Jesus in den Notleidenden sehen
Kardinal Christoph Schönborn hat im der Benediktinerabtei Pannonhalma zu "offenen Augen" für Notleidende aufgerufen. "Wir finden Christus dann, wenn wir auf die Wunden der Menschen schauen", sagte der Wiener Erzbischof bei der Abschlussmesse des Jubiläumsjahres zum 1.700. Geburtstag des Heiligen Martin von Tours, dem das ungarische Kloster geweiht ist. "Warum ist Martin so berühmt, so beliebt geworden? Warum sind die Kranken überall zu ihm gekommen? Weil sie gespürt haben, dass er ihre Wunden sieht", so Schönborn. Wer Martin feiere, müsse der Botschaft des Heiligen auch folgen.
An den Wunden sei Christus erkennbar, legte Schönborn mit einer Erzählung aus der Martins-Biografie dar. Der Heilige habe einmal in einer Erscheinung Christus in prächtigem Kaisergewand gesehen, habe dabei aber bezweifelt, ob es sich nicht um eine Illusion handle. Als Martin die Erscheinung aufforderte, sie möge ihm die Wunden zeigen, sei diese verschwunden. "Es war der Teufel", so der Wiener Erzbischof. Auf ähnliche Weise habe Martin zuvor erfahren, dass Jesus in den Wunden der Menschen auffindbar sei - als er mit dem frierenden Bettler seinen Mantel teilte und nachts darauf Christus mit dem Mantel sah, den er gegeben hatte.
Jesus betone im Festevangelium zum Martinsfest "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan", erinnerte Schönborn. Wer hingegen keine "offene Augen des Herzens" habe und die Armen nicht sehe, füge Jesus Wunden zu. Da es keinen unverwundeten Menschen gebe - "auch keinen unverwundeten Bischof", sei es wichtig, einander die eigenen Wunden zu zeigen und dadurch Barmherzigkeit zu lernen, so der Erzbischof. Im Blick auf das in wenigen Tagen endende "Jahr der Barmherzigkeit" rief er dazu auf, die Initiative müsse inhaltlich weitergetragen werden und dürfe nicht das "Ende der Barmherzigkeit" bedeuten.
Er sei sehr froh, dass er der Einladung von Erzabt Imre Asztrik Varszegi habe nachkommen können, um in Pannonhalma das Martinsfest zu feiern, erklärte Schönborn gegenüber "Kathpress". Die Erzabtei sei ein ganz zentraler Ort des kirchlichen und geistlichen Lebens in Ungarn. Schönborn würdigte Vareszegi, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet, zugleich für dessen gesellschaftliches und soziales Engagement in Ungarn und darüber hinaus. "In diesem Engagement fühlen wir uns sehr nahe und ich bin ihm auch persönlich sehr verbunden."
Zugleich sprach Schönborn von einer schönen Geste, dass der Primas von Ungarn, Kardinal Peter Erdö, am gleichen Tag das Martinsfest in Eisenstadt feierte. Durch diesen "Austausch" solle auch zum Ausdruck gebracht werden, "dass wir über die Grenzen hinweg miteinander verbunden sind und einer gemeinsame christliche Geschichte haben".
Quelle: kathpress