ist, gilt es dann noch einmal genau zu schauen: War dieses Jahr jetzt schon ein Postulat? Denn die Gemeinschaft kennt man dann ja schon gut", stellte Pucher in Aussicht. Etliche sähen das freiwillige Jahr tatsächlich als Entscheidungshilfe für einen Ordenseintritt; jenen, die dafür schon eine bestimmte Gemeinschaft ins Auge gefasst haben, empfehle sie allerdings den Start über die üblichen Schritte.
Lernprozess für die Orden
Für die aufnehmenden Ordensgemeinschaften seien die Mitlebenden ein "großes Glück", betonte Pucher. "Sie sehen in ihnen eine Bereicherung - wenn sich etwa ein junger Teilnehmer in der Jugendpastoral der Wiener Neustädter Kapuziner einbringt oder eine ältere Dame mit vielseitiger Berufserfahrung bei den Tertiarschwestern in Hall." Außer Frage stehe das große Wohlwollen der Freiwilligen gegenüber den Orden. "Sie wollen nichts umkrempeln, tun Dinge aber dennoch oft anders oder haben neue Perspektiven."
Das Freiwillige Ordensjahr bezeichnete Pucher als richtungsweisenden Schritt für die Zukunft der Orden. "Viele Fragen sind ungeklärt, denn wir wissen nicht, wie und wohin es mit uns weitergeht. Es scheint ganz, als ob die Gemeinschaften künftig offener sind und wir die großen Klöster nicht mehr alleine bewohnen. Was das konkret bedeutet, müssen wir jetzt lernen - indem wir Menschen aufnehmen." Neue Formen der Zugehörigkeit und des Mitwirkens seien in den Klöstern bereits im Entstehen. Auf den Kern jener, die sich dauerhaft verpflichten, werde man aber auch bei künftig vermehrter "Durchlässigkeit" weiter angewiesen sein, betonte die Ordensfrau.
Quelle: kathpress